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LIEBESERKLÄRUNGHochwasser

Im NSU-Komplex verschwinden Akten in Fluten und tauchen Spitzelhandys auf. Absurd? Nicht doch. Ein Hoch auf die Ausrede!

Eines muss man dem Sicherheitsapparat lassen: Kreativ ist er. Die letzte Woche war dafür ein goldiges Beispiel.

Da sind Akten zu einem früheren V-Mann nicht mehr auffindbar. Die Staatsanwaltschaft erklärt: Ein Hochwasser habe sie 2010 zunichtegemacht. Zwei Tage später legt der Verfassungsschutz nach: Das Handy eines Exspitzels ist plötzlich auftaucht – just nachdem ein Sonderberichts zu dem Mann gerade fertig war. Ein unaufgeräumter Panzerschrank war schuld, erklärt der Verfassungsschutz. Viermal hatte man ihn durchsucht, beim fünften Mal war da das Handy.

Zufälle gibt’s. Nur eint diese Episoden: Sie betreffen zwei durchaus heikle Personalien der NSU-Affäre. Der eine Spitzel soll ein NSU-Mitglied in dessen Untergrundzeit beschäftigt haben, der andere stand auf einer Kontaktliste des Trios.

Die Reihe der staatlichen „Malheure“ und Ausflüchte zu der rechtsextremen Terrorserie lässt sich fast beliebig fortsetzen. Ein Verfassungsschützer am Tatort eines NSU-Mordes in einem Internetcafé? Zufall, nur zum Onlineflirten dort. Spitzelakten werden eine Woche nach Auffliegen des NSU geschreddert? Die waren „dienstlich nicht mehr benötigt“. Ein früherer V-Mann, der zu einer CD mit „NSU/NSDAP“-Titel befragt werden soll, die er dem Amt schon Jahre vor Bekanntwerden des Trios überbrachte? Stirbt plötzlich an unerkanntem Diabetes.

Vielleicht war es tatsächlich so. Nur: Es glaubt keiner mehr. Zu viele Zufälle sind irgendwann eben doch System. Im NSU-Komplex scheint inzwischen jede Absurdität denkbar – und jede Ausrede.

Das ist zum einen bitter traurig: für die Angehörigen der zehn NSU-Mordopfer. Für alle anderen hat es aber auch etwas Gutes. Was hat man sich schon mit Ausreden gequält? Hund fraß Hausaufgaben, Kopfschmerzen verhindern Aufräumen. Unglaubwürdig? Von wegen! Wenn der Sicherheitsapparat mit seinen „Erklärungen“ durchkommt, dann ist auch für uns alles möglich. Die Steuererklärung wieder verschludert? Sie wissen ja: das Hochwasser. Konrad Litschko

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