Kommentar Washingtons Vietnam-Politik: Die große Ironie
Das Waffenembargo gegen Vietnam aufzuheben, ist eine Entscheidung gegen die Menschenrechte. Die USA sind dabei ohnehin unglaubwürdig.
B ei der Entscheidung über das US-Waffenembargo gegen Vietnam musste Barack Obama abwägen: zwischen strategischen und wirtschaftlichen Interessen einerseits und dem Schutz der Menschenrechte andererseits. Bisher hatten die USA das Embargo mit Hanois autoritärer Einparteienpolitik begründet, die für mindestens einhundert politische Gefangene verantwortlich ist. Indem er das Embargo nun aufhebt, hat Obama gegen die Menschenrechte gestimmt – auch wenn er das rhetorisch zu verkleistern sucht.
Dabei dürfte der Antagonismus zu China sehr wohl eine Rolle gespielt haben. Obama hat zudem Vietnams Regierung gegeben, was sie schon lange anstrebte.
Doch künftig dürfte die amerikanische Kritik am Umgang mit Menschenrechten in Hanoi noch weniger Gehör finden. Das ist bitter für verfolgte Aktivisten. Andererseits ist es schon Ironie, dass sich ausgerechnet die USA, die sich mit Flächenbombardements und dem Einsatz des Giftes Agent Orange in Vietnam verewigt haben, dort als Schützer der Menschenrechte gerieren.
Die Kader in Hanoi haben längst kapiert, dass Washingtons Einsatz für Menschenrechte taktisch ist. Auch deshalb geben sie kaum nach. Das haben sie erst einmal gemacht: Bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TPP hat Hanoi die Zulassung unabhängiger Gewerkschaften zugesagt.
Ob dies nur taktisch war, werden wir wohl nie erfahren. Denn mit Hillary Clinton und Donald Trump haben sich ausgerechnet die beiden wahrscheinlichen US-Präsidentschaftskandidaten gegen TPP positioniert, das deshalb vielleicht nie in Kraft treten wird.
Die größte Ironie von Washingtons Politik in Vietnam bleibt, dass die USA trotz des Krieges in keinem anderen asiatischen Land so beliebt sind. Umgekehrt ist China dort so verhasst wie nirgends sonst.
Es ist richtig, dass Obama, der als erster US-Präsident ohne eigene Geschichte aus der Zeit des Krieges dorthin reist und Brücken baut. Doch Waffen sind dafür ungeeignet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Menschenrechtslage im Iran
Forderung nach Abschiebestopp
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben