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Streit um das Freihandelsabkommen CetaVorfahrt für Gen-Futter aus Kanada

Sachverständige warnen im Bundestags-Umweltausschuss vor Ceta. „Da kommen Dinge auf uns zu, die wir noch nicht gesehen haben“, sagen sie.

Hochkonjunktur für die FreihandelsgegnerInnen: In den kommenden Monaten soll Ceta ratifiziert werden Foto: imago/Christian Ditsch

Berlin taz | Mit dem europäisch-kanadischen Handelspakt Ceta würden die bestehenden europäischen Schutzstandards für Umwelt und Verbraucher eingefroren und Verbesserungen kaum möglich. Davor warnte der Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Food­watch, Thilo Bode, bei einem Fachgespräch des Umweltausschusses des Bundestags zu Ceta. „Diese Einschränkung unserer Regulierungstätigkeit können wir uns nicht leisten“, sagte er. „Die europäischen Standards müssen verbessert werden, sie sind nicht so toll.“

Ceta ist das ausgehandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das vom Europäischen Parlament und in Teilen von den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss. Bei dem Fachgespräch im Bundestag kritisierten Sachverständige, dass das in der EU geltende Vorsorgeprinzip durch Ceta ausgehebelt werde – zugunsten der Industrie. Das gilt etwa für gentechnisch veränderte Produkte.

Keine Rechtssicherheit

„Da kommen Dinge auf uns zu, die wir noch nicht gesehen haben“, sagte Christoph Then vom Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie. In Kanada würden gentechnisch veränderte Organismen zugelassen, von denen nicht bekannt sei, welche Eigenschaften sie haben.

Hierzulande ist der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen dagegen sehr restriktiv. Das werde sich mit Ceta nicht aufrecht erhalten lassen, fürchtet Then.

Allerdings gibt es auch andere Stimmen. Der Jurist Christian Tietje von der Universität Halle-Wittenberg ist der Auffassung, dass es sich bei Ceta „insgesamt um ein komplexes Umweltschutzsystem“ handelt. Das Vorsorgeprinzip werde durchaus berücksichtigt, sagte er.

Die widersprüchlichen Meinungen zeigten, dass es offenbar keine Rechtssicherheit in so wichtigen Fragen gebe, kritisierte Bode. „Wir müssen aber Rechtssicherheit haben.“

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7 Kommentare

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  • Die EU ist nach innen hin eine Freihandelszone, nach aussen hin eher nicht - im Gegenteil. Die superscharfen Regeln, teils aus allgemeiner Bedenkenträgerei, teils aus blankem Protektionismus, behindern Handel und Entwicklung zunehmend. Protektionismus zum Beispiel: ein von Salmonellen mit Natriumhypochlorid (die gleiche Chemikalie wie im Schwimmbad) desinfiziertes Hünchen aus USA ("Chlorhühnchen") wird nicht geduldet - damit man die eigenen antibiotikagemästeten Keimschleudern besser verkaufen kann.

     

    Das notorische "Vorsorgeprinzip" ist vor allem ein Verhinderungsprinzip, weil es so ausgeweitet ist, dass Entwicklung (von neuen Technologien, von neuen Chemikalien, Materialen usf.) deutlich erschwert, teils unmöglich gemacht wird.

     

    Sich davon loszusagen, war einer der (ökonomischen) Gründe, für den Brexit zu stimmen. Ein Scheitern von CETA und TTIP wird die Briten in ihrer Entscheidung nur bestärken.

    • @TurboPorter:

      Alles turbo - oder was!

      Da geht der Durchblick -

      Schonn mal flöten - wa!

      Auch wieder wahr.

  • Böse USA, gutes Deutschland? Das funktioniert auch nicht. Was hätte sich VW über ein Freihandelsabkommen freuen können, mit dem der Konzern die USA wegen überhöhter Umweltstandards hätte anklagen können ..

    Zur CETA-Mauschelei: Wer bestimmt auf europäischer Seite die Richter für den Schiedsgerichtshof? Laut Vertragsentwurf alleine und völlig unkontrolliert die EU-Handeskommissarin. Geht´s noch?

    • @B. Wondraschek:

      Klar - der Hase läuft so platt denn doch nicht.

