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Plan für die VerkehrswendeHamburger sollen Radfahren

Senat und Bezirke haben ein Fahrradfahr-Bündnis geschlossen, ein Viertel der Wege sollen Hamburger bald mit dem Rad erledigen. Die Linke nennt das mutlos.

Nach der Unterschrift zum Pressetermin: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD,m.), Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne. r.) und Radverkehrskoordinatorin Kerstin Pfaue drehen eine Runde. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Der Senat und die sieben Bezirke haben am Donnerstag ein „Bündnis für den Radverkehr“ unterzeichnet. Politik und Verwaltung hätten sich darauf verständigt, Hamburg zur Fahrradstadt zu entwickeln, sagte Martin Bill (Grüne). Spätestens bis Ende der 2020er-Jahre sollen die Hamburger ein Viertel ihrer täglichen Wege mit dem Fahrrad zurücklegen. Bei der jüngsten Erhebung 2008 waren es zwölf Prozent.

CDU, FDP und Handelskammer kritisierten, dass der Senat das Bündnis ohne Akteure der Zivilgesellschaft geschlossen habe. Kritik gab es auch an den geplanten Fahrradzählstationen und daran, in welchem Umfang der Fahrradverkehr auf die Straße verlagert werden soll. Die Linke bezeichnete das Bündnis hingegen als überfällig, nannte das 25-Prozent-Ziel des Senats jedoch mutlos.

Hauptgegenstand des Bündnisses sind die bereits ausgewiesenen sogenannten Velo-Routen, die den Alltagsverkehr bündeln und „ganzjährig und ganztägig sicher, zügig und komfortabel befahrbar sein“ sollen, wie es in der Vereinbarung heißt. Dieses Netz umfasst 280 Kilometer, aber nur 80 Kilometer entsprechen bisher den Kriterien. Der Rest soll bis 2020 günstiger geführt, glatter gepflastert oder besser beleuchtet werden.

Dieses Netz soll durch ein Netz bezirklicher Radrouten ergänzt werden, die ebenfalls ausgebaut werden sollen. In der Summe stehen dafür 33 Millionen Euro zur Verfügung. Insgesamt wollen Senat und Bezirke pro Jahr 50 Kilometer Radwege bauen, sanieren und einrichten.

Radfahren in Hamburg

Das Radfahren soll in Hamburg nach dem Willen des Senats und der Bezirke einfacher und bequemer werden:

Der Winterdienst für Radwege soll ausgeweitet werden. Derzeit werden rund 200 Kilometer geräumt.

Es sollen mehr Bike-and-Ride-Abstellplätze geschaffen werden. Im Jahr 2025 soll es 28.000 davon geben. Im Januar 2015 waren es rund 16.000.

Zählsäulen sollen außerdem ein Bewusstsein für die Bedeutung des Radverkehrs schaffen und Daten für die Verkehrsplanung liefern.

Dabei sollen, „wo immer es sinnvoll und möglich ist“, Radfahr- und Schutzstreifen auf die Fahrbahn gemalt werden. Nicht mehr benötigte Radwege sollen abgebaut werden – etwa in Tempo-30-Zonen, wo grundsätzlich auf der Fahrbahn gefahren werden soll. Für Pendler soll noch in dieser Legislaturperiode mit Hamburgs Nachbargemeinden und -kreisen ein Netz von Schnellwegen entwickelt werden. Dabei hat der Senat besonders die zunehmende Zahl von Rädern mit elektrischem Hilfsantrieb im Blick.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) unterstützt das Bündnis „mit Nachdruck“ – besonders mit Blick auf das Versprechen, die Velo-Routen auszubauen, Fahrradstraßen einzurichten und Unfallschwerpunkte zu entschärfen. Der VCD erwartet hochwertige Abstellanlagen an Bahnhöfen und begrüßt die Unterstützung der Bezirke beim Aufstellen von Fahrradhäuschen.

Der CDU-Abgeordnete Dennis Thering kritisierte, dass in das Bündnis fast kein externer Sachverstand von Verbänden, Interessengruppen, Unternehmen oder der Wissenschaft eingeflossen sei. Die Frage etwa, wie die Digitalisierung mit dem Radverkehr vereinbart werden könne, werde „total ausgeblendet“, sagte Thering. Die Handelskammer stieß dann auch noch ins gleiche Horn. Sie forderte eine Allianz mit den In­stitutionen und Verbänden, „für deren Mitglieder die Mobilität in der Stadt überlebenswichtig ist“.

