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Feldzug von „Emma“ gegen ProstitutionÜbers Ziel hinaus

In der neuen Kampagne der Zeitschrift „Emma“ sind SexarbeiterInnen per se drogen- und alkoholabhängig. Und sie werden nicht älter als 33 Jahre.

Böses Rotlichtviertel? Foto: dpa

„Die Frauen stehen teilweise 16 Stunden am Tag auf der Straße. Penetration in alle Körperöffnungen kostet 30 Euro.“ So zum Beispiel setzt sich Leni Breymaier, SPD-Frau in Baden-Württemberg und eine von zwei Chefinnen des Antiprostitu­tions­vereins Sisters, gegen Prostitution ein. So auch jüngst im Bundestag bei einer Anhörung zum Prostituiertenschutzgesetz.

Über den Termin in Berlin haben viele Medien berichtet. Auch Emma hat das getan. Ausführlich gibt die Website des Magazins von Frauenrechtlerin Alice Schwarzer Brey­maiers Statement wieder. Der Gynäkologe Wolfgang Heide erzählt, dass junge Frauen infolge der Sexarbeit „physisch wie psychisch“ Dauerschäden davontragen würden. Der Psychiater Lutz Besser bezeichnet das Sexgeschäft als „dunkles Kapitel deutscher Gesellschaftspolitik“.

Nun setzt sich Emma seit Langem feldzugartig gegen Prostitution ein. Das ist legitim, auch Kampagnen von Zeitungen sind schon mal üblich. Aber Emma schießt übers Ziel hinaus.

Da sind SexarbeiterInnen per se drogen- und alkoholabhängig und werden nicht älter als 33 Jahre. Nordrhein-Westfalen wird zum „Eldorado im Prostitutionsparadies Deutschland“ erklärt und ein „Markt“ für Liebhaber schwangerer Frauen herbeigeschrieben: Prostituierte würden gezielt geschwängert und müssten ihre Babys zur Adoption freigeben, um nach der Geburt sofort wieder befruchtet zu werden.

Das sind heftige Vorwürfe gegen ein Gewerbe, das – und da sind sich alle einig, die sich mit Sexarbeit beschäftigen – komplett anders funktioniert als eine Autowerkstatt oder ein Steuerbüro. Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere, das wird er auch nie sein. Ebenso ist die Szene ein Anlaufpunkt für Kriminelle, mitunter ein undurchdringbares Dickicht von Korruption und Menschenhandel. Wer genau das bekämpfen will, sollte allerdings etwas differenzierter argumentieren.

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9 Kommentare

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  • PS: Sisters ist kein (eventuell puritanischer) Antiprostitutionsverein sondern ein Verein für "Frauen in der Prostitution, die Hilfe brauchen oder aussteigen wollen". Einfach mal selber gucken http://sisters-ev.de/

    • @Rainer Seiferth:

      Naja.. immerhin sind es erwachsene Frauen, übler sind da schon die Kinderringe. Aber beides wird niemals enden, wer nimmt sich denn immer Prostituierte? Wenn das alles legal ist, ist es viel einfach auch professionelle Arbeitskräfte zu finden, die "sauber" sind. Klar die kosten mehr, aber für Machthabene doch kein Problem. Warum sollte man etwas beenden von dem alle (wichtigen) Menschen profitieren...

    • @Rainer Seiferth:

      Meiner Meinung und meiner Information nach, trifft die Beschreibung "Antiprostitutionsverein" recht gut auf Sisters EV zu.

       

      Ausser Verbot und Dämonisierung der Prostitution kommt von denen nichts.

       

      Ich würde die Leute eher im Wirkungskreis der "neuen, deutschen Christen" verorten - eine etablierte Schattengesellschaft wie zB die INSM, die in der politisch Liga des Neo-Konservatismus spielt und recht viele einflussreiche Politiker um sich spannt.

       

      Praxisnahe Konzepte zur politischen Unterstützung der Sexarbeiterinnen finden sich in deren Arbeit nirgends .... geht ja auch gar nicht, denn im Weltbild des Vereins sind alle Prostituierte unmündige, geschändete Missbrauchsopfer die für sich selbet keine Verantwortung übernehmen können.

  • Sind wir doch mal ehrlich: Prostituierte sind für uns allesamt "unbekannte Wesen". Unbestritten dürfte sein, dass die Organisierte Kriminalität recht gerne, erfolgreich und brutal mit der Trias Drogen-, Menschen und Waffenhandel funktioniert. Harmlos ist das ganz bestimmt nicht. Und aus berufenem Munde (Sisters) sind so gut wie alle Prostituierte in Kindheit oder Jugend Opfer von sexuellem Missbrauch geworden. Und mit dem ProstG von 2001 hat die Regierung Schröder/Fischer, zwar in "guter Absicht", aber doch in der Auswirkung mal richtig Mist gebaut! Ein wenig mehr Solidarität mit den "unbekannten Wesen" könnte uns bestimmt nicht schlecht anstehen.

     

    [...]

     

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    • @Rainer Seiferth:

      Prostituierte sind keine Unbekannten Wesen, sondern Millionen von Männern (auch mir) sehr wohl bekannt. Das Beispiel was so häufig angeführt wird, die Zwangsprostituierten, die kein Deutsch kann, ein ja oder nein nicht versteht, ist mir noch nie begegnet. Wenn die organisierte Kriminalität so verbreitet ist in diesem Bereich, dann soll die Politik dagegen vorgehen. Das schafft sie leider nicht, warum nur ? Erstens ist es wohl nicht so, nicht mal das BKA hat solche Informationen, zweitens fehlen die sowieso die Leute dafür.

      Frau Breymeier von Sisters bei der Bundestagsexpertenanhörung können sie sich aktuell anhören. Was sie dort vom Stapel gelassen hat, hat mit Realität nichts zu tun. Sie ist eine klare P-Gegnerin und stellt Einzelfälle als für den ganzen Rotlichtbereich in D als Standard dar und hält die Frauen für ungebildet, die mit Ja oder nein nicht anfangen können. Können sie sich mal anhören, gibt es im Internet. Dann wird es klarer, was Sisters für Ziele verfolgt.

    • @Rainer Seiferth:

      Überprüfen Sie doch bitte Ihre Meinung zu Alice Schwarzer einmal.

       

      Die mutige Frauenrechtlerin, die sie bis in die 80er Jahre war, ist sie heute längst nicht mehr.

       

      Was Alice Schwarzer zur Prostitution mittlerweile vom Stapel lässt, ist hetzerisch und indoktrinierend, den Sexarbeiterinnen gegenüber verachtend.

    • @Rainer Seiferth:

      "sind so gut wie alle Prostituierte in Kindheit oder Jugend Opfer von sexuellem Missbrauch geworden"

       

      son Stuss ... mal sind diese Menschen 'unbekannte Wesen' mal Opfer von sexueller Gewalt.

       

      Die meisten Damen im Gewerbe die ich persönlich kenne sind top fit eher selbstbewusst.

       

      Davon abgesehen ist sexuelle Gewalt Frauen gegenüber ein familiäres Problem und die Täter anders als im Fernsehen keine dunkelhäutige Zuhälter sondern gut bürgerliche Bekannte und Verwandte.

      • @Christophe THOMAS:

        Als wäre es ein Widerspruch, Aussagen über "unbekannte Wesen" zu formulieren. Das ist das Grundprinzip wissenschaftlicher Untersuchungen.

        Der Feind wissenschaftlicher Untersuchungen hingegen ist die unreflektierte Verallgemeinerung subjektiver Eindrücke und Wahrnehmungen. Freuen wir uns alle für Sie, dass Sie nur Kontakt zu stabilen, gesunden und freien Prostituierten haben - wenn das denn so ist.

    • @Rainer Seiferth:

      Ist da nicht zu befürchten, das man mit Illegalisierung das Ganze nicht noch weiter in solche unheiligen Allianzen treibt? Das sollte man doch wenigstens vorher mal genau untersuchen. Drogen verschwinden ja per Prohibition auch nicht oder werden gesünder. Eher im Gegenteil.

       

      Mir erscheint das wie so eine Art Wunschdenken mit legalen Omnipotenzfantasien, genau wie jede andere Prohibition auch. Einfach verbieten, dann ist es weg. Könnte man nicht einfach Unglück verbieten?