Taktisch kluge Investition

Pro

von Bert Schulz

Sollen die Hort-gebühren abgeschafft werden?

Es ist längst Wahlkampf in Berlin, und da machen die wählerwerbenden Parteien gerne mal seltsame, abstruse, unrealistische Versprechungen. Die Idee der SPD, nach der Kita auch die Horte an den Schulen kostenlos für alle zu machen, gehört nicht dazu. Der Vorstoß ist nur logisch.

Er passt in das Kalkül von Fraktionschef Raed Saleh, bildungspolitsche Akzente zu setzen, die sich dem Wähler einfach erschließen. Die Formel „XY kostet fortan nichts mehr“ ist so eine. Noch dazu erreicht Saleh zwei wichtige Klientelen: einkommensschwache, bisweilen bildungsferne Familien, die tatsächlich mehr Unterstützung brauchen. Und die Mittelschicht, die das zwar nicht unbedingt nötig hat, aber in der Vergangenheit dazu tendierte, eher Grüne oder CDU zu wählen.

Das Land Berlin ist derzeit netterweise in der Lage, Geld zu verteilen. Und auch wenn es nicht leichtfällt, nach Jahren des quietschenden Sparens den folgenden Satz zu schreiben: Berlin tut gut daran, das auch zu tun. Wenn es, wie im Fall der Horte, im Bereich der Bildung und des Arbeitsmarkts (wozu die Kinderbetreuung ja auch gehört) passiert, ist das eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Ganz nebenbei wird die völlig überlastete Verwaltung der Bezirke entlastet, weil die Anträge der Eltern und deren Prüfung entfallen. Was wiederum allen Berlinern zugute kommt.

Natürlich kann man Geld immer auch anders investieren. Aber aus der Kritik an der SPD-Idee spricht nicht zuletzt der Neid der Opposition, das derzeit nicht selbst in der Hand zu haben, und der CDU, nicht selbst auf diese Idee gekommen zu sein.

Sinnvoll wie ein kratziger Wollpulli

Contra

von Anna Klöpper

Sollen die Hortgebühren abgeschafft werden?

Mit der SPD-Forderung nach dem Gratis-Hort verhält es sich in etwa so wie mit einem zwar hübsch verpackten, aber kratzigen Wollpullover: Was als Geschenk daherkommt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ziemlich unbrauchbar.

Sicher, es klingt gut, wenn sich einer zum Robin Hood der Geringverdiener und des Mittelstands aufschwingt, wie Fraktionschef Raed Saleh es nun tut. Und sicher könnte man zu dem Schluss kommen, dass 110 Euro Elternanteil an den Betreuungsgebühren für einen Mittelstandshaushalt zu viel sind und man deshalb an der sozialen Staffelung der Beiträge noch ein bisschen herumschrauben möchte.

Sicher kann man aber auch sagen: Dass nun auch die besser Verdienenden pauschal gar nichts mehr zahlen sollen, ist ungefähr das Gegenteil von dem „sozialdemokratischen Anspruch“, auf den Saleh in seiner Rede auf der Fraktionsklausur am Wochenende verwies. Denn natürlich ist der Gratis-Hort nicht wirklich gratis – die ErzieherInnen müssen ja weiterhin bezahlt werden.

Die Rechnung wird jetzt einfach an eine neue Adresse zugestellt: Die fehlenden Millionen durch die wegfallenden Elternbeiträge kommen dann eben aus dem Landeshaushalt, sprich: aus Steuermitteln. Letztlich zahlen also doch wieder alle – für eine „ergänzende Förderung und Betreuung“ (wie der Hort offiziell heißt), die ihren Namen nicht immer verdient. „Aufbewahrung“ treffe es da schon eher, seufzen überlastete ErzieherInnen immer wieder. Aber Millionen für mehr Fachkräfte, einen besseren Betreuungsschlüssel – knallt halt nicht so gut im nahenden Wahlkampf.

Nun bleibt abzuwarten, ob die SPD den kratzigen Woll-pullover tatsächlich mit ins offizielle Wahlprogramm aufnimmt. Robin Hood, Herr Saleh, hätte das mit Sicherheit nicht gewollt.