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7 Kommentare

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  • 3G
    3641 (Profil gelöscht)

    Super! Mehr Leute fahren mit dem Fahrrad und verzichten auf's Autofahren, dann kann ich mit meinem SUV endlich richtig loslegen :-)

  • Wieso muß der Senat eigentlich ein Bündnis mit den Bezirken machen. Sonst weist ein sie doch an. Er sollte sie mit Personal ausstatten, und zwar mit welchem, das nicht nur Auto kann.

  • "Die Handelskammer stieß dann auch noch ins gleiche Horn. Sie forderte eine Allianz mit den Institutionen und Verbänden, „für deren Mitglieder die Mobilität in der Stadt überlebenswichtig ist“.

     

    Auf deren Sachverstand kann man getrost verzichten, da nicht vorhanden ist. Die Ausführungen z.B. der HK kennen wir ja zur Genüge und deren Einfluss hat die HH dorthin gebracht, was sie ist , ein Autostadt. Die Straßen wurden selbst bei der "Busbeschleunigung" weiter Kfz freundlich ausgebaut. Die Kfz parken unsanktioniert auf Fuß-und Radwegen usw., usw.

  • Viel zu kurz gedacht!

     

    Solange die Herrschaftsmentalität der meisten Autofahrer in der Freie-Fahrt-für-freie-Autofahrerstadt-Hamburg nicht beeinflusst wird in Richtung Gleichberechtigung ALLER Verkehrsteilnehmer, werden wir hier keine Radfahrerstadt - nie!

     

    Da das nie passieren wird, ist alles nur Makulatur!

  • Bündnis für Regierungs-PR würde ich das eher nennen. Ob es Früchte trägt, fraglich. Gute 'Radfahrer' sind jedenfalls die Herrschaften des Rot-Grünen-Senats - brav nach oben buckeln und nach unten treten....

  • Die Autosozen und Autogrünen reden von Fahrradstadt.

    Sie beschließen: Den Ausschluss weiter Teile der Bevölkerung vom Radverkehr („wo immer es sinnvoll und möglich ist“...Radfahr- und Schutzstreifen auf die Fahrbahn gemalt werden.).

     

    Kfz-Business as usual in HH.

    Immer noch "objektive" Sicherheit aus

    Windschutzscheibensicht, statt menschliches Maß (Abstand von Kfz), genannt "subjektive" Sicherheit aus Radlersicht.

     

    Für den Radverkehr weitaus wichtiger als die Pläne der Kfz-Parteien: Greenpeace stellt neues Konzept vor.

     

    "Vorwärts ihr Städte!

     

    Königsweg Radweg!

     

    Kopenhagen macht's vor: Wenn die Leute mehr Rad und weniger Auto fahren sollen, muss das Radfahren so "einfach und bequem" wie möglich werden! Je besser die Radwege, desto weniger Autos auf den Straßen. Höchste Zeit, dass Erkenntnisse wie diese auch auf deutsche Städte wie Hamburg oder Berlin übertragen werden - das zeigt das heute von uns vorgestellte Konzeptpapier für eine neue Mobilität in deutschen Städten: http://www.greenpeace.de/themen/energiewende/mobilitat/vorwarts-ihr-stadte "

     

    Hamburg braucht einen Radentscheid.

  • Der Autofahrer soll aufhören und der Radfahrer soll kommen. Tatsächlich fährt der Autofahrer weiter, nervt mehr rum, parkt immer wilder und zieht immer weiter raus, damit er im Auto bleiben darf. Und die Radfahrer freuen sich und benehmen sich streckenweise wie Verkehrsanarchos, alles egal, hier mal schnell durch und das geht doch auch nocht. Diesem Senat fehlt einfach das echte Konzept. Und wer fährt aus der hamburger Politik nicht auch Auto? Scholz selber war doch ein legendärer Nutzer schicker Karren. Und was kostet eine Kurzstrecke beim HVV? Hier läuft viel zu wenig zusammen und am Ende radelt man zur Show ein Mal ums Eck. Zumindest haben die vielen Baustellen und Staus jedem Autofahrer und Radfahrer vermittelt, dass die Stadt was macht, fragt sich nur wohin die Reise wirklich gehen soll.