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Der HSV vor dem Bundesliga-StartNever mind the Stadionuhr

Der Hamburger SV hat gute Hoffnungen auf eine Saison ohne Abstiegssorgen. Ein Grund dafür ist der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte.

Blau-weiß-schwarze Hoffnungsträger: die Neuzugänge Alen Halilovic (Mitte) und Filip Kostić (rechts) Foto: dpa

Filip Kostić ist da. Am Montag wurde er mit Stolz in Hamburg vorgestellt – man hatte für den 23-jährigen serbischen Nationalspieler tief in die Tasche gegriffen beim ruhmreichen, aber dauerpleiten HSV (wie so oft in den letzten Jahren hat auch hier Sponsor Klaus-Michael Kühne ausgeholfen). Für 14 Millionen Euro Ablöse kommt der offensive Mittelfeldspieler also nach langen, zähen Verhandlungen vom Absteiger VfB Stuttgart an die Elbe. Für fünf Jahre. Er ist damit nicht nur ein Einkauf mit Perspektive. Er ist auch der teuerste Einkauf, den der HSV je gestemmt hat.

Das Projekt HSV erklimmt damit die nächste Stufe. Zwei Spielzeiten nach der in letzter Minute überstandenen Relegation mit dem Wundertreffer von Marcelo Diaz („Tomorrow, my friend“) und einer letzten Saison, die mit Ach und Krach, aber immerhin mit Sicherheitsabstand zum Relegationsplatz über die Bühne gebracht werden konnte, schauen die Verantwortlichen in Hamburg wieder etwas hoffnungsvoller aus der blau-weiß-schwarzen Wäsche.

Das Ausbildungszentrum, der „HSV-Campus“, feierte Richtfest, die Einkäufe zur neuen Saison können sich allesamt sehen lassen (Bobby Wood, Alen Halilović, Luca Waldschmidt), die Problemfälle wurden verleihgeparkt oder harren verletzungsbedingt der Winterpause. Der ein oder andere Abgang (Zoltán Stieber) wird noch folgen, dann ist der Kader breit und qualitativ hinreichend aufgestellt – und in der Kompaktheit tatsächlich so gut wie seit Jahren nicht.

Bleibt abzuwarten, ob das auch in der Liga fruchtet, oder der neue Konkurrenzkampf auch das eine oder andere neue Problem fordert: Sturmtank Lasogga gilt als Sensibelchen, Mittelfeldspieler Gregoritsch wird sich nicht mehr so oft freiwillig auf die Bank setzen lassen, andere wie Aaron Hunt oder Sven Schipplock sind immer noch den Beweis ihrer Qualität schuldig. Und Trainer Bruno Labbadia hat nur Vertrag bis 2017.

Es sieht also ganz so aus, als hielte Vorstandsvorsitzender Dietmar Beiersdorfer die Zügel wieder in der Hand. Seit der Demission des unglücklichen Rucksackverlierers Peter Knäbel als Sportdirektor hat Beiersdorfer seine wiedergewonnene Macht noch weiter ausgebaut. In die Suppe spuckt ihm so schnell keiner mehr – Bernd Hoffmann, der Beiersdorfer 2009 zum Aufgeben brachte, ist weit weg; der Aufsichtsrat ist loyal.

Ein angenehmes Auftaktprogramm

Entscheidend wird sein, wie der HSV in die Saison kommt. Noch eine Pokalpleite in der ersten Runde wie letztes Jahr in Jena sollte es nicht geben; der FSV Zwickau sollte keine Hürde darstellen. Der Spielplan der Bundesliga (Auftakt gegen Ingolstadt, Spiele gegen Leipzig und Freiburg, nur Lever­kusen als Topgegner in den ersten Spieltagen) meint es zusätzlich gut mit den Hamburgern. Und vielleicht traut sich auch Bruno Labbadia nach guter Hinrunde eine Vertragsverlängerung zu.

Denn vieles sieht gut aus beim lange kranken Verein. Auf die dusselige Stadionuhr schaut niemand mehr, Abstiegskampf sollte mittel- bis langfristig kein Thema mehr sein für den ambitionierten Traditionsklub. Für einen Angriff auf ganz oben wird es noch nicht reichen. Aber ein Mitmischen um die Europaligaplätze sollte im Bereich des Möglichen liegen.

Flügelflitzer Filip Kostić jedenfalls wird mit ganzem Herzen dabei sein. Er hatte sich ausdrücklich gegen Mitbewerber Wolfsburg und Optionen aus dem Ausland entschieden. Der HSV, der sich schon im letzten Jahr um ihn bemühte, war sein Wunschverein. Weiterentwicklung und Entfaltung, das sind wohl die Ideen dahinter. Auf die Umsetzung kommt es an.

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2 Kommentare

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  • Wieso wird hier immer noch das falsche Bild vom "Rucksackverlierer" Knäbel hochgehalten? Die damaligen Ermittlungen der Polizei - der HSV hatte unmittelbar Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt - ergaben doch recht zügig einen Anfangsverdacht gegen die "Finderin", die den Rucksack vermutlich selbst gestohlen hatte. Ging es in diesem Zusammenhang nicht auch um eine "enttäuschte Liebe" zu einem Angestellten der Geschäftsstelle?

     

    Ich hätte erwartet, dass da etwas genauer und unvoreingenommen recherchiert wird, statt lediglich abgestandene Vorurteile aufzuwärmen. Aber so ist das wohl mit der selektiven Wahrnehmung, man behält nur den Teil einer Geschichte in Erinnerung, welcher der (eigenen) Wahrheit am nächsten kommt, unabhängig von seinem tatsächlichen Wahrheitsgehalt.

     

    Auf ein dem Papier nach "leichtes" Auftaktprogramm wird man in Hamburg schonmal gar nichts geben. "Leichte" Programme gibt es nicht, schon gar nicht, wenn man sich wie der HSV mit den "kleineren Mannschaften" seit jeher schwer tut.

     

    Vor zwei Jahren startete der HSV mit desaströsen Niederlagen gegen Paderborn (0:3) und Hannover (0:2). Zwei Teams, welche ihrerseits die Runde furios begannen, sich am Ende der langen, kräftezehrenden Saison aber doch wieder dort einfanden, wo sie die meisten Experten vorab eingeordnet hatten, ganz unten in der Tabelle. Der HSV sah aus wie ein Marathon-Läufer, der im olympischen Finale mit dem ersten Schritt umknickt und einen Bänderriss im Sprunggelenk, mit dem zweiten Schritt einen Knöchelbruch im anderen Fuß erleidet. Der komplett vergeigte Saisonstart führte mental direkt in einen starken Abwärtsstrudel und bis zum Schluss humpelte und rumpelte man mit diesen frühen Niederlagen dem Feld und den fehlenden "Big Points" gegen die direkte Konkurrenz hinterher. Dass man da noch auf dem Zahnfleisch ins Ziel taumeln konnte, grenzte schon an ein kleines Fußballwunder.

  • "Gute Hoffnung" wird der Hamburger Sponsoren Verein wohl auch brauchen, denn nach der EM ist das Interesse jetzt an richtig gutem Fußball doch sehr hoch.