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Bundeswehr-Einsätze im InlandStreit um die Feldjäger

Die Bundeswehr war in der Amok-Nacht von München für einen Einsatz bereit. Den Sozialdemokraten geht das zu weit.

Polizisten in zivil beim Anti-Amok-Einsatz am Freitag in München: Könnten Soldaten das besser? Foto: reuters

Berlin/Freiburg taz | Ein Bundeswehrsprecher hat der taz bestätigt, dass sich Bundeswehr­soldaten während des Münchner Amoklaufs von Freitagabend darauf eingestellt hatten, auszurücken. Das Feldjägerregiment 3 hat seinen Sitz in der Fürst-Wrede-Kaserne im Münchner Norden. Ohne Blaulicht dauert die Fahrt von dort zum Olympiaeinkaufszentrum 15 Minuten. Die Soldaten standen bereit.

Dass das Verteidigungsministerium über einen Einsatz im Innern nachdachte, hatte am Samstag bereits Ursula von der Leyen (CDU) verkündet. „Solange das Ausmaß des Anschlages nicht klar war, war eine Feldjäger-Einheit der Bundeswehr in München in Bereitschaft versetzt“, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Soldaten hätten die Kaserne verlassen, falls die zuständigen Polizeibehörden in Bayern um ihre Unterstützung gebeten hätten.

Die Anzahl der alarmierten Feldjäger ist unklar. Insgesamt umfasst das Regiment rund 900 Soldaten. Sie sind allerdings verteilt auf acht Standorte in ganz Süddeutschland. Wie viele Mitglieder der Einheit in München auf den Einsatzbefehl warteten, verrät die Bundeswehr „aus operativen Gründen“ nicht.

Offen ist auch, welche Aufgaben die Feldjäger übernommen hätten. Entscheidend dafür wäre laut Verteidigungsministerium gewesen, um welche Art von Unterstützung die Polizei gebeten hätte.

Ein Einsatz mit Waffen und hoheitlichen Aufgaben wäre rechtlich brisant

Rechtlich unproblematisch wäre es, Polizisten im Rahmen der Amtshilfe logistisch zu unterstützen – etwa durch den Einsatz von Spürhunden oder von Bundeswehrfahrzeugen als Transportmittel. Brisant wäre dagegen ein Einsatz mit Waffen und hoheitlichen Aufgaben, beispielsweise bei Verkehrskontrollen oder der Fahndung.

Vorschlag für Grundgesetzänderung

Einen solchen Einsatz hält das Verfassungsgericht nach Terroranschlägen nur dann für zulässig, wenn es sich um Anschläge „katastrophischen Ausmaßes“ handelt. Es genüge hierzu nicht, dass die Polizei mit der Situation überfordert sei. Es ging den Verfassungsrichtern offensichtlich um terroristische Angriffe auf AKWs, Staudämme oder Hochhäuser wie in New York.

Ob eine Schießerei in einem Einkaufszentrum dafür ausreicht, ist selbst innerhalb der Großen Koalition höchst umstritten. „Ich halte das in diesem Fall nicht für gedeckt“, sagte der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs der taz. „Der Bundeswehreinsatz im Inneren sollte eine Ausnahme für Katastrophenfälle bleiben. Die Armee ist für Einsätze im Inland weder ausgebildet noch ausgerüstet.“

Kahrs befürchtet, Ministerin von der Leyen wollte durch den Feldjägereinsatz „Grenzen verschieben“. Tatsächlich will die Union die Möglichkeiten für Inlandseinsätze ausweiten. Im neuen Weißbuch der Bundeswehr schlug von der Leyen dafür zunächst sogar eine Grundgesetzänderung vor. Nur auf Druck der SPD hin wurde die Passage entschärft.

Unabhängig davon fehlt nach wie vor ein Gesetz, das den Einsatz der Bundeswehr bei Anschlägen am Boden regelt. Bisher gibt es nur das Luftsicherheitsgesetz für den Einsatz der Luftwaffe im Inland. Die Regierung glaubt inzwischen, auf ein derartiges Gesetz verzichten zu können. Damit wird sie aber nicht durchkommen: Jeder, der nach einem Anschlag von einem Feldjäger kontrolliert wird, könnte dagegen beim örtlichen Verwaltungsgericht klagen und sich darauf berufen, dass der Einsatz ohne gesetzliche Grundlage rechtswidrig ist.

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2 Kommentare

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  • Die Bundeswehr ist in ihrer Gesamten Struktur, sowohl was die Menschen angeht, als auch die Ideologische Ausrichtung oder das gelebte Alltagsleben der Soldaten, überhaupt nicht mehr mit den Armen dieser Welt vergleichbar.

     

    Das ist kein Aloch Verein wie es mal war zu Zeiten des Kalten Krieges.

     

    Was ja auch nicht unbedingt Überraschend ist, denn die Offiziere sind nun mal die Abiturienten aus der jüngeren Vergangenheit und nicht die Alten Knochen aus dem vergangenen Jahrhundert. Da gibts sogar ne ganze menge Hipster...

     

    Ich hätte überhaupt keine Sorgen wenn die BW im Inland eingesetzt würde.

     

    Einfach weil die BW nicht mit anderen Armeen vergleichbar ist. Vor den Soldaten muss man keine Angst haben, das Prinzip "Bürger in Uniform" hat sich wirklich durchgesetzt.

  • Wie wäre es damit, "die Kirche im Dorf zu lassen", also rational über diese Frage zu diskutieren?

     

    Zwei Argumente sehe ich, die gegen einen Bundeswehr-Einsatz im Innern sprechen:

    Erstens, dass die Bundeswehr dafür weder ausgebildet noch ausgerüstet sei, und

    Zweitens, dass das Grundgesetz, wie ja auch die Entscheidung des BVerfG's dies "untermauert", dagegen spricht.

     

    Während das Erste zu beheben wäre, ist das Zweite nicht einfach zu ändern.

     

    Allerdings, mit einer rechtlichen "Grauzone" zu leben, ist auch nicht gerade erstrebenswert, und diese "Grauzone" ergibt sich zwangsläufig, wenn mit interpretierbaren Begriffen "gearbeitet" werden muss. Was sind denn "... Anschläge „katastrophischen Ausmaßes“ ..." und wer stellt fest, ob "...die Polizei mit der Situation" nicht nur "überfordert sei"?, zumal, wenn dies schnell entschieden werden muss, was bei solchen Krisenszenarien immer gegeben sein wird.

     

    Wo läge denn bspw. das Problem, wenn bei einer solchen oder ähnlichen Katastrophe die Sanitätseinheiten der Bundeswehr den Rettungskräften vor Ort helfen dürften? Was spräche denn dagegen, wenn Transporteinheiten der Bundeswehr beim Transportieren von Einsatzkräften, von Verletzten und von gebrauchtem Material helfen dürften? Wie problematisch wäre es denn wirklich, wenn Feldjägereinheiten der Bundeswehr der Polizei in einem solchen Fall die Verkehrs- und Absperrarbeiten abnehmen könnten?

     

    Natürlich wirkt das nun weit überzogen, wenn wir heute auf die Nacht von Freitag auf Samstag zurück schauen; wie sähe es jedoch aus, wenn die Gefahr wirklich grösser gewesen wäre?