Neunmal stand es bei den EM-Spielen 2016 nach 45 Minuten 0:0. Achtmal fielen zumindest im zweiten Abschnitt noch Tore. Am Donnerstagabend im Stade de France war das anders. Polnische und deutsche Spieler hatten sich irgendwann darauf verständigt, auf eine dramatische Schlussphase zu verzichten. Vielleicht besser so. Von wüsten Schlägereien ihrer problematisierten Anhänger in Halbzeit drei ist bislang nichts bekannt geworden. Es gab eben keinen Anlass.
Auf polnischer Seite wirkten die Beteiligten nach dem Abpfiff allesamt zufrieden. 0:0 gegen den Weltmeister, defensiv gegen die Götzes, Özils und Müllers sowas von unüberwindbar, dazu noch die beste Tormöglichkeit verbucht. Häkchen drunter, Matchplan erfüllt.
Und die Deutschen? Sie testeten Mats Hummels erfolgreich unter realen Bedingungen. Funktioniert gut, mit Boateng zusammen (ja, ja, auch Hummels' guter Nachbar) sowieso. Cathys Küsschen nach dem Spiel hatte sich der engagierte Mats verdient. Der sonst so liebe Jérôme tobte derweil (für seine Verhältnisse jedenfalls) vor der Kamera. Er will schließlich Führungsspieler sein. Und als solcher blickt er eben über den eigens designten Brillenrand hinaus, also hin zu den erwähnten Götzes, Özils und Müllers.
Auch Boateng hatte ja gesehen, was alle 80 Millionen Bundestrainer gesehen hatten: Rein gar nichts vom Angriff! Wie taz-Mehlwürmer krochen die Kreativkräfte über den Platz. Fand neben Boateng auch ein Großteil der deutschen Fans im Stadion so. Die Rufe nach Mario Gomez, also jener ausgewiesenen Strafraum-Fachkraft mit gut ausgebildetem Torriecher, nach exakt einer Stunde waren Ausdruck davon.
Löw hält nichts von Gomez
Gomez kam dann wenig später – glücklicherweise. Dieser Wechsel erspart Löw nämlich eine leidige Diskussion, die einige Experten epochaler führen als nötig: echte oder falsche Neun? Der Bundestrainer, trotz aller animalischen Verhaltensweisen immer noch ein ziemlich cleveres Kerlchen, handelte genau richtig. Er brachte Gomez entgegen seiner Überzeugung. In der Folge sahen alle, was vorne besser lief: gar nichts.
So stellte Löw die stets lauernden Kritiker kalt, bevor die überhaupt den Finger heben konnten. Taktisch klug. Der Bundestrainer hält nichts vom Spielertyp Gomez. Dafür müsste er sein komplettes Spielsystem ändern. Das will er nicht. Es wäre ineffizienter und deutlich weniger schön anzuschauen. Es würde bedeuten, die Außen zu stärken und dafür die (eigentlich) starke Mittelachse zu schwächen. Löw vertraut zurecht auf ihre Kreativität. Auf Flanken eines Benedikt Höwedes will er nicht hoffen müssen. Würde ziemlich lange dauern bis der Schalker mal die Birne eines Mitspielers trifft.
Jogis Jungs für Frankreich
Trainer Joachim Löw, 56 Jahre - Samma mal so: Der Bundes-Jogi will im zehnten Jahr seiner Amtszeit „scho au noch Europameister werden.“ 23 Kicker hat er dafür in den deutschen Kader berufen.
dpa
Manuel Neuer, 30 - Der Ballfänger kann alles: Bälle abwerfen, die zu Todespässen mutieren; den Libero im Beckenbauer-Format geben; im eigenen Strafraum siegreich ins Dribbling gehen. Nebenbei wehrt Neuer alles ab, was auf seinen Kasten geflogen kommt – selbst „Wembley“-Tore. Und sonst? „Koan Neuer!“ (Südkurve München)
dpa
Jérôme Boateng, 27 - Hat als Brillendesigner sowieso den Überblick. Im Zweikampf kaum zu schlagen, andererseits ein netter Nachbar mit schüchterner Stimme, der die Beatbox perfekt beherrscht. Und sonst? „Boateng sauber. Ganz lässige Attitüde. Sonnenbrille auf, ab ins Cabrio und das Ding lässig nach Hause fahren.“ (TV-Kommentator Wolf Christoph Fuss)
dpa
Mats Hummels, 27 - Elegant wie der Kaiser und rhetorisch so begabt, dass er Philipp Lahm als ersten Field-Reporter-Beglücker problemlos ablösen wird. Bildet mit Boateng die weltweit beste Innenverteidigung – zumindest bis der feinsinnige Mats wegen Krämpfen vorzeitig raus muss. Und sonst? „Lieber ein BVB-Titel als sechs mit einem anderen Club.“ (Mats Hummels)
dpa
Jonathan Tah, 20 - Toni Rüdiger verletzt, Hummels eh nie so richtig fit. Schon erschrickt die Nation und fürchtet Abwehrsorgen. Die taz findet: Pah, es gibt doch Tah! Darum nehmen wir den Weltmeistertrainer wörtlich – und beordern Tah aus dem Urlaub direkt in die Startelf. Und sonst? "Ich wollte bewusst eine Situation schaffen, Toni Eins-zu-Eins ersetzen." (Jogi Löw)
dpa
Benedikt Höwedes, 28 - Der Schalker Kapitän behielt seinen kämpferischen Spielstil trotz Haartransplantation bei. Die entstehenden Löcher, die der Vollnaturhaarbursche Hummels bei seinen Ausflügen hinterlässt, wird Höwedes grätschend stopfen. Und sonst? „Eigentlich bin ich selten richtig glatt rasiert.“ (Benedikt Höwedes)
dpa
Toni Kroos, 26 - Während sich Bruder Felix bei Union Berlin durchgesetzt hat, musste der arme Toni ins krisenhafte Spanien flüchten. Bei Bayern gab's nicht genügend Kleingeld. Erreicht auf dem Spielfeld eine Passquote, die höchstens Manuel Neuer überbietet. Und sonst? „Er geht jetzt auch jeden Morgen zum Frühstück – unaufgefordert.“ (Ex-DFB-Co-Trainer Hansi Flick)
dpa
Sami Khedira, 29 - Im Konzert der Hochbegabten spielt er die Pauke. Wurde trotzdem Weltmeister und holte schon die nationale Meisterschaft in drei verschiedenen Ländern. In Spanien mit Real Madrid (2012), in Italien mit Juventus Turin (2016) und in Deutschland mit dem VfB Stuttgart (2007)! Und sonst? „Ich will kein zweiter Sami Khedira werden.“ (Bruder Rani Khedira)
dpa
Thomas Müller, 26 - Der missglückte Freistoß-Stolpertrick aus dem WM-Achtelfinale 2014 und Effenbergs harsche Kritik nagen noch immer an Müller. Die beim DFB installierte taz-Trainingskamera nahm ihn nur kriechend, rollend und hüpfend auf. Und sonst? „Die Ausführung war mangelhaft. Damit gehste bei Let's Dance nicht in die zweite Runde.“ (Stefan Effenberg)
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Mesut Özil, 27 - Die Arsenal-Fans singen über Özil: „He’s better than Zidane“. Und Mourinho sagte einst: „Der beste Zehner der Welt.“ Allah sei Dank gehört der Islam auch zu Deutschland – oder glaubt irgendjemand, dass die AfD einen so genialen Spielmacher montags in Dresden finden würde? Und sonst? „Mourinho widerspricht man lieber nicht.“ (Mesut Özil)
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Mario Götze, 24 - Dortmunds Fans wollen ihn nicht, Bayerns Verantwortliche auch nicht. Für ein Joker-Tor im Endspiel reicht’s aber noch. Die Vorlage wird Kumpel Marco Reus übrigens wieder nicht liefern können. Wäre ja zu schön. Und sonst: "Happy Birthday Marco! Can't wait for our next tournament together." (Mario Götzes Twitterdienst)
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Mario Gomez, 30 - Das Spiel 2008 gegen die Ösis, in dem Gomez aus zwei Metern das Tor nicht traf, ist vergeben und vergessen. Bild titelt nach dem ersten Spiel gegen die Ukraine: „Der TORero zeigt Putin, wie man die Ukraine richtig zerlegt“. Und sonst? „Du hast die Haare schön!“ (80 Millionen Fußballfans)
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Marc-André ter Stegen, 24 - Hat beim FC Barcelona gezeigt, dass er eine gute Nummer 2 ist.Bernd Leno, 24 - Hat in Leverkusen nur gezeigt, dass er eine gute Nummer 1 ist.Jonas Hector, 26 - Kölle Alaaf. Der Rheinländer ist Poldis Stimmungs-Assistent!
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Shrokdan Mustafi, 26 - Hat man zuletzt bei der WM rumstolpern sehen. Wer schaut schon Spiele des FC Valencia?Emre Can, 22 - Musste bei Klopps Liverpool so viel laufen, dass er erst im Finale wieder einsatzfähig sein dürfte.Joshua Kimmich, 21 - Der Münchner ist kein Kandidat fürs Elfmeterschießen!
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Julian Weigl, 20 - Gewann mit dem BVB keine Titel, zählt aber trotzdem zu den Saisongewinnern. Paradox.Bastian Schweinsteiger, 31 - Zwei Fragen: Kam der Kapitän seit der WM eigentlich mal zum Einsatz? Und: Wann ist er denn nun fit?Julian Draxler, 22 - So viel weiß jetzt auch Wolfsburgs Manager Klaus Allofs: Draxler ist kein de Bruyne!
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Lukas Podolski, 31 - "Ich bin nicht als Maskottchen hier" (Poldi über Poldis EM-Rolle). Dann nennen wir ihn halt Bankwärmer.André Schürrle, 25 - Schürrle flankt auf Götze, der Rest ist bekannt. Hätte die Nominierung sonst nicht verdient.Leroy Sané, 19 - Der zweite Schalker nach Stan Libuda, der an Gott vorbeikommt.
dpa
Gegen Polen fehlte es der Mitte freilich an Esprit, muss auch mal erlaubt sein. Zumal im vermaledeiten zweiten Gruppenspiel, zumal in der Vorrunde, in der es außer Häme nichts zu gewinnen gibt. Am Dienstag beim 4:0 gegen Nordirland wird sich alles regeln – mit mehr Frische und einer falschen Neun. Pech für Gomez.
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Die nordirischen Fans sind die deutlich besseren Sänger. Ihre Heroes haben allerdings keine Chance gegen eine spielfreudige DFB-Elf. Das 1:0 ist zu wenig.
Fällt den Deutschen offenbar sehr schwer einzugestehen, dass Polen in diesem Spiel ein ebenbürtiger Gegener war der sehr gut gespielt hat... sonst würde man solche Scheindebatten nicht führen und schlicht und ergreifen die Leistung des Gegners anerkennen und diesem Repsekt zollen!
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