piwik no script img

Die WahrheitDer Esel und die Flüchtlinge

Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Was Donald Trump kann, kann John Key schon lange. Der Premierminister Aotearoas produziert seine eigenen Wahrheiten.

A lle reden von Donald Trump, aber niemand von John Key. Das ist unser konservativer Premierminister, manchmal auch „Donkey“ (Esel) genannt. Er beginnt seine Sätze gern mit Plattitüden wie „At the end of the day“, die der Beschwichtigung und Verneblung dienen. Was Trump von sich gibt, ist krasser – jeder kennt die einschlägigen „Trumpisms“ über Frauen, Mexikaner, Moslems. In Neuseeland ist alles eine Nummer kleiner. Hier haben wir die Sprachkategorie „Keyisms“. Die klingen sanfter, haben aber auch brutale Konsequenzen.

Ein Keyismus bedeutet, aalglatt genau das Gegenteil einer Tatsache zu behaupten, ohne dass die Verdrehung auffällt. „Wir haben die Sache eigentlich gut gemacht“, lobte sich John Key diese Woche. Was er am Montag vollbrachte: Key erhöhte die Flüchtlingsquote. Für eine Verdopplung trommeln hier seit vorigem Jahr emsig Organisationen wie „Doing our bit“. Neuseeland, eines der sichersten und friedlichsten Länder der Welt, wo gerade mal ein Mensch auf 17 Quadratkilometer kommt, nimmt in Zukunft mehr Flüchtlinge auf. Es sind aber nur 250 mehr, von schlappen 750 pro Jahr auf 1.000. Von wegen doppelt. Und das auch erst ab 2018.

Grant Bayldon, Vorsitzender von Amnesty International in Neuseeland, nannte Keys Entscheidung „absolut beschämend angesichts der größten humanitären Krise der Welt“. Neuseeland sitzt im UN-Sicherheitsrat, aber seit 30 Jahren wurde die Flüchtlingsquote nicht erhöht. Wir stehen an schlapper 87. Stelle der Länder, die gemessen an ihrer Einwohnerzahl die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Daran haben auch die früheren linken Staatschefs nichts geändert – wie Helen Clark, die sich gerade als Generalsekretärin für die UN zu profilieren versucht. John Key ist Sohn einer jüdischen Immigrantin aus Österreich, die vor Hitler ins gelobte Aotearoa floh. Aber statt für Flüchtlingshilfe pumpt er lieber 20 Millionen Dollar seines Jahresbudgets ins Militär.

Immigrationsminister Michael Woodhouse begründete die Entscheidung damit, dass die syrischen Flüchtlinge weder Englisch sprechen noch Arbeit finden würden. Man müsse nur auf Australien schauen, die hätten „einiges zu erklären“, da sie dreimal so viele Refugees aufnehmen. Erklären müssen die Australier sich in der Tat. Dafür, dass sie Boat People in menschenunwürdigen Lagern auf Pazifikinseln wie Nauru unterbringen. Und 6 Millionen Dollar Steuergelder dafür ausgeben, einen Propagandafilm voller Ertrinkender und Hoffnungsloser namens „The Journey“ (Die Reise) zu drehen. Der wurde bereits in Afghanistan gezeigt und dient allein dem Zweck, potenzielle Asylbewerber abzuschrecken.

Nicht nur seine erbärmliche Flüchtlingsquote hat Neuseeland dem großen Nachbarn voraus: Aotearoa ist das einzige westliche Land, in das man weder auf dem Land- noch dem Seeweg illegal hineinkommt. Das freut viele Kiwis. Volkes Stimme ist in allen Umfragen eindeutig: Refugees? Bitte draußen bleiben und ertrinken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die Parallelen sind tatsächlich unübersehbar zwischen den USA, Australien und Neuseeland. In allen Fällen handelt es sich um britisch geprägte Einwanderungsländer. Wer weiß, womöglich stellen Wissenschaftler in ein paar Jahren zweifelsfrei fest, dass sich die Zeit der "Entdeckung" (epi-)genetisch oder auch nur (individual-)geschichtlich eingeschrieben hat in die Zellkerne, Mitochondrien oder historischen Gedächtnisse der US-Amerikaner, der Australier und eben auch der Neuseeländer. Dann wäre der Hass eines Teils der Bevölkerung gegen alle Neuzuwanderer tatsächlich biologisch zu erklären. Allerdings nicht auf Seiten der Zuwanderer, denen von den Alteingesessenen gern gewisse Defizite unterstellt werden, sondern auf Seiten der "Einheimischen". Diese, schließlich, sind nicht immer einheimisch gewesen. Sie sind auch eingewandert, wenn auch schon vor etlichen Generationen. Damals haben ihre Vorfahren die, die schon da waren, brutal verfolgt, unterdrückt und an den Rand der Ausrottung getrieben. So etwas prägt, befürchte ich. Nicht nur die Opfer. Die Nachkommen der einstigen Täter können heute womöglich vor lauter Angst nicht mehr klar denken, sobald ihnen jemand mit der ungebremsten Zuwanderung (sehr) fremder Menschen droht. Im Geiste sehen sich offenbar in der Rolle der früheren Opfer.

     

    Übrigens: Mit meiner (schrägen) These ließe sich nicht nur das Verhalten von US-Amerikanern, Australiern oder Neuseeländern erklären, sondern auch das vieler Deutscher inklusive des aktuellen deutschen Innenministers. Dass ich sie nicht beweisen kann, stört dabei kaum. Das Gegenteil, schließlich, ich auch nicht zu belegen.