piwik no script img

KoalitionskrachKriegsbeil begraben

SPD und Grüne einigen sich auf ein Bündnis für Wohnen, das Parks und Grünflächen wenigstens ein bisschen schont. Grüne hatten mit Ablehnung gedroht.

Besorgt höchstselbst den Grünausgleich für eine neue Großsiedlung: Umweltsenator Jens Kerstan Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Der rot-grüne Hauskrach über das Wohnungsbauprogramm ist beigelegt. In einer Sondervereinbarung einigten sich am Dienstagnachmittag die Umwelt- und die Stadtentwicklungsbehörde auf einen stärkeren Schutz von Grün- und Freiflächen. Danach dürfen Naturschutzgebiete, Naturdenkmäler und die Flächen des grünen Netzes nicht bebaut werden. Zudem hat die Verdichtung und Aufstockung Vorrang vor Neubauten auf bislang unversiegelten Flächen. Auch müssen „naturschutzrechtlich notwendige Kompensationsflächen“ Bestandteil aller Bauplanungen sein sowie „zügig und verbindlich umgesetzt werden“, teilten die beiden Behörden mit.

Vorangegangen war über Pfingsten ein heftiger Knatsch in der Koalition. Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) hatte am Donnerstag ein Bündnis für Wohnen mit der Wohnungswirtschaft vorgestellt, das kaum Rücksicht auf Naturschutzbelange nahm. Der grüne Umweltsenator Jens Kerstan stellte daraufhin klar, dass es „keine Einigung mit der Umweltbehörde und mir“ gebe. Daraufhin vereinbarten die beiden Fraktionsvorsitzenden Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) am Samstag kurzfristig „Eckpunkte“ einer Einigung. Insbesondere wurde „ein zusätzlicher Ausgleichsmechanismus bei der Bebauung von Frei- und Grünflächen“ in Aussicht gestellt.

Das aber ging Kerstan nicht weit genug. Es dürfe nicht nur „um die reine Zahl“ neuer Wohnungen gehen, sondern auch „um das Wie: um den Erhalt des Grüns und der Lebensqualität, um Klimaschutz und effiziente Häuser“, beharrte der Umweltsenator. Unterstützung erhielt er am Pfingstmontag von Parteichefin Anna Gallina und ihrem Vize Michael Gwosdz. Kerstans Kritik sei „deutlich und konsequent“ und Stapelfeldts Vorpreschen hingegen „im Umgang mit dem Koalitionspartner nicht angemessen“.

Auch die großen Umweltverbände sprangen dem Senator zur Seite. Die Vereinbarung mit der Wohnungswirtschaft sorge für „zusätzliche enorme Flächenversiegelung“ und erkläre „den Klimaschutz zum Stiefkind“, kritisierte Manfred Braasch, Geschäftsführer des Hamburger Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Echt bedrohlich“ nannte der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu), Alexander Porschke, das Wohnraumbündnis. Wohnungsbau dürfe „nicht auf Kosten des Naturhaushaltes gehen“. Bereits Ende April hatte der Nabu-Chef im einem Strategiepapier „Nachverdichten statt Neuversiegeln“ gefordert, zum Beispiel durch den Neubau höherer Häuser und Aufstockung bestehender Gebäude, die zudem ein Gründach erhalten sollten. Das sei ein möglicher Weg zu einer „naturverträglichen Stadtentwicklung“, so Porschke.

Wachsende Stadt

In Hamburg lebten am 31. Dezember 2015 exakt 1.746.342 EinwohnerInnen. Das sind rund 12.000 Menschen mehr als ein Jahr zuvor.

Der Höchststand der Einwohnerzahl betrug 1.857.431 Menschen am 31. Dezember 1964, der niedrigste Stand seit Gründung der Bundesrepublik lag bei 1.571.267 Menschen am 31. Dezember 1986.

Das Statistikamt Nord sagt 1.814.000 EinwohnerInnen für 2020 voraus. Die Bertelsmann-Stiftung prognostiziert zum selben Zeitpunkt 1.873.500 EinwohnerInnen und 1.900.000 für 2030.

Die Wohnfläche pro EinwohnerIn lag 2013 bei 40 Quadratmetern, das sind fast 20 Prozent mehr als 1995 mit 34 Quadratmetern. Die Zahl der Haushalte soll von 981.000 im Jahr 2009 auf 1.078.000 in 2030 steigen.

Kerstan erklärte am Dienstagnachmittag, die jetzt erzielte Einigung mit der Baubehörde sei „tragfähig“, weil die Verdichtung Vorrang habe vor der Nutzung von Grün- und Freiflächen. Deshalb könne er nun das solchermaßen modifizierte Bündnis für Wohnen „mit gutem Gewissen unterzeichnen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!