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Hamburger Genossenschaft denkt an ProfitDenkmalschutz mal so – mal so

Der Altonaer Spar- und Bauverein möchte einen Block aus den 30er-Jahren sanieren. Dabei schert er sich nicht um den Denkmalschutz. Mieter befürchten Verdrängung

Nicht alle Denkmäler sind so einfach als solche zu erkennen wie dieses hier. Foto: dpa

Hamburg taz | Denkmalschutz ist nicht unbedingt das, was man sieht. Manchmal gerade das Gegenteil. Diese Erfahrung macht der Altonaer Spar- und Bauverein (Altoba), eine Wohnungsbaugenossenschaft, gerade mit seinem „Reichardt-Block“ in Bahrenfeld.

Die Häuser, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört und wieder aufgebaut, sind lange nicht mehr grundlegend angefasst worden. Im vergangenen Jahr sah der Altoba dann plötzlich dringenden Sanierungsbedarf – so dringend, dass er Bauzäune vor die Westfassaden stellte und bei den Türen zu den Höfen die Schließzylinder austauschte. Wer in den Garten oder den Müll rausbringen will, muss seither um den halben Block laufen.

Die Besonderheit und Denkmalwürdigkeit der Westfassaden besteht darin, dass sie aus zwei Ziegelwänden mit einer Luftschicht dazwischen bestehen. Um sie zu stabilisieren, begann der Altoba den Zwischenraum mit Polyurethan auszuschäumen. Dafür gab es eine Baugenehmigung des Bezirksamts, aber kein Okay vom Denkmalschutzamt. „Wir dachten, die Dringlichkeit der Baumaßnahmen würde einen Beginn zulassen“, sagt Burkard Pawils, der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft.

Falsch gedacht: Das Denkmalschutzamt stoppte die Arbeiten. Die Genossenschaft klagte dagegen – und verlor in zwei Instanzen. Die Idee, aufgeständerte Balkone vor die Fassaden zu stellen, hat der Altoba inzwischen aufgegeben. Über den Weg der Fassadensanierung verhandelt er noch mit dem Denkmalschutzamt.

Beispiel für das Neue Bauen

Die 1928 bis 1931 errichtete Wohnanlage besteht eigentlich aus zwei U-förmigen Blöcken links und rechts der Reichardtstraße an der Ecke Bornkampsweg/Bahrenfelder Chaussee.

Als Beispiele des Neuen Bauens aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts stehen sie unter Denkmalschutz: schmucklose, aber wohl gegliederte Backsteinbauten mit Dächern und kleinen, funktionalen Wohnungen für Leute des unteren Mittelstands.

Manche der heutigen Nutzer, die allerdings nicht genannt werden wollen, befürchten, dass ein Großteil der Arbeiten als Modernisierung deklariert wird und die Kosten deshalb auf sie umgelegt werden könnten. Dadurch würde die „Nutzungsgebühr“ – die Miete der Genossenschaftsmitglieder – steigen.

Der Altoba hat angeboten, die Mieterhöhung in den ersten drei Jahren auf maximal 20 Prozent oder sieben Euro pro Quadratmeter zu begrenzen.

Einige Mieter befürchten, dass das reichen würde, um Mieter zu verdrängen – zumal auch die Bauarbeiten Genossen verschrecken würden. Damit werde der besondere soziale Charakter des Blocks zerstört.

Durch die Sanierung wäre die Fassade in ihre äußeren Erscheinung gar nicht verändert worden, sagt Altoba-Vorstand Pawils. „Man kann auf die Idee kommen, dass man dafür keine Genehmigung braucht.“ Die Denkmalschützer sehen das anders: „Das zweischalige Mauerwerk stellt eine bautechnische Besonderheit dar und gehört zu den wesensimmanenten Merkmalen dieses Baudenkmals“, finden sie. Zudem sei es ungewiss, ob die Methode überhaupt funktioniere. Ob es eine verträglichere Möglichkeit gibt, die Wand zu stabilisieren, soll jetzt gemeinsam geklärt werden.

Mit der Fassadensanierung hat die Genossenschaft auch einige ihrer Mitglieder auf die Palme gebracht, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen. Sie fühlten sich durch den Beginn der Arbeiten überrascht. Sie bezweifeln, dass das Ausschäumen die richtige Lösung ist; sie befürchten, dass der Schaum gesundheitsschädlich sein könnte und monieren, dass er keinen Raum mehr ließe für die Fledermäuse, die dort hausen. Über die Balkone waren sich die Bewohner uneins. Beim geplanten Ausbau der Dachböden zu Wohnungen seien sie nicht gefragt worden, bemängeln sie.

Nach einer ersten lebhaften Informationsveranstaltung begann die Genossenschaft, ihre Mitglieder ausführlich zu informieren. Der Polyurethanschaum sei „ein zugelassener Baustoff, der schon anderswo verwendet wird“, sagt Pawils. Der Altoba habe eine Zulassung dafür im Einzelfall. Es würden Vorkehrungen dafür getroffen, dass die Fledermäuse nicht in ihren Winterquartieren eingeschlossen würden und Nistkästen als Ausweichquartiere aufgehängt. Werner Smolnik, Fledermausexperte beim Hamburger Naturschutzbund, findet jedoch, die Tiere bräuchten mehr als eine Saison, um sich umzugewöhnen.

Die Aufstockung der Dachböden, um 80 neue Wohnungen zu schaffen, will das Denkmalschutzamt zulassen, obwohl auch sie die Fassade verändern würde. „In Abwägung mit anderen Interessen“, also dem vom Senat forcierten Wohnungsbau, könne sie hingenommen werden, sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde.

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