piwik no script img

Kommentar Pushbacks von FlüchtlingenUnter den Augen der EU

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Frontex kann sich jetzt nicht mehr aus der Affäre ziehen, was die illegale Abschiebung von Flüchtlingen betrifft. Und Deutschland auch nicht.

Werden auch sonst schnell abgefertigt: Flüchtlinge in Griechenland Foto: dpa

D ass das überforderte Griechenland die Grundrechte von Flüchtlingen missachtet, ist nichts Neues. Die Regierungsübernahme durch Syriza hatte das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen etwas abgemildert, dies war auch eines der Wahlversprechen der linken Regierung. Doch bis heute ist Griechenlands Umgang mit der hohen Zahl an Flüchtlingen oft nichts anderes als eine Mischung aus Chaos und Gewalt.

Dazu gehört die Praxis, ankommende Flüchtlinge auf dem Meer zu stoppen und zur Umkehr zu zwingen. Dass dies gegen EU-Recht und die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2012 im sogenannten Hirsi-Urteil entschieden. Griechenland hat das nicht interessiert. Hunderte Berichte über solche Zurückschiebungen in die Türkei sind dokumentiert. Im Januar 2014 starben dabei elf Menschen.

Die EU-Grenzschützer von Frontex sind seit Jahren von Ort, das Unwesen der griechischen Küstenwache haben sie mindestens toleriert – und jede Verantwortung dafür bestritten. Jetzt haben syrische Flüchtlinge zum ersten Mal gleichsam den Fotobeweis geliefert, dass die sogenannten Pushbacks, die illegalen Zurückweisungen, unter den Augen der EU stattfinden.

Aber auch ohne einen solchen Beleg könnte Frontex sich jetzt nicht einfach aus der Affäre ziehen. Was die griechische Küstenwache in der Ägäis treibt, ist heute keine nationale Angelegenheit mehr. Seit dem Deal zwischen der EU und der Türkei zur Flüchtlingsabwehr hat sie mehr denn je eine europäische Dimension, ist in erster Linie ein europäisches Projekt. Deshalb steht die EU dort in der direkten Verantwortung.

Genauso übrigens dafür, was den Zurückgeschobenen in der Türkei blüht: immer öfter Knast und die weitere Abschiebung in auch beim allerbesten Willen nicht sichere Länder.

Diese Verantwortung trägt insbesondere Deutschland, auf dessen Betreiben der Flüchtlingsdeal maßgeblich zustande kam. Und das immer wieder versprach, dass es dabei rechtmäßig zugehen würde. Denn all die EU-Initiativen der letzten Jahre haben am Grundproblem nichts geändert: Eines der schwächsten Mitglieder der Gemeinschaft – Griechenland – muss eine der größten Lasten tragen.

Das entschuldigt nicht, dass es sich über Menschenrechte hinwegsetzt. Aber solange der Rest Europas das Problem an seine Ränder drückt, wird sich dort nichts ändern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Man sollte doch mal festhalten, dass die deutsche Bevölkerung das mehrheitlich gut findet. :-(

  • Wer verfolgt diese Menschen in der Türkei? Sind das alles Kurden? Wäre es nicht vielleicht korrekter von Einwanderern zu schreiben?

    • @Jürgen Matoni:

      Kurden sind eine verfolgte Minderheit, Türken nicht.

  • Es handelt sich um eine absolut konstruierte Veantwortungskette. Diese ist zurückzuweisen. Die EU und deren Mitgliedsstaaten sind für das nationale Vorgehen Griechenlands in keiner Weise verantwortlich. Soweit es zu Verstößen gekommen sein sollte, ist Griechenland zur Verantwortung zu ziehen.

     

    Ungeachtet dessen sollte die Fronex-Mission selbstverständlich eingestellt werden, da das Hauptziel, das Aufbringen von Schleppern, bisher nicht erreicht werden konnte.

    • @DiMa:

      Wie soll ausgerechnet das ärmste Land Europas, das von seinen "Partnern" in jeder Hinsicht ruiniert wurde, am meisten Flüchtlinge aufnehmen können?

  • Und wenn die Türkei KZs errichten würde, WIR würden sie zu sicheren Schutzzonen verklären.

  • Nahezu jedem Homosexuellen und jedem Konvertiten droht in moslemischen Gesellschaften Verfolgung, wenn er sich offen bekennt.

     

    Nach Recht und Gesetz besteht dann ein Anspruch auf Schutz in D. Dazu kommen die Bürgerkriegsflüchtlinge, die auch einen Anspruch auf Schutz haben.

     

    Problem ist nur die fehlende Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft in D.

  • Die bittere Wahrheit.

    Mit Türkei-Deal &

    Nato-Draht-Frontex zu Lande &

    Zu Wasser - kaltherzig-brutal

    Einkalkuliert - ja gewollt.

    EU-Asis at work!

  • Die bittere Wahrheit.

    Mit Türkei-Deal &

    Nato-Draht-Frontex zu Lande &

    Zu Wasser - kaltherzig-brutal

    Einkalkuliert - ja gewollt.

    EU-Asis at work!