piwik no script img

Geheime Fan-Datei ist illegal

AUFGEDECKT Oberster Datenschützer Johannes Caspar rügt Rechtsverstöße bei der Polizeidatei „Gruppen- und Szenegewalt“ und klagt über eine „Krise des Datenschutzes“

von MARCO CARINI

Was für eine Klatsche für die Polizei. Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar hat die von ihr geführte Fan-Datei, in der vor allem gewaltbereite Fußball-Anhänger des HSV und des FC St. Pauli registriert sind, für „zum Großteil rechtswidrig“ erklärt. Caspar wirft der Polizei die „Vernachlässigung grundlegender datenschutzrechtlicher Anforderungen“ und ein „Ausmaß der Speicherung“ vor, das „nicht akzeptabel“ sei.

Caspar monierte zudem, dass nicht nur möglicherweise gewaltbereite Fußballfans, sondern auch deren „Kontakt- und Begleitpersonen“ in großem Maßstab gespeichert wurden. Zudem wurde „die gesetzlich festgelegte Speicherdauer“ vielfach „überschritten“ und bei vielen registrierten Personen habe „die Erforderlichkeit der Speicherung nicht positiv festgestellt werden“ können. Im Klartext: Fast alles an der Hamburger Fußball-Datei ist nach Auffassung des obersten Datenschützers extrem rechtswidrig.

Ausmaß der Speicherung„nicht akzeptabel“

Caspar sprach in diesem Zusammenhang von einer „Krise des Datenschutzes in Hamburg“, da sein Amt aufgrund der unzureichenden „personellen Ausstattung nicht mehr in der Lage“ sei, seine „Aufgaben in angemessener Weise durchzuführen.“ Die Fan-Datei war zwar 2006 unter Einbeziehung des Datenschutzbeauftragten eingerichtet, dann aber offenbar nie wieder von ihm kontrolliert worden.

Hamburgs neuer Innensenator Andy Grote (SPD) sprach deshalb von einem „schwerwiegenden Vorgang“ und zog Konsequenzen: Er forderte die Polizei nicht nur auf, die Defizite in dieser, aber auch in vergleichbaren Dateien zu beseitigen, sondern vereinbarte zugleich mit dem Polizeipräsidenten Ralf Meyer die Bestellung eines eigenen Datenschutzbeauftragten der Hamburger Polizei.

Erst Mitte Januar war durch eine parlamentarische Anfrage der Linken die Existenz der Datei „Gruppen- und Szenegewalt“, die seit 2006 geführt wurde, überhaupt bekannt geworden. 2014 war die Existenz einer eigenen Hamburger Fan-Datei, die parallel zur bundesweit geführten „Datei Gewalttäter Sport“ angelegt wurde, von der Polizei noch geleugnet worden. 900 der in der Datei gespeicherten 2.170 Personen wurden jetzt auf Intervention des Datenschutzbeauftragten gelöscht, wobei sich die Polizei laut Caspar sehr „kooperativ gezeigt“ und sogar angedeutet habe, dass die Datei „nicht mehr benötigt“ werde.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken, Christiane Schneider, fordert so auch die „komplette Löschung“ der Datei. Die „schwerwiegenden Verstöße gegen Datenschutzregelungen“ über fast zehn Jahre offenbarten „einen höchst fragwürdigen Umgang der Polizei mit Grundrechten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen