heute in Bremen: „Nur eine von 40.000“
VORTRAG Die Pädagogin und Medienforscherin Maya Götz über Casting-Shows und Essstörungen
Die Pädagogin promovierte 1998 an der Gesamthochschule Kassel mit dem Titel: “Fernsehen im Alltag von Mädchen: Facetten der Medienaneignung in der weiblichen Adoleszenz”.
taz: Frau Götz, welchen Einfluss kann „Germany‘s Next Top Model“ (GNTM) auf Zuschauerinnen haben?
Maya Götz: Bei Fans der Sendung lässt sich in vielen Fällen eine veränderte Körperwahrnehmung beobachten. Es lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Sehen der Sendung und dem Gefühl nachweisen, man sei zu dick.
Welche Konsequenzen hat das?
Bei Mädchen, die bereits untergewichtig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich als übergewichtig wahrnehmen, um das Fünffache. In einer weiteren Studie haben wir Frauen interviewt, die wegen Magersucht in Behandlung waren. Ein Drittel hat uns gesagt, dass GNTM einen sehr starken Einfluss auf sie gehabt hat, ein weiteres Drittel hat einen schwachen Einfluss angegeben.
Ist die Sendung ein Einzelfall? Oder haben wir es mit einem Rückschritt hin zu traditionellen Geschlechterrollen zu tun?
GNTM ist sicherlich ein Extrembeispiel – das allerdings von 92 Prozent aller sechzehnjährigen Mädchen geschaut wird, zumindest hin und wieder. Generell gilt: Das Schönheitsideal verändert sich, hin zu einem professionellen Blick auf den weiblichen Körper. Was in der Sendung als Norm vorgestellt wird, der man gerecht werden muss, kann aber faktisch nicht erreicht werden. Nur eine von 40.000 Frauen hat den Körper eines Laufsteg-Models. Dass das absolute Ausnahmekörper sind, wird von der Sendung gezielt verborgen.
Aber es muss auch etwas geben, was Jugendliche an GNTM begeistert. Was ist der Reiz der Sendung?
Es geht um junge Frauen, die für ihr Ziel kämpfen und ihre eigenen Träume verwirklichen. Das macht die Attraktivität aus. Und: 57 Prozent aller Fans würden Heidi Klum gerne als Mutter haben. Tatsächlich geht es bei GNTM jedoch um die reine Anpassung. Egal, was von dir verlangt wird, auch wenn du mit eiskaltem Wasser bespritzt wirst – du musst immer lächeln, und du darfst in keinem Fall auf deinen Körper hören.
Wirken die Demütigungen und die Disziplinierung nicht auch abschreckend?
Die Zuschauerinnen vor dem Fernseher können Heidi Klum für ihre Entscheidungen kritisieren. Und sie nutzen GNTM für ihre eigene Identitätsarbeit: Was hätte ich getan, wenn ich nackt vor einem vierzigköpfigen Team und den Kameras posieren müsste? Ob man so etwas überhaupt verlangen darf, wird aber kaum infrage gestellt.
Interview: Benjamin Moldenhauer
Vortrag „Dafür muss ich nur noch abnehmen“, 19 Uhr, VHS im Bamberger Haus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen