piwik no script img

Sprecher ohne Rückhalt

Noch am Donnerstagmorgen galt John Boehner als mächtigster republikanischer Gegenspieler von US-Präsident Barack Obama. Dann scheiterte er daran, in seiner eigenen Fraktion eine Mehrheit für seinen sogenannten Plan B im Steuerstreit zustande zu bringen – und prompt diskutieren die US-Kommentatoren die politische Zukunft des 63-jährigen Chefs des Repräsentantenhauses.

Kompromisslos hatte Boehner während der ersten Amtszeit Barack Obamas die geschlossene Opposition der Republikaner angeführt. Für deren Erfolg Ende 2010, als sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückgewannen, konnte der Mann aus Ohio die Lorbeeren einheimsen. Bei seiner Wahl zum Sprecher der Kongresskammer vor zwei Jahren gab es keinen ernsthaften Widerstand. Das könnte anders werden, wenn er sich im Januar erneut zur Wahl stellen muss.

Eingepackt in starke Anti-Obama- und Antiregierungsrhetorik hatte Boehner in den letzten Wochen doch versucht, Kompromisslinien zu finden. Oder wenigstens: so weit den Anschein der Absicht zu erwecken, seiner Partei die Schmach zu ersparen, als Buhmänner der Nation dazustehen, falls sich Kongress und Regierung nicht einigen und die USA im Januar doch über die „Steuerklippe“ rutschen sollten. Das hat nicht geklappt.

Boehner, in einfachen Verhältnissen mit elf Geschwistern als Sohn eines Kneipenwirts in Cincinatti aufgewachsen, hatte sich mühsam hochgearbeitet. Als Erster seiner Familie schaffte er einen Uniabschluss, wurde Chef eines Verpackungsgroßhandels und begann seine politische Karriere in den 80er Jahren als republikanischer Abgeordneter im Parlament von Ohio. Seit 1991 gehört er dem Repräsentantenhaus an, seit 2006 führte er die republikanische Fraktion, bevor er 2011 Sprecher des Hauses wurde. Der Mann, der oft höhnisch als Heulsuse bezeichnet wird, weil ihm öfter als jedem anderen Washingtoner Politiker bei seinen Auftritten die Tränen kommen, sieht sich an einem Wendepunkt seiner Karriere. Noch nie hat er ernsthaft versucht, überparteilichen Konsens herzustellen. Jetzt muss er.

BERND PICKERT

Ausland SEITE 7

Meinung + Diskussion SEITE 9

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen