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SPD-Generalsekretärin Katarina Barley„Die immer gleichen Phrasen“

Katarina Barley, SPD-Generalsekretärin, wundert sich über Machos in Talkshows. Und ärgert sich, dass die AfD ausschließlich zu Flüchtlingsthemen eingeladen wird.

„Meine Mitarbeiter erklären mich für verrückt, weil ich mir in meiner Freizeit mit Trollen auf Facebook verbalen Schlagabtausch liefere. Aber ich finde es wichtig“: SPD-Generalsekretärin Katarina Barley Foto: dpa

taz: Frau Barley, Sie sind jetzt seit vier Monaten Generalsekretärin der SPD. Was hat Sie überrascht in dem Job?

Katarina Barley: Mich hat irritiert, wie seltsam man angeschaut wird, wenn man nicht die ritualisierte Politiksprache benutzt. Ich habe ja 40 Jahre lang ein normales Leben geführt, mit Familie, Beruf, Ehrenamt, ohne Kameras. Die Art, wie in Talkshows geredet wird, hat mit dem Alltag nichts mehr zu tun.

Warum?

Weil es eigentlich nicht um einen richtigen Austausch geht. Stattdessen spulen die Teilnehmer Erklärungen ab. Markus Söder hat neulich in einer Runde eine Frage nicht beantwortet und irgendetwas Vorbereitetes eingestreut. Darüber wundert sich unter Politikern keiner. Mein Stil ist ein anderer.

Nämlich?

Ich will ein offener Mensch bleiben. Auf Leute zugehen und zuhören können. Ich möchte mich von dem Amt nicht deformieren lassen.

Selbstinszenierung gehört zu dem Handwerk, das Sie beherrschen müssen.

Das sehen viele so. Aber das Resultat dieser Inszenierungen sind immer gleiche Phrasen in immer gleichen Ritualen. Eine Zeit lang sagten viele Politiker ständig: „Da bin ich ganz bei Ihnen.“ Ich habe mich gefragt: Gehen die alle zu dem gleichen Coach?

Kennen Sie die Erfahrung, als Politikerin nicht ernst genommen zu werden?

So etwas ist mir in der SPD noch nicht passiert. Aber in der Auseinandersetzung mit der Konkurrenz, ja, da schon.

Wie?

Ebendieser Typus Markus Söder. Wenn Frauen reden, rollt der schnell mit den Augen. Und er fällt Frauen öfter ins Wort als Männern.

Was machen Sie dann?

Ich bin ein höflicher Mensch. Es fällt mir nicht leicht, auf offene Respektlosigkeiten mit den gleichen Mitteln zu antworten, also auch abfällig zu werden. Außerdem kommt das bei Frauen schnell als Zickigkeit rüber.

Im Interview: Katarina Barley

47, ist Generalsekretärin der SPD. Die Juristin seit 2010 Vorsitzende des SPD-Kreisvorstands in Trier-Saarburg und seit 2013 im Bundestag.

Die SPD ist eine überalterte Partei. Die Mitglieder sind im Schnitt 59 Jahre alt, zwei Drittel sind Männer …

… Moment, Moment. Wir haben viele starke Frauen. Malu Dreyer oder Hannelore Kraft, Andrea Nahles und Manuela Schwesig, eine Generalsekretärin …

Aber im Ortsverein dominiert der Typus des 60-Jährigen, der seit zwanzig Jahren die Sitzung leitet.

Sicher, das ist in manchen Ortsvereinen so. Ich bin für Doppelspitzen in der SPD – nicht beim Parteivorsitz, aber als Option für die Gliederungen. Die Doppelspitze kann in Ortsvereinen oder Kreisverbänden ein Anreiz für Frauen sein, Verantwortung zu übernehmen.

Der Antrag für Doppelspitzen wurde auf dem letzten Parteitag eingestampft.

Der Ablauf war ungünstig. Ich bin gespannt, wie die Abstimmung bei der nächsten Gelegenheit ausfällt.

Die SPD ist für die individualisierte Gesellschaft schlecht gerüstet. Sie ist unattraktiv für Jüngere, Migranten und Frauen. Wie wollen Sie das ändern?

Durch wirkungsvolle Politik. Wer macht denn moderne Familienpolitik, wenn nicht wir? Das Elterngeld plus schafft den Anreiz, dass sich Väter und Mütter um die Kinder kümmern können. Unterhaltsvorschuss und Kita-Randzeiten ausbauen kommt vor allem Alleinerziehenden zugute. Die Konservativen wollen, dass es bleibt, wie es ist. Die Grünen haben Ideen, wie es sein sollte. Die SPD sorgt für realistische, machbare Politik.

Aber Jüngere wählen trotz Ihrer Familienpolitik lieber Merkel oder die Grünen …

Umfragen zeigen, dass die Wähler schätzen, was wir machen. Das schlägt sich nur noch nicht so in Zustimmung für die SPD nieder, wie wir uns das wünschen würden.

Weil die SPD als bräsig gilt und weil sie, trotz der Parteireform 2011, nicht anziehend für Jüngere wirkt.

Das stimmt so nicht. Derzeit treten pro Monat über 1.000 Leute in die SPD ein, vor allem jüngere. Die Basis hat in der SPD mehr Macht als früher. Das Wahlprogramm erstellen wir zusammen mit der Basis. Sieben Arbeitsgruppen machen einen Aufschlag, der im Sommer in Regionalkonferenzen diskutiert wird. Danach gibt es Dialoge mit Verbänden und Bürgern, über die Partei hinaus. Es wird auch Mitgliederbefragungen zu einzelnen Punkten geben. Das ist ein aufwendiger Prozess, um möglichst viele zu beteiligen.

In Baden-Württemberg sind 90.000 SPD-Wähler zur AfD gegangen. Was tun Sie dagegen?

CDU und Linke verlieren stärker an die AfD, aber auch von uns gibt es Abgänge dorthin. Wir nehmen das sehr ernst. Die meisten Leute haben die AfD wegen der Flüchtlinge gewählt, ein paar auch wegen sozialer Gerechtigkeit. Da müssen wir aufklären. Denn die AfD vertritt ein Familienbild aus den 50er Jahren und will Arbeitnehmerrechte aufweichen. Ich bin Juristin. Bei den rechtspolitischen Ideen der AfD stehen mir die Haare zu Berge.

Warum?

Die AfD will zum Beispiel bei der Untersuchungshaft die Haftgründe abschaffen. Ein Richter darf diese Haft bisher nur anordnen bei Verdunklungsgefahr, Fluchtgefahr oder Wiederholungsgefahr. Die AfD will sie einfach so verhängen. Psychisch Kranke sollen auch ins Gefängnis. Videoüberwachung wollen sie möglichst flächendeckend einführen. Nur bei Steuern soll der Staat auf Kontrollen verzichten. Die AfD vertritt überall das Recht des Stärkeren.

Nutzt Aufklärung wirklich? Vielleicht geht es gar nicht so sehr um Inhalte.

Doch. Die AfD wurde in TV-Talkshows ausschließlich zu Flüchtlingen eingeladen. Das hat mich geärgert. Was wäre, wenn Frauke Petry mal zu Frauenförderung argumentieren müsste? Ich glaube, dass Leute aus unseren Milieus schnell merken würden, dass die AfD nicht ihre Interessen vertritt. Ich setze mich auch intensiv in sozialen Netzwerken mit Leuten auseinander, die die AfD attraktiv finden. Wenn von Leuten AfD-nahe Postings kamen, habe ich auf Facebook immer reagiert.

Mit Erfolg?

Wie misst man Erfolg? Mein Lieblingsbeispiel aus dieser Woche. Eine Userin, deren Logo das Wappen von Sachsen-Anhalt ist, hat mir diese Story geschrieben: Sie arbeite in einer Rettungswache. Wenn sie dort Migranten nach einer Prügelei Wunden nähe, werde sie dafür als „deutsche Hure“ beschimpft. Ich habe spontan geantwortet: Sie sind keine Frau, Sie sind ein frustrierter Mann, der Angst und Hass verbreiten will.

Wie war die Reaktion?

Er hat das nicht geleugnet. Das gibt es oft im Netz. Alte Männer, die mit der Wirklichkeit nicht mehr klarkommen und sich als mitfühlende Frauen ausgeben. Meine Mitarbeiter erklären mich für verrückt, weil ich mir in meiner Freizeit mit Trollen auf Facebook verbalen Schlagabtausch liefere. Aber ich finde es wichtig.

Warum tun Sie das?

Das ist eine Parallelwelt, ein in sich geschlossener Kosmos. Diese Menschen sind kaum mehr ansprechbar. Dort kursieren oft Nachrichten von Vergewaltigungen und Einbrüchen durch Flüchtlinge, keiner weiß, ob erfunden oder nicht. Jedenfalls total einseitig und überzeichnet. Wir müssen zumindest wissen, wie dieser Kosmos funktioniert und ihn nach Möglichkeit aufbrechen.

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18 Kommentare

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  • Ein höflicher Mensch kann nicht auf alles direkt wechseln, das ist zwar in vielen Situationen erstmal eine gewisse taktische Schwäche, macht ihn aber langfristig stärker.

     

    Ich denke dass die Mehrheit der Menschen sehr schnell die aggressive Unverschämtheit bar jeglicher tragfähiger Argumente vieler AfD ler und ihrer AnhängerInnen, von einigen Menschen noch als "erfrischend" wahrgenommen, sehr schnell leid werden, so leid wie sie das SPD Neusprech (angefangen bei "Ich AG", "Jobfloater" über den "Markenkern" bis "da bin ich ganz bei Ihnen" wie im Artikel erwähnt etc.pp.) sind.

     

    Frau Barley kommt im Interview ausgesprochen positiv rüber finde ich auch weil sie den SPD Vernebelungs Neusprech bewußt zu vermeiden scheint. Ok war ja schon einigen vor mir aufgefallen.

     

    Einiges beschönigt sie zwar immer noch bzw, blendet es großzügig aus aber insgesamt fände ich es schon gut wenn es mehr von solchen Menschen in dem Verein gäbe um endlich die Schröderriege inclusive Gabriel beiseitezuschieben und dann anzufangen jenseits von Worthülsen und Sprechblasen wieder ernsthaft über Politik nachzudenken, zu reden und zu handeln.

    • @Waage69:

      Hab grad in meiner neuen Begeisterung ein Interview mit Frau Barley im "Vorwärts" gelesen. Da laberabarbert sie genauso wie die die meisten anderen Spitzensozies auch. Hm - doof )-: !

  • "Er hat das nicht geleugnet. Das gibt es oft im Netz. Alte Männer, die mit der Wirklichkeit nicht mehr klarkommen und sich als mitfühlende Frauen ausgeben. Meine Mitarbeiter erklären mich für verrückt, weil ich mir in meiner Freizeit mit Trollen auf Facebook verbalen Schlagabtausch liefere"

     

    Naja. Wenn es nun aber eine ganz ausgebuffte politische KonkurrentIn war, Katja Kipping etwa, die nur vorgegeben hat, ein Mann zu sein, der vorgibt, eine Frau zu sein und der dies auch sogleich nicht leugnet, wenn ertappt ... in der Absicht, dass Sie, Frau Barley, hier ordentlich über frustrierte ältere Männer ablästern und damit die letzte der SPD noch verbliebene Klientel vergraulen, was dann?

  • Hm... also ab der dritten Frage kommt mir irgendwie auch alles bekannt vor....

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Niemand wird doch gezwungen, an einer Talkshowrunde teilzunehmen, genauso wie ein Fern-Seher diese nicht angucken muss.

    Dass Frau Barley aber öffentlich eine schrumpfende Partei vertreten soll, deren Vorsitzender dabei ist, dieselbe vollends ins politische Jenseits zu befördern, macht ihren Job auch ohne Talkshows mit Söder schwer genug.

  • "Die AfD ... will Arbeitnehmerrechte aufweichen."

    Stimmt! Sie knüpft damit direkt an die reale Politik der SPD nach der Ära Brandt an.

    • @Rainer B.:

      "… Moment, Moment. Wir haben viele starke Frauen. Malu Dreyer oder Hannelore Kraft, Andrea Nahles und Manuela Schwesig, eine Generalsekretärin …"

       

      Jaja, stark nachgelassen vielleicht.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Das "Wir haben viele starke Frauen" bezweifelt doch niemand. Bleibt nur die Frage, für was und für wen diese Stärke nun eingesetzt wird. Arbeitnehmer, die nicht bei der Firma SPD arbeiten, haben davon jedenfalls erfahrungsgemäß nichts Gutes zu erwarten - im Gegenteil.

  • Katarina Barley: "Meine Mitarbeiter erklären mich für verrückt, weil ich mir in meiner Freizeit mit Trollen auf Facebook verbalen Schlagabtausch liefere. Aber ich finde es wichtig." - Vielleicht sollte Frau Barley lieber soziale Politik machen, anstatt sich mit Trollen einen verbalen Schlagabtausch zu liefern, dann findet die SPD vielleicht auch einmal wieder aus dem tiefen Tal heraus.

     

    Die meisten Deutschen verbinden mit der SPD doch nur noch die Agenda 2010 und das sind gesenkte Lohnnebenkosten, liberalisierte Zeitarbeit, Minijobs, Privatrente und Hartz IV; die Verschmelzung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf dem niedrigen Niveau der Sozialhilfe. Wenn die SPD wieder soziale Politik machen würde, dann müsste Frau Barley sich auch keine Gedanken mehr um die AfD, Markus Söder und Trolle machen, denn dann wäre die SPD wieder eine echte soziale Partei, die auch von den Massen gewählt werden würde. Eine Partei, die aber nichts gegen die immer größer werdende Obdachlosigkeit in Deutschland macht, die schwangere arbeitslose Frauen von der BA sanktionieren lässt und die nichts gegen die Ausbeutung des kleinen Arbeitnehmers tut, so eine Partei sollte sich nicht mehr sozial nennen und lieber weiterhin den Mann huldigen dem sie den Niedergang der SPD zu verdanken hat, also Gerhard Schröder. Der Schröder, der den Eingangs- und Spitzensteuersatzes (Spitzensteuersatz bei 42 % (1998: 53 %)) senkte sowie die Entlastung von Unternehmen in Deutschland vorantrieb, und natürlich das Glanzstück "Hartz IV" zur Demütigung aller Arbeitslosen eingeführt hatte.

  • Wenn man sich so zu Gemüte zieht was die das so von sich gibt und dann auch noch sich selbst ernst nehmen kann ... muss man einfach auf dem Boden liegen vor lachen.

     

    Der Text ist wirklich gute "real"Satire

    Und wie jede gute Satire mindestens genauso traurig wie lustig.

    • @Obscuritas:

      ??? So ganz erschließt sich mir jetzt nicht, was Sie da so lustig finden und nicht ernst nehmen können? Oder haben Sie zufälligerweise was mit der AfD zu tun?

  • Frau Barley spricht ja auch kein Sozialdemokratendeutsch wie die Führungsfunktionäre ihrer Partei. Die SPD ist die Partei, die am meisten in ihren programmatischen Phrasen erstickt ist. Frau Barley spricht aber auch nicht die Sprache der Arbeiterklasse. Darum stößt es mich eher ab.

     

    Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Talkshows die Essenz von Politik seien, früher haben die Politiker sie gemieden.

  • "Das ist eine Parallelwelt, ein in sich geschlossener Kosmos. Diese Menschen sind kaum mehr ansprechbar."

     

    Dieser Meinung kann ich mich nur anschießen und die ausgrenzende Art und Weise der Wahrnehmung und Sprache ist durchgängig in allen Kommentarspalten der führenden Internetmedien spürbar.

    Die Leute radikalisieren sich und es ist sehrt bedauerlcih dass weder die Moderation in den Talkshows noch die sog. Internetcommunity eine Antwort darauf hat.

     

    Im Gegenteil: Lagerbildungen verstärken sich und die Argumente fokussieren / denunzieren auf denjenigen der das sagt und nicht auf das was er sagt.

    Es geht um Häme, Herabwürdigung und Ausgrenzung: Fascho-like eben.

  • Immerhin, zum Umgang mit der AfD sagt Sie ein wahrhaft wahres Wort. Genau so wünsche ich mir das auch.

  • SPD? Was war das noch mal? Ach diese Angeblich "sozial-" demokratische Splitterpartei die damals die soziale Marktwirtschaft zugunsten des neoliberalismus beerdigt hat und sich jetzt wunder das sie nur noch als Splitterpartei gelten. Ludwig Erhard (CDU) rotiert immer noch.

  • So so, die Wähler schätzen also was die SPD macht.

    Hartz4, die Senkung der Kapitalerwerbssteuern aber Erhöhung der Mehrwertsteuer , die Rente mit 67, Abschaffung von Unternehmensverkaufssteuer, die Vorratsdatenspeicherung, TTIP - das sind ja alles Publikumslieblinge.

     

    Ich frage mich immer in welcher Traumwelt diese Leute eigentlich leben...

    • @Chaosarah:

      Darauf einzugehen — und die Fehler wieder rückgängig zu machen — wäre für die SPD wichtig. Leider muss dafür vermutlich erstmal das Spitzenpersonal ausgewechselt werden.

       

      Müsste ich nicht die Spitze, sondern die Basis wählen, dann wäre die SPD für mich wählbar.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Arne Babenhauserheide:

        "Müsste ich nicht die Spitze, son dern die Basis wählen, dann wäre die SPD für mich wählbar."

        Soso, das ist mit allergrößter Vorsicht zu genießen, tummeln sich doch gerade an der Basis (= Orts- und Kreisgruppen) dieser Partei die alten unverbesserlichen Reaktionäre.