Kolumne Kulturbeutel: Mord im Rückraum
Doping, Asse und Millionengagen: Handball- und Tenniskrimis sind ein todsicherer Tipp, wenn Sie genau jetzt einen Roman schreiben wollen.
Klar waren diejenigen, die dabei waren, zunächst einmal entsetzt. Man sieht schließlich nicht jeden Tag jemanden sterben. Aber nach ein paar Minuten im Schockzustand waren am Rande des Tennisplatzes auch ein paar beinahe schon erleichterte Seufzer zu vernehmen.
Er habe sich das doch immer gewünscht, sagte eine seiner Mixed-Partnerinnen. Und eine andere sagte, so wolle sie auch einmal sterben, einfach auf dem Tennisplatz zusammenbrechen und Schluss. Sie könne sich keinen schöneren Tod vorstellen. Bei dieser Meinung ist sie geblieben, auch nachdem die Kriminalpolizei ermittelt hatte, dass es sich keineswegs um einen tödlichen Herzinfarkt, sondern um einen feigen Mord gehandelt hat.
Nach Angelique Kerbers Erfolg bei den Australian Open stoßen die Krimischreiber dieses Landes endlich in neue Sphären vor. Nachdem sich die Regionalkrimis ein wenig totgelaufen haben, weil in den Regionen, in denen sie spielen, längst mehr Menschen umgebracht worden sind, als dort je gelebt haben, drängen nun die Sportartenkrimis auf den Plan. Dem Tenniskrimi werden nach Kerbers Sieg dabei ebenso große Chancen eingeräumt wie neuerdings dem Handballkrimi.
Ein Vater, der für nichts anderes lebt als für seine Karriere und die Tenniskarriere seiner Tochter, mag in einem Roman wie „Quasikristalle“ von Eva Menasse eine nicht weiter zu beachtende Nebenfigur sein, in einem Sportartenkrimi kann sie in all ihren Abgründen (Liebe und Missbrauch, Jubel und Missgunst) richtig durchleuchtet werden, auch wenn es am Ende doch der Trainer war, dem der Vater von Anfang an mit Misstrauen begegnet ist. Dass der mit dieser Bande von zwielichtigen Typen, die nichts anderes tun, als den Tag über die richtige Wette für das nächste Match zu philosophieren, unter einer Decke steckt, das mögen sich die Leser zwar von der ersten Seite an gedacht haben, aber das schadet der Geschichte um Drogen, Asse, Rückhand und Millionengagen keineswegs.
Da müssen sich die Autoren, die sich vorgenommen haben, das Genre des Handballromans zu begründen, schon arg nach der Decke strecken, wollen sie da mithalten. Der Europameistertitel der deutschen Männer mag ihnen da Rückenwind geben, doch auf die guten Geschichten müssen sie schon selber kommen. Seien wir gespannt auf den Fall des jungen Überraschungseuropameisters, der kurz nach dem größten Triumph seines Teams tot in seinem Hotelzimmer gefunden wird. Drogen? Doping? Oder war es der plötzliche Herztod, der schon andere Leistungssportler das Leben gekostet hat?
Dass die Ermittlungen, des verrenteten, unehrenhaft entlassenen oder auf irgendeine andere Weise zum Privatdetektiv gewordenen Lebemanns und Frauenverstehers, der sich des Falls angenommen hat, dann auch noch eine Verbindung zur russlanddeutschen Community, aus welcher der junge Handballer stammt, zutage gefördert haben, das macht den Handballkrimi zu einem echten Leseerlebnis für all jene, die sich bislang vor allem für Morde in der Eifel, der Rhön, den bayerischen Voralpen oder dem Weserbergland interessiert haben. Dass die tödlich präparierte Voltarentablette, die der Athlet in der Pause den EM-Finales eingeworfen hat, von der von ihm verlassenen Apothekenhelferin in seinen Kulturbeutel gelegt wurde, gibt der Geschichte noch die persönliche Note, die es für einen Verkaufserfolg und eine Erwähnung im Kundenmagazin der Deutschen Bahn braucht.
Krimiautoren des Landes, nutzt die Gunst der Stunde! Schreibt über Mord und Totschlag zwischen Assen, Returns, Breaks und Longlinewinnern, lasst die Leser zwischen Siebenmetern, Rückraumriesen und Mittelblockern zu Ermittlern werden!
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