Wenig Personal im Ganztag: Pädagogische Luftnummer
Die Lernbedingungen in Bremer Ganztagsschulen sind schlechter als in anderen Bundesländern. Das ergab eine Bertelsmann-Studie
Mal wieder Tabellenletzter: Bremens Bildungspolitik. Und zwar in mehreren Kategorien eines Rankings über die zeitlichen und personellen Ressourcen, die Länder für Ganztagsbetreuung für ihre Schulen bereitstellen. Das geht aus einer gestern vorgestellten Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor.
Mit ihr sollen die bundesweiten Lernbedingungen vergleichbar werden für die 1,27 Millionen Schüler in gebundenen Ganztagsschulen, was in etwa jedem fünften Schüler in Deutschland entspricht (18 Prozent). In Bremen sind es überdurchschnittlich mehr, 33 Prozent nutzen das erweiterte Bildungsangebot.
Derzeit gebe es rund 6.300 solcher Ganztagsschulen in Deutschland – mit steigender Tendenz, haben die Bertelsmänner gezählt. „Der quantitative Ausbau ist aber nicht an einheitliche Qualitätsstandards gekoppelt“, erklärte die Stiftung. In der Stadtgemeinde Bremen sind derzeit 22 gebundene Ganztagsgrund- und drei Ganztags-Sek1-Schulen ausgewiesen.
In der rot-grünen Regierungsvereinbarung ist als prominentes Ziel formuliert: „Wir streben den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen im Grundschulbereich an“ und „wir verbessern die Personalausstattung der Schulen.“ Angesichts dessen scheint das Ergebnis der Studie ernüchternd. Die Zahl qualifizierter Pädagogen in der Ganztagsbetreuung variiert zwischen den 16 Bundesländern recht stark. Konstant schlecht sind die Zahlen an der Weser.
Klassen an Grundschulen erhielten bundesdurchschnittlich Personal für zwölf, in Bremen nur für drei zusätzliche Wochenstunden – im Saarland, ein ebenso armes Land wie Bremen, seien es knapp 32 Stunden. Hamburg, ebenso wie Bremen eine Stadtstaat, liegt im Bundesdurchschnitt. In der Sekundarstufe I ist Bremen laut Studie ebenfalls Schlusslicht: bundesweit würden fünf Wochenstunden über den Unterricht hinaus zum Lernen zu Verfügung gestellt. In Bremen sei es nur eine.
Auf eine solche Weise verkomme der Ausbau der Ganztagsschulen pädagogisch gesehen zur „Luftnummer“, kritisierte Dirk Zorn, mit dem Essener Erziehungswissenschaftler Klaus Klemm Autor der Studie. Ihr ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Länder gut 90 Prozent der zusätzlichen Lernzeit finanzieren, Bremen aus Landesmitteln gerade einmal 22 Prozent.
„In einer gebundenen Ganztagsschule, die 35 Stunden in der Woche abdeckt, stehen in Bremen pro Klassenverband vier Lehrer- und 16 Erzieherstunden zur Verfügung. Das ist in der Studie gar nicht berücksichtigt worden, dort wurden ausschließlich Lehrerstunden berücksichtigt. Im Saarland wurde dieses Personal miteinbezogen, insofern ist das Ranking fragwürdig“, heißt es dazu in Bremer Behörde.
Kristina Vogt, LinkenVorsitzende
„Der Senat sieht Ganztagsschulen als zentralen Baustein in seinem Konzept zur Armutsbekämpfung“, kommentierte die Vorsitzende der Linksfraktion Kristina Vogt. „Mit einem Ganztagsbetrieb in dieser schlechten Qualität kann das nicht gelingen.“ Ihrer Ansicht nach seien die Zahlen auch deswegen so schlecht, „weil hier der Ganztagsbetrieb nicht durch die Schulen, sondern durch externe Träger organisiert wird“. Diese würden aus Kostengründen „oft nur mit Honorarkräften und Übungsleitern arbeiten“. Für die Betreuungsqualität wäre es besser, das pädagogische Angebot mit fest angestelltem Fachpersonal zu Arbeitsbedingungen des städtischen Dienstes zu gewährleisten, so Vogt.
Dazu Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD): „Die Beschäftigungsstruktur ist historisch gewachsen.“ Ob sie sich nachteilig für die Beschäftigten auswirkt sei „nicht erwiesen“ und müsse „im Einzelnen überprüft werden“. Eine Übernahme von Personal könne zudem „nicht von heute auf morgen erfolgen“, so die Senatorin. Die Koalition werde 2016 und 2017 zusätzlich acht Ganztagsschulen einrichten, hob das Ressort hervor. Als Haushaltsnotlageland verfolge man das Ziel des flächendeckenden Ganztagsausbaus in kleinen Schritten.
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