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Alter Meister„Keiner kennt ihn!“

Anders als sein Bruder Rudolph ist Comic-Pionier Gus Dirks aus Heide fast völlig unbekannt: Das Kieler purefruit-magazin erinnert an ihn.

Ein Hoch auf Schleswick-Holstein! Gus Dirks lässts in Bug-Ville krachen. Foto: Gus Dirks
Interview von Frank Keil

taz: Herr Eckhorst, warum interessiert Sie Gus Dirks?

Tim Eckhorst: Das ist ganz einfach: Ich komme aus Heide und bei uns stand immer mal wieder was in der lokalen Zeitung über die Brüder Rudolph und Gustav Dirks. Das fand ich extrem spannend. Zum Kunststudium ging ich dann nach Kiel und habe dort meine Abschlussarbeit über Rudolph Dirks geschrieben, der als Zeichner ja recht bekannt ist – ganz im Gegensatz zu seinem kleineren Bruder, der auch gar nicht so lange gelebt hat. Aber ich wusste: Irgendwann werde ich mich mal mit ihm befassen.

In Heide sind die Gebrüder Dirks also noch bekannt?

So weit würde ich noch nicht gehen. Würde man jetzt in die Heider Fußgängerzone gehen, würden 20 Prozent der Leute sagen: „Rudolph Dirks? Hab ich schon mal was von gehört!“ Bei Gustav Dirks sind es null oder vielleicht null Komma fünf Prozent. Das ist also extrem ausbaufähig. Was es gibt, ist ein Rudolph-Dirks-Weg, in einem kleinen Neubaugebiet – bezeichnenderweise eine Sackgasse. Das Tragische ist: Man könnte viel machen, denn der Sohn von Rudolph Dirks hat der Stadt Heide den gesamten Nachlass der beiden Brüder vermacht. Das ist allerdings zehn Jahre her, und seitdem liegt er für Forschungszwecke in der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig.

Wie stark trägt der Heide-Bezug? Rudolph und Gustav waren ja noch Kinder, als sie 1884 mit ihren Eltern über Hamburg nach Amerika auswanderten.

Ich habe auch lange gedacht: Komm, die sind bei uns geboren, mehr ist das nicht. Aber ihre Herkunft ist schon ziemlich relevant. Weniger die Stadt Heide selbst, aber der Landstrich, also Norddeutschland. Bei Rudolph Dirks sprechen seine Figuren ein Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch – das liest sich sehr lustig. Er selbst hat mal in einem Interview gesagt: „Na ja, ich komme aus einer Familie, in der hat man genau so gesprochen.“ Und von Gustav Dirks gibt es ein schönes, markantes Bild, da stoßen seine Käferfiguren mit großen Bierkrügen an und rufen: „Schleswick Holstein!“ Dieser Mix aus Deutsch und Englisch war nicht nur ein Gag, sondern es ging darum, die vielen deutschen Einwanderer dazu zu bewegen, Zeitungen zu kaufen – und in diesen Zeitungen gab es als Anreiz große Comicstrecken.

Was ist das Besondere an den Zeichnungen von Gus Dirks?Er hat sehr früh Tiercomics gezeichnet, auch wenn er nicht der erste gewesen sein dürfte. Und seine Figuren erinnern irgendwie an Micky Mouse. Es sind zwar Käfer, keine Mäuse, aber diese dünnen Beine und die Gesichtsausdrücke lassen einen schnell an die klassischen alten Disney-Figuren denken – die es dann 20 Jahre später gibt. Im Gegensatz zu vielen anderen Zeichnern seiner Zeit, die noch in der Tradition von Wilhelm Busch standen und daher eher von derben Lausbubenstreichen erzählten, sind seine Comics sensibler, sehr kindgerecht und deutlich besser, weil feiner gezeichnet.

Gustav – inzwischen Gus – Dirks erschießt sich mit 21 Jahren.

Warum er das getan hat, wird sich wohl niemals so richtig beantworten lassen. Es sind damals in Amerika viele Nachrufe auf ihn erschienen; liest man die, liegen zwei Erklärungen nahe: Er hat sehr viel gearbeitet, war oft überarbeitet, weil er viele Magazine und Zeitungen im ganzen Land beliefert hat. Und: Als er sich mit 18 Jahren in New York niederließ, konnte er zunächst kaum Fuß fassen, konnte sich kaum Kleidung und auch kaum etwas zu essen leisten. Man muss davon ausgehen, dass er zeitweise extrem unterernährt war, sich vielleicht so eine chronische Krankheit eingefangen hat – und wenn dann Überforderung und womöglich Depressionen dazukommen …

Im Interview: 

geboren 1985 in Heide, Holstein, Zeichner und Dirks-Forscher. Studierte Kommunikations- und Editorial Design an der Mathesius Kunsthochschule in Kiel, wo er seit 2014 im Studiengang Raumstrategien lehrt.

Die neue Ausgabe des Comic-Magazins Pure Fruit widmet sich jetzt dem vergessenen Kollegen. Mitgewirkt haben an der Ausgabe „Gus Dirks remixed“ Zeichner aus ganz Schleswig-Holstein.

Wenn man zusammen ein Magazin macht, ist es natürlich schön, wenn man einen roten Faden hat und nicht jeder macht irgendwas anderes – so dass es am Ende nicht zusammenpasst. Aber wichtiger war, dass wir alle gedacht haben: Dieser arme Kerl, der hat so tolle Sachen gemacht, das guckt sich schön an, das macht echt Spaß, aber keiner kennt ihn! Dass nur ein paar ausgewählte Menschen, die sich mit der Comicgeschichte auskennen, von ihm wissen: Das kann man nicht so stehen lassen! Und nicht zuletzt ist es schlicht eine kleine Verneigung vor ihm.

Releaseparty mit „Comic-Battle“: Sa, 14. Mai, 14.30 Uhr, Heide, Museumsinsel. Der Eintritt ist frei, auch das Heft gibt's gratis

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