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Schura-Vorstand in NiedersachsenMuslime verstören durch Demokratie

Dass die Schura-Vollversammlung einen neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt hat, bringt Niedersachsens Landesregierung aus dem Konzept

Liegt der Staatsvertrag auf Eis, muss die Bestattung nach muslimischem Ritus in Niedersachsen warten. Foto: Hauke Dittrich (dpa)

BREMEN taz | Zu Irritationen bei den Verhandlungen um den „Muslim-Staatsvertrag“ hat die turnusgemäße Neuwahl des Schura-Vorstandes in Niedersachsen geführt: „Die Landesregierung sieht Klärungsbedarf“, sagte ein Sprecher der Staatskanzlei zur taz. Um die 2013 aufgenommenen Verhandlungen über die Vereinbarung fortzuführen, müsse nun erst einmal festgestellt werden ob sich die Positionen des Partners verändert haben. Es sei daher „nicht zu erwarten, dass die Vereinbarungen kurzfristig unterzeichnet werden können“.

Tatsächlich liegt der Vertragsentwurf seit Februar unterschriftsreif vor, der wissenschaftliche Dienst des Landtags hat ihn bereits gecheckt: Was die Personalie daran ändern könnte, beantwortet die Regierung nicht. Das „Innehalten“ bedeute aber nicht, dass man vom Ziel abrücke.

Am Samstag war bei der Vollversammlung des „Landesverbands der Muslime in Niedersachsen“ – unter dieser Bezeichnung firmiert die Schura im Vereinsregister – nicht der langjährige Vorsitzende Avni Altiner in seinem Amt bestätigt worden. Stattdessen war bei der turnusgemäßen Wahl sein Herausforderer, der 45-jährige Ingenieur Recep Bilgen gewählt worden. Bilgen ist seit 2014 Geschäftsführer der Schura, also kein unbeschriebenes Blatt. Während Altiner aber Vertreter einer unabhängigen Einzel-Moschee ist, vertritt Bilgen die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) in der Schura.

Diese gilt als größte staatsunabhängige islamische Religionsgemeinschaft in Deutschland. Gleichwohl unterhält sie intensive Verbindungen zur türkischen Regierungspartei AKP. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz wurde in Niedersachsen 2014 eingestellt. Zugleich stehen IGMG-Vertreter an der Spitze sämtlicher Schuren in Deutschland, auch der in Hamburg, das bereits 2014 einen Staatsvertrag mit der Schura, der türkischen Religionsbehörde Ditib und der alevitischen Gemeinde geschlossen hat. Dieser Vertrag, den auch Bremen weitgehend übernommen hat, dient als Modell für den niedersächsischen Entwurf.

Dass Altiner nach zehnjähriger Amtszeit nicht erneut wiedergewählt wurde, kam für Insider nicht überraschend: „Einerseits ist er natürlich sehr respektiert, weil er das seit zehn Jahren macht“, hieß es, „die Kehrseite ist aber: Seit vollen zehn Jahren macht das immer er“. Zudem verfügt er eben über keine Hausmacht: Schon in der Aussprache bei der Vollversammlung sei Unbehagen an seiner Amtsführung artikuliert worden.

Altiner habe daraufhin angeboten, nur noch bis zur Vertragsunterzeichnung im Amt zu bleiben – und dann seinen Rücktritt zu erklären. Darauf hatte sich die Versammlung indes nicht einlassen wollen. Zwar hatte Bilgen seine Kampfkandidatur gegen Altiner nicht im Vorfeld angemeldet. „Anzeichen dafür, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, habe ich keine bemerkt“, sagte der Landtagsabgeordnete Belit Onay (Grüne) der taz.

Der Integrationspolitiker hatte bei der Vollversammlung ein Grußwort vorgetragen, wie auch die Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). Das Ergebnis einer Vorstandswahl „muss ich so hinnehmen“, sagte Onay. Natürlich müsse man sich an neue Verhandlungspartner erst gewöhnen. Aber „grundsätzlich in Frage gestellt“ werde dadurch der Vertrag nicht.

Die CDU sieht sich freilich in ihrer Ablehnung des Vertrags bestätigt: „Der plötzliche Rückzieher zeigt deutlich, dass diese Landesregierung mit den Verhandlungen überfordert ist“, ätzte der Fraktionsvorsitzende Björn Thümler. Er sei „gespannt, wie sich der Ministerpräsident den weiteren Dialog mit den Muslimen unter diesen Voraussetzungen vorstellt“.

Heute will Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Chefs der Landtagsfraktionen darüber informieren. Vorher wird es auch seitens von Ditib, dem zweiten an den Verhandlungen beteiligten muslimischen Dachverband, keine Stellungnahme geben. Weder Altiner noch Bilgen waren gestern zu einer Stellungnahme bereit.

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