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RBB-Intendantin über Identität„Ich bin eine Machbarkeitsfetischistin“

Seit 1. Juli ist Patricia Schlesinger neue Intendantin des Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb). Ein Gespräch über Qualität, wenig Zuschauer und den Oscar.

Eine NDR-Frau für den rbb: Patricia Schlesinger bei ihrer Wahl zur neuen Intendantin am 07. April 2016 Foto: Bernd Settnik/dpa
Anne Fromm
Interview von Anne Fromm

Taz: Frau Schlesinger, über ihre Zeit als Südost-Asien-Korrespondentin der ARD haben sie mal gesagt: Sie mögen „unfertige Gesellschaften“. Wollten sie deswegen zum rbb?

Patricia Schlesinger: Interessanter Gedanke, aber ich halte den rbb nicht für unfertig. Er hat eine lange Zeit der Fusion hinter sich, die war nicht einfach, aber meine Vorgängerin Dagmar Reim hat das sehr gut geschafft. Der Sender ist jetzt ein festes, fertiges Gebäude. Meine Aufgabe ist es zu überlegen, welche Türen ich in dem Gebäude neu aufstoßen will, welche Wände vielleicht einreißen.

Und, welche?

Der Hörfunk läuft sehr gut, aber im Fernsehprogramm ist einiges zu tun. Zusammen mit den Redaktionen werde ich schauen, wie wir Qualität und Quote besser zusammenbringen. Die Findungskommission hat explizit nach einem Menschen für das Programm gesucht, das bin ich. Deswegen werde ich mich dem auch mit großer Verve widmen. Aber natürlich bin ich mit der Quote nicht zufrieden.

Im Interview: Patricia Schlesinger

1961 in Hannover geboren, volontierte nach ihrem Studium beim Norddeutschen Rundfunk (NDR). Dort arbeitet sie unter anderem als Reporterin und Moderatorin für das ARD-Magazin „Panorama“, war Südostasien- und USA-Korrespondentin.

Zuletzt leitete sie den Programmbereich Kultur & Dokumentation. Während dieser Zeit entstand auch die Oscar-prämierte NDR-Koproduktion „Citizenfour“ über Edward Snowden (2014).

Woran liegt es denn, dass die Fernsehquote des rbb die schlechteste aller dritten Programme ist?

Wenn das so einfach zu beantworten wäre, hätten die jetzigen Programmmacher sicher eine Lösung gefunden.

Aber es gibt ja verschiedene Thesen: Der rbb stiftet nicht genug Identität für Berliner und Brandenburg, es fehlt an Angeboten für junge Leute, es fehlt an hochwertigem Journalismus. Was meinen Sie dazu?

Das unterschreibe ich nicht. Der rbb hat gute journalistische Angebote, sicherlich kann ich mir dort noch mehr vorstellen. Ich denke, es fehlt auch an Unterhaltung – das hat aber mit dem Geld zu tun, Unterhaltung ist teuer.

Das heißt, sie bringen Shows in den rbb?

Nein! Ich meine ganz generell gehobene, kluge Unterhaltung. Ich komme aus einem Sender, der gute Erfahrung mit regionaler Unterhaltung gemacht hat, seien es Quiz- oder Musiksendungen, aber auch fiktionale Stoffe. Der Bayerische Rundfunk zum Beispiel ist sehr erfolgreich mit seiner Regionalserie „Dahoam is dahoam“.

… wo wir wieder bei der Identitätsstiftung wären.

Genau. Aber mit der ist es im rbb auch nicht ganz einfach. Die regionalen Disparitäten sind hier im Sendegebiet stärker ausgeprägt als beispielsweise beim NDR: Die Unterschiede zwischen dem Prenzlauer Berg und Perleberg sind größer als zwischen Schwerin und Hamburg. Das betrifft in erster Linie das Lebensgefühl, das ist unterschiedlich, daraus folgen auch unterschiedliche Hör- und Sehgewohnheiten.

Sie haben beim NDR den Bereich Kultur und Doku verantwortet. Was kann der rbb dort vom NDR lernen?

Er muss nichts lernen, jeder Sender hat eigene Spezifika und Strukturen. Wenn Sie mich fragen, was ich vom NDR mitbringe, was dem rbb nutzt, dann sage ich: viel Erfahrung im Management und in der Personalführung, Spaß an der Teamarbeit und an der Umsetzung von guten Ideen. Dokumentationen sind teuer und das Geld nicht immer üppig, aber ich bin eine Machbarkeitsfetischistin.

Das heißt, es gibt bald einen Oscar für den rbb?

Naja, ich sage mal so: Den letzte Oscar für eine Dokumentation mit deutscher Beteiligung gab es 1961, danach erst wieder 2015 für unsere Koproduktion „Citizenfour“. So lange wollen wir jetzt nicht noch einmal warten. Aber der Oscar ist ja auch gar nicht unser Ziel, den gibt es wohl nur einmal im Leben. Ich freue mich darauf, im Auto das Radio anzuschalten und rbb zu hören, abends nach der „Abendschau“ noch was Gutes im rbb-Fernsehen zu sehen. Das ist mein Ansporn.

Mit der Umstellung auf die Haushaltsabgabe wurden im Sendegebiet des rbb 415 Millionen Euro mehr eingenommen. Wenn das Geld, oder ein Teil davon, an den Sender geht – worein investieren sie?

Möglichst viel ins Programm.

Wie wollen sie dafür kämpfen, dass das Geld im Sender bleibt?

Das ist Geld, was im Sendegebiet des rbb generiert wurde, also sollte es auch dort bleiben. Wir haben jahrelang hart gespart, haben einen Kredit aufgenommen, aber nie bei den anderen Anstalten gebettelt. Ab 2018 wird der Kredit abgezahlt, dann sind wir glatt. Wir schwimmen nicht im Geld.

Andere Sender, wie der WDR zum Beispiel, müssen aber derzeit extrem sparen. Da geben sie nichts ab?

Die großen Sender kommen jetzt von ihrem hohen finanziellen Olymp herabgestiegen, wir gucken gerade einmal knapp über die Wasseroberfläche. Wir haben nicht viel abzugeben.

Sie haben auch „Panorama“ moderiert, was mit investigativer Recherche glänzt, auch weil es über den Rechercheverbund mit der Süddeutschen und dem WDR zusammenarbeitet. Können Sie sich einen dauerhaften Recherchepartner für den rbb vorstellen?

Der rbb hat die Sendung „Kontraste“, die ist investigativ gut, aber natürlich denke ich, dass da mehr geht. Der Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sucht, soweit ich weiß, derzeit keine neuen Partner. Aber ich kann mir gut andere vorstellen: einen ARD-Rechercheverbund oder mit anderen Verlagshäusern, projektbezogen mit unterschiedlichen Partnern. Davon halte ich sehr viel.

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1 Kommentar

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  • Mein Gott, man sollte den Platz wirklich für journalistische Berichte zur Medienentwicklung nutzen, anstatt einer Intendantin - einem Intendanten - die Möglichkeit zu geben, seine üblichen PR-Platitüden absondern zu können. "Alles Super, alles Gut, wir sind arm aber sexy und investieren immer in das beste journalistische Programm" - Gähn! Wie üblich in Medienunternehmen, finden die Brutalitäten hinter verschlossenen Türen statt. Es gibt kaum eine Branche, die sich vor Öffentlichkeit so abschottet, wie Medienkonzerne - egal ob öffentlich-rechtlich oder kommerziell.