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Kommentar Dänemarks AsylpolitikEheringe zur Abschreckung

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Der dänischen Regierung geht es nicht um Geld oder Schmuck, sondern allein um Abwehr. Darin ist sie ein Vorbild für andere Regierungen.

Klappt: Dänemark möchte nicht aufnahmebereit wirken. Foto: dpa

E s sei der „am meisten missverstandene Gesetzesvorschlag Dänemarks“, klagte Ministerpräsident Løkke Rasmussen. Tatsächlich war das „Schmuckgesetz“, das einige Medien zum Vergleich mit Nazimethoden veranlasst hatte, schon vor seiner parlamentarischen Behandlung am Dienstag von allen dänischen Asylverschärfungen diejenige gewesen, die international die größte Aufmerksamkeit erregte. Und das war durchaus Kalkül.

Bei jedem weiteren empörten Bericht, Dänemark wolle Asylsuchenden nicht nur Geld, sondern auch Schmuck und womöglich Eheringe und Handys abnehmen, dürfte sich Migrationsministerin Inger Støjberg zufrieden die Hände gerieben haben.

Natürlich geht es Kopenhagen nicht um Geld oder Schmuck, sondern allein um Abschreckung. Die Furcht, sich an der Grenze erst einmal einer Leibesvisitation unterziehen zu müssen und regelrecht ausgeplündert zu werden, soll Flüchtlinge davon abhalten, Dänemark überhaupt als Asylland in Erwägung zu ziehen.

Die von Støjberg auch im EU-Parlament wiederholte Klage, man sei „missverstanden“ worden, ist nichts als Theater. Die Symbolpolitik von Regierung und Parlamentsmehrheit zielt darauf ab, genau so verstanden zu werden: bloß nicht Gefahr laufen, den Spitzenplatz als Land mit der schärfsten Asylgesetzgebung in Zweifel ziehen lassen.

Die „Schmuckdebatte“ lenkt darüber hinaus von den wirklich substanziellen Asylrechtsverschärfungen ab. Beispielsweise von den Erschwernissen bei der Familienzusammenführung, die gegen die Menschenrechtscharta verstoßen. Dänemark wurde zwar vor das Europäische Parlament zitiert, bekam aber dort von der Großen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten kaum Kritik zu hören. Und das hat einen offensichtlichen Grund: Viel von dem, was Dänemark in den letzten Jahren vormachte, haben sich mittlerweile andere Regierungen zum Vorbild genommen.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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6 Kommentare

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  • Wie viele kämpfe ich für ein liberaleres Asylrecht, aber ehe wir uns als Lehrmeister der Dänen aufschwingen, sollten wir uns um unsere Rechtsordnung kümmern. Die Lage überfordert den Rechtstaat aber die Realität des Rechtstaates ist drakonisch, und wir sind nicht in geordneten Verhältnissen. Auch in Deutschland gibt es aktuell noch keine ausreichende Rechtsgrundlage für die aktuelle Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Formaljuristisch ist die Einreise nicht erlaubt und wir befinden uns im Verfassungsnotstand, Nach GG Artikel 16a und die entsprechenden ausführenden Gesetze ist glasklar, dass die Einreisenden nicht asylberechtigt sind und nach Rechtslage abzuschieben sind. Österreich zum Beispiel ist ein sicherer Drittstaat, und es gibt keinen Grund nach Deutschland weiter einzureisen. Das gilt dann erst Recht für Dänemark.

     

    Soll man die Grenzen verschließen? Ich finde das nicht richtig. Aber es muss an die Fluchtursachen heran gegangen werden, und Verfassung, Recht und Praxis wieder im Einklang stehen. Derzeit spricht die Praxis der Rechtslage Hohn bzw. ist die Rechtslage nicht adäquat für die aktuelle Situation.

    • @Ansgar Reb:

      Jaja, Asylrechteinschrenkung durch "sichere Drittstaaten". Wer weiss noch, dass wir dies zumindest zu einem guten Teil Stoiber zu verdanken haben? Traue einfach keinem Gesetz, an dem die CSU mitgewirkt hat. Verlasse Dich sowieso nicht auf Gesetze. Ihre Anwendung heißt in letzter Konsequenz, dass wir Flüchtlinge ersaufen lassen müssen. Aber Deutschen zu erklären, dass man auf Gesetze im Zweifelsfall auch mal scheissen muss, ist auch im 21 Jh. noch knifflig. Naja, bis Mitte des 20. Jh. war es ja unmöglich...

    • @Ansgar Reb:

      Liebe® Ansgar, neben dem deutschen Recht gehört dieses Land auch zur EU, wie zu UN. Das Genfer Flüchtlingsabkommen wurde schon vor mehr 65 Jahren von Deutschland selbstverpflichtend unterschrieben, und diese ist durchaus mehr im Einklang mit der derzeitigen Situation, als ihr Verweis auf das Grundgesetz glauben machen möchte...!

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Ansgar Reb:

      "Nach GG Artikel 16a und die entsprechenden ausführenden Gesetze ist glasklar, dass die Einreisenden nicht asylberechtigt sind und nach Rechtslage abzuschieben sind."

       

      Das ist überhaupt nicht klar.

      • @889 (Profil gelöscht):

        Sie haben völlig recht: Klar ist etwas anderes.

         

        Absatz 2 des erwähnten Paragraphen bestimmt nämlich, dass sich nur derjenige NICHT auf sein Asylrecht berufen kann, der "aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften […] einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist". Die Anwendung genau dieser UN-Konvention aber ist derzeit nirgendwo mehr gewährleistet in der EU. In deren Artikel 14 heißt es schließlich ebenfalls: "Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen." Nur Verbrecher, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen haben, sind von diesem Recht ausdrücklich ausgenommen. Das hat leider die meisten EU-Staaten nicht daran gehindert, erst gar kein Asylgesetz zu verabschieden. Ein Recht, das mensch nicht hat, sucht er/sie/es schließlich vergeblich.

         

        Übrigens: Artikel 4 des Protokolls Nr. 4 zur Europäischen Menschenrechtskonvention regelt das "Verbot der Kollektivausweisung von Ausländern einschließlich der Staatenlosen“. Aber der EU ist das eigene Recht ganz offensichtlich ganz genau so gleichgültig, wie die allgemeinen Menschenrechte.

        • @mowgli:

          Es ist in der Tat rechtlich höchst interessant, nur sind Einreisende aus Österreich natürlich keine Flüchtlinge im Sinne der UN Flüchtlingskonvention. Aus dem Flüchtlingsstatus im Aufnahmeland folgt keine Freizügigkeit durch sämtliche Vertragsstaaten der UN Konvention.

           

          "Die in Anwendung der Vereinbarungen vom 12. Mai 1926 und 30. Juni 1928 oder in Anwendung der Abkommen vom 28. Oktober 1933 und 10. Februar 1938 und des Protokolls vom 14. September 1939 oder in Anwendung der Verfassung der

          Internationalen Flüchtlingsorganisation als Flüchtling gilt. "

           

          Im übrigen unterscheidet die Flüchtlingskonvention zwischen der rechtmäßigen und der unrechtmäßigen Einreise.

           

          Artikel 33 etwa bestimmt "Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde."

           

          Niemand ist in Österreich bedroht, niemand muss von Deutschland nach Dänemark flüchten. Insofern geht die Abschottung der Dänen formal in Ordnung.