      Aber - Amiland will keine hindernden standards - & hat schon vor längerem alle NGOs aus den einschlägigen Gremium wieder rausgeschmissen (kurz - Die Show ist vorbet - the show must go on!) - &

      Wer bitte - glaubt denn im Ernst -

      Daß die europäische Wirtschaft an der Aufrechterhaltung hindernder standards interessiert wäre?

      Never ever!

       

      Thilo Bode hat zu TISA CETA TTIP

      Tuto completto recht -

      "Die Wirtschaft will auf Deubel komm raus Lobbying in den "normalen Geschäftsgang" vor Parlament etc implantieren!! -

      Über Schraubenlängen können die sich auch so einigen!"

       

      Das ist des Pudels Kern -

      Alles andere ist Augenwischerei.

      Auf einer Podiumsdiskussion Pro&contra war so ein CDU-Professörchen zu Handels-Gerichte etc am Start.

      Als er seine Felle schwimmen sah -

      Zog er genau die mehr als durchsichtige Karte -

      "Sehen Sie - die EU-Standard-Karte hat doch bei VW nix gebracht!"

      Klar Milli-Schadensersatz ala usa -

      War ihm wohl lieber.

      Hönisches Gelächter coram publico die Quittung.

       

      (& mit Verlaub -

      Gerichte - Schonn wichtig - Ja!

      Aber da geht es "nur" um die vergessenen/übersehenen "Krümel"!)

  • Es gibt eine interessante Querverbindung zwischen TTIP, CETA und dem Populisten Mr. Farage.

    Wie man hört, möchte er die Beziehungen zwischen GB und der EU in einem Freihandelsabkommen, ähnlich CETA und TTIP geregelt sehen, die sich, wie er meint, „bereits in der Praxis bewährt haben“!

     

    Wie konnten einem Mann mit derartig gravierender Unkenntnis so viele Briten auf den Leim gehen? Und warum fand sich im Vorfeld kein Journalist, der mal ausgetestet hätte, wie es um die politische Allgemeinbildung des Mr. Farage bestellt ist? Der Mann hat ja wirklich nur „Brexit“ im Kopf!

  • "…Mit dem europäisch-kanadischen Handelspakt Ceta würden die bestehenden europäischen Schutzstandards für Umwelt und Verbraucher eingefroren und Verbesserungen kaum möglich. Davor warnte der Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, Thilo Bode, bei einem Fachgespräch des Umweltausschusses des Bundestags zu Ceta. „Diese Einschränkung unserer Regulierungstätigkeit können wir uns nicht leisten“, sagte er. „Die europäischen Standards müssen verbessert werden, sie sind nicht so toll.“…"

     

    Thilo Bodes Worte in aller Gehörgang.

    Nur befürchte ich - daß das alles Schattenboxen - der Käse längst gegessen ist.

    Bei der Asyl-Anhörung - remember 1992/93 - entsinne ich mich gut an das Wutzittern meines distinguiert-erfahrenen Kollegen Präsi des größten Verwaltungsgerichts der Republik im Anschluß an die Experten - nunja anhörung!

    "Die hörten überhaupt nicht zu. Die hatten die Augen auf Null gestellt.

    Das ist längst abgekaspert & durch!"

     

    Solcher Verdacht liegt um so näher -

    Als sich ein willfähriger Jurist immer findet. Da kommt er schon!

    Bitte der Herr - Der Jurist Christian Tietje von der Universität Halle-Wittenberg ist der Auffassung, dass es sich bei Ceta „insgesamt um ein komplexes Umweltschutzsystem“ handelt. Das Vorsorgeprinzip werde durchaus berücksichtigt,…"

     

    Na bitte - Geht doch!

  • Bisher gab es viele Menschen, die mit heftigen Unverträglichkeiten auf Gengepansche, Zusatzstoffe und Insektizidreste reagiert haben. Das kann sich zukünftig dramatisch ändern, und es ist überhaupt nicht unwahrscheinlich, daß eine zukünftige Generation nur noch Gengepanschtes verträgt, aber nichts Natürliches mehr - ganz im Interesse derer, die in früheren Epochen, in denen es Gentechnik usw. noch nicht gab, ersatzweise durch Sklavenhandel u. a. Geld gescheffelt haben.