piwik no script img

Vom Unternehmersöhnchen zum Kriegsverbrecher

Porträt Jean-Pierre Bembas bemerkenswerte Karriere spiegelt die Wirren des gesamtafrikanischen Kongokriegs wider

Jean-Pierre Bemba (r.) mit seinem Verteidiger Foto: Peter Dejong/reuters

BERLIN taz | Ein klassischer War­lord war Jean-Pierre Bemba überhaupt nicht, als er mitten in den Wirren des Kongokriegs Ende 1998 urplötzlich in Erscheinung trat – als Führer der Rebellenbewegung „Mouvement de Libération du Congo“ (MLC, Kongolesische Befreiungsbewegung). Der damals 36-jährige Sohn des schwerreichen Jeannot Bemba Saolona, eines der wohl einflussreichsten und wohlhabendsten Geschäftsleute der Mobutu-Ära im einstigen Zaire, war zuvor höchstens als Chef einer Fluglinie bekannt.

Über militärische Erfahrung oder politisches Gewicht verfügte Bemba nicht, aber über Geld. Damit kam er der Regierung Ugandas gerade recht, die in dieser Zeit dringend einen Partner brauchte, um im gesamtafrikanischen Machtpoker um den Kongo mitzuspielen.

Der rundliche Hüne stammt wie der ein Jahr zuvor gestürzte Diktator Mobutu aus Kongos Nordwestprovinz Équateur. Die dortige Bevölkerung bejubelte ihn als Befreier. Schnell eroberte die MLC das nördliche Drittel des Kongo.

Ihren Sitz hatte sie in Gbadolite, Mobutus einstigem Urwaldpalast nahe der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik. Deren flussabwärts gelegene Hauptstadt Bangui, direkt an der Grenze, wurde zum faktischen Umschlagplatz für Bembas Geschäfte, von Tropenholz bis zu Diamanten.

Der dortige glücklose Präsident Ange-Félix Patassé war für diesen neuen Freund sehr dankbar, als er sich ab 2002 gegen seinen eigenen rebellierenden Armeechef Francois Bozizé wehren musste. Bozizé gewann diesen Krieg im März 2003, aber das Eingreifen der kampferfahrenen MLC-Soldaten auf Seiten Patassés verzögerte das sicherlich um ein paar Monate.

Derweil schlossen Kongos Kriegsparteien Frieden. Bemba wurde 2003 der mächtigste von vier Vizepräsidenten unter Präsident Joseph Kabila.

Bei den ersten freien Wahlen im Kongo 2006 war Bemba Kabilas stärkster Herausforderer. Er punktete mit Nationalstolz, sein Symbol war die fleißige Ameise, seine Parole: „Mit Gott werden wir siegen“. Damit kam er in die Stichwahl, die er mit 42 Prozent ehrenvoll verlor.

Aber Verlierer können im Kongo keine Gnade erwarten. Im März 2007 kam es mitten in Kinshasa zum Krieg zwischen Kabilas Präsidialgarde und Bembas Soldaten. Viele Bemba-Leute wurden massakriert, er selbst flüchtete nach Portugal. Als er 2008 nach Belgien reiste, wurde er auf Grundlage eines geheimen Haftbefehls des Internationalen Gerichtshofs festgenommen und nach Den Haag überstellt.

Kidnapping auf Geheiß Kabilas war das, sagen seine Anhänger seitdem. Bis heute fühlen sie sich als Opfer eines Komplotts. Denn alles, was das Weltgericht Bemba vorwirft, haben alle anderen im Kongo auch gemacht. Dominic Johnson

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen