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Kommentar AfD-ProgrammEin Echo aus dunkelster Zeit

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Religionsfreiheit in Europa ist ein Erbe der Aufklärung. Der antimuslimische Rassismus der AfD sollte nicht als „Islamkritik“ verharmlost werden.

Islam als Krankheit? Das Plakat eines Pegida-Anhängers ist an die Aufklärungskampagne gegen Aids angelehnt Foto: dpa

D ie Liste der Grausamkeiten ist lang. Die AfD spricht sich für ein Verbot von Minaretten und Muezzinrufen, von Kopftüchern an Schulen und von Ganzkörperschleiern aus. Sie will Koranschulen und Moscheen stärker kontrollieren und ihre Finanzierung aus dem Ausland untersagen – Auflagen, die keiner anderen Religionsgemeinschaft gemacht werden. Auch ein Verbot der rituellen Schlachtung und der Beschneidung von Kindern, wie sie im Islam und Judentum üblich sind, stehen bei ihrem Parteitag in Stuttgart zur Debatte.

Dass einige dieser Ideen schon von Politikern etablierter Parteien vorgebracht wurden, macht sie nicht besser. Umso notwendiger ist es, daran zu erinnern, dass die Religionsfreiheit in Europa ein Erbe der Aufklärung ist und nach Jahrhunderten von Religionskriegen erkämpft wurde. Auch säkulare Linke vergessen das manchmal gerne, insbesondere, wenn sie sich mit Religionen grundsätzlich schwertun. Selbst die Kanzlerin fühlte sich jetzt bemüßigt, angesichts der Forderungen der AfD an Artikel 4 des Grundgesetzes zu erinnern. Denn die Rechtspopulisten wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen, oder genauer: sie wollen eine andere Republik.

Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime hat recht, wenn er sich angesichts der Rhetorik des AfD-Vizes Alexander Gauland, der den Islam als „Fremdkörper“ bezeichnet, an dunkelste Zeiten der deutschen Geschichte erinnert fühlt. Zum ersten Mal seit der Nazi-Zeit gibt es in Deutschland wieder eine Partei, die eine religiöse Minderheit denunziert und die Religionsfreiheit einschränken will. Nichts an diesem Satz ist falsch.

Selbstverständlich sind Muslime heute nicht den Entrechtungen ausgesetzt, wie sie sich die Nazis mit ihren Nürnberger Rassegesetzen für die jüdischen Bürger ausdachten. Und ein Völkermord droht hierzulande auch nicht. Aber Rassismus beginnt nicht erst beim Völkermord. Es gibt viele Parallelen zwischen den heutigen Ressentiments gegen den Islam und dem Antisemitismus von einst. Der hat ja nicht erst 1933 begonnen, sondern eine lange Vorgeschichte.

Zwar sollte man es sich mit der AfD nicht zu leicht machen, indem man die AfD mit den Nazis gleichsetzt. Ihre Ideologie ist anderer Natur: sie verteidigen keine völkisch definierte, sondern eine kulturell imaginierte Volksgemeinschaft. Ihren Rassismus als „Islamkritik“ verharmlosen, wie es viele tun, sollte man aber auch nicht.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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7 Kommentare

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  • Was ist denn das für ein Mischmasch: Antimuslimischen Rassismus gibt es nicht. Rassismus macht sich immer an biologischen Merkmalen fest, nicht an sozialen oder weltanschaulichen.

    Sie verwechseln Religionskritik und Rassismus. Wie Lulu Schlawiner wünsche ich mir statt eines undifferenzierten Dogmatismus mehr kompetente Sachkunde und die klare Verwendung von Begrifflichkeiten.

  • Daniel Bax: "Die Liste der Grausamkeiten ist lang. [...] Auch ein Verbot der rituellen Schlachtung und der Beschneidung von Kindern, wie sie im Islam und Judentum üblich sind, stehen bei ihrem Parteitag in Stuttgart zur Debatte."

     

    § 1631d BGB ist ein verfassungswidriges Gesetz. Mich erstaunt, dass Herr Bax die Einhaltung der Verfassung als Grausamkeit einstuft.

  • "Verbot [...] der Beschneidung von Kindern"

     

    Die "Beschneidung" von Mädchen ist ja bereits verboten. Das soll nicht heißen, daß es im Islam Praxis wäre, aber warum steht hier eigentlich "Kinder"?

     

    Die "Beschneidung" von Jungen wird hoffentlich bald folgen. Leider schaden Populisten wie die AfD diesem Anliegen, so wie die AfD vermutlich jedem ernsthaften Anliegen schadet, das sie sich zueigen macht.

  • 1G
    10391 (Profil gelöscht)

    Als Atheist und einer "mit Religionen grundsätzlich schwertut " fühle ich mich mit Muezzingesängen wie Glocken Gebimmel nur mehr als belästigt und die Beschneidung von kleinen Jungen zur Ehrung einer imaginären "Gottheit" ist einfach nur Körperverletzung. Die Linke sollte sich vielleicht mal an ihre säkularen Inhalte und Wurzeln erinnern als Religionsgehirnwäscheren alle ( Schul )Türen zu öffnen.

  • Danke für diesen unaufgeregten und sachlichen Kommentar. Der gestrige von Herrn Hillenbrand lag so daneben, wie es der Titel schon vorgab: "inhaltlich blödsinnig".

  • "antimuslimische Rassismus" was ist das? Die Begrifflichkeiten durcheinanderwürfeln macht die Sache nicht besser, sondern eher unglaubwürdiger und manipulativer. Rassismus differenziert, diskrimminiert Menschen aufgrund ihrer angeborenen biologischen Merkmale, die äußerlich wahrnehmbar sind. Eine politische, weltanschauliche, religiöse Differenzierung, Diskrimminierung hat damit nichts zu tun, nichts. Einfach mal starke Worte benutzen, die Emotionen hervorrufen, nennt man manipulieren. Ich möchte das nicht. Ich möchte Sachkundigkeit in einer Zeitung finden. Danke

  • Wenn man AfD mit "Ausgrenzung fixt Deutschland" übersetzt, dann sieht man die menschliche Existenz, wie sie bei Rudeln im Tierreich existiert.

    Angst schürt Gewalt gegen die Anderen, auch gegen die, welche zu Sündenböcken abgestempelt werden. Mit AfD sind Pegida, Front National, UKIP, PVV, FPö etc im Sumpf dabei, aus dem die rechten Gase aufsteigen

    Das ist wirklich p r i m i t i v und gefährlich. Es hat viel mit dem unvergessenen Kollaps Europas nach dem 1. Weltkrieg gemeinsam.