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Bankenunion und Euro-ReformMerkel blockt ab

Deutschland zwingt die EU zu einer neuen Bankensanierung. Das sorgt für Ärger in Rom und im EU-Parlament.

Die italienische Bankenkrise hat auch Kleinsparer um ihr Geld gebracht. Foto: reuters

Brüssel taz | Das war es wohl mit den Lehren aus der Eurokrise. Die Währungsunion wird vorläufig nicht sozialer und demokratischer. Ein von Kommissionschef Jean-Claude Juncker und vier weiteren EU-Präsidenten vorgelegter Reformbericht wurde auf Eis gelegt, wie die taz in Brüssel erfuhr. Stattdessen kommt Juncker der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach, sich zunächst um die Sanierung von pleitegefährdeten Banken zu kümmern.

Dies sorgt nun für Streit. Italien etwa sieht sich als Opfer einer „deutschen Agenda“. Auch das Europaparlament ist empört.

Die Vertagung sei ein Skandal und „ökonomisch gefährlich“, kritisiert der grüne Finanzexperte Sven Giegold. „Europa spricht deutsch“, sagt sein Kollege Fabio De Masi von den Linken. Es bleibe abzuwarten, ob Berlin nur pokere oder „die fünf Präsidenten erledigen will“.

Ursprünglich wollte die EU 2016 lange versprochene Reformen der Eurozone angehen, die Krisen wie in Griechenland künftig ausschließen sollen. Unter anderem soll sich die Eurozone mehr um wirtschaftliche Konvergenz und sozialen Zusammenhalt kümmern und die demokratische Rechenschaftspflicht stärken.

So steht es im „Fünf-Präsidenten-Bericht“, den Juncker zusammen mit den Chefs der Eurogruppe, der Europäischen Zentralbank, des Rats und des Europaparlaments verfasst hat. Doch beim EU-Gipfel im Dezember verhinderte Merkel, dass der Bericht angenommen wurde, berichten EU-Diplomaten nun.

„Ein Begräbnis erster Klasse“

Der Bericht sei „nicht einmal willkommen geheißen“ worden, sagt ein Diplomat. Alle großen Reformen wurden auf Ende 2017 verschoben – wenn Frankreich und Deutschland gewählt haben. „Dies ist ein Begräbnis erster Klasse“, so Giegold.

Statt für eine soziale und demokratische Währungsunion setzt sich Brüssel nun für die Sanierung von wackligen Banken ein - auf deutschen Druck. Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble haben sie zur Bedingung für die geplante Vollendung der Bankenunion und die Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung gemacht.

Beim letzten Treffen der EU-Finanzminister am Freitag in Brüssel kam es deshalb zum Eklat. Italien blockierte einen Vorstoß Schäubles, einige Milliarden Euro für die Lösung der Flüchtlingskrise freizugeben. Premier Matteo Renzi sei stinksauer, dass die EU-Kommission der „deutschen Agenda“ folge, hieß es.

Der Hintergrund ist brisant: Italien leidet bereits jetzt unter einer Bankenkrise. Ende 2015 verloren 130.000 Aktionäre und etwa 12.500 Anleihegläubiger fast 750 Millionen Euro. Auch Kleinsparer waren betroffen, ein verzweifelter Rentner nahm sich das Leben.

Seither ist man in Italien nicht mehr gut auf Juncker zu sprechen - und auf Merkel auch nicht. Die Blockade bei Bankenunion und Euro-Reform macht die Sache nicht besser.

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5 Kommentare

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  • Mit Europa wird nun das gemacht, was der Westen schon seit Jahrzehnten mit der sog. dritten Welt gemacht hat und macht.

    Die USA und die EU subventionieren ihre Landwirtschaft mit etwa 1 Milliarde Dollar pro Tag. Würden die reichen Länder diese Eingriffe in den „freien Markt“ abbauen, könnten die Entwicklungsländer ihre Agrarexporte um mehr als 20 Prozent und das Einkommen der ländlichen Bevölkerung um etwa 60 Milliarden Dollar pro Jahr erhöhen – ein Betrag, der größer ist als die gesamte Entwicklungshilfe der EU. Hinzu kommen Einfuhrbeschränkungen und andere Hürden, durch die die EU und die USA ihre Märkte gegen Importe aus Entwicklungsländern abschotten. Zugleich wird armen Nationen das Recht genommen, ihre Wirtschaft selbst zu gestalten. Die armen Länder müssen sich der „Marktdisziplin“ unterwerfen und ihre Märkte für transnationale Konzerne öffnen, für die sie dann ein Reservoir billiger Arbeitskräfte und Rohmaterialien werden, die reichen Länder betreiben Protektionismus. So sieht die Realität des „freien Marktes“ aus.

     

    Jean Ziegler, der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, stellt dazu fest:

     

    „Der deutsche Faschismus brauchte sechs Kriegsjahre, um 56 Millionen Menschen umzubringen – die neoliberale Wirtschaftsordnung schafft das locker in gut einem Jahr.“

  • Dieses Thema spielt in der deutschen Berichterstattung leider kaum eine Rolle. Dabei wird es das Leben der Menschen stark beeinflussen:

     

    Steuergeld wird wieder einmal zur Rettung von Vermögen verwendet. Die Lebensbedingungen der einfachen Menschen werden sich verschlechtern. Vor allem im Süden Europas, aber auch in Deutschland, denn es gibt ja Standortkonkurrenz.

    • @Eike:

      Kommentar entfernt. Bitte kennzeichnen Sie Ironie ausreichend.

  • Hallo Frau Merkel, mit wie vielen Marine Le Pens wollen Sie denn in Europa in der Zukunft zusammenarbeiten? Wenn sich die wirtschaftlich stärkste Macht der Eurozone und der Europäischen Union derart nationalistisch verhält wie Sie das immer wieder vorexerzieren, dann kann ich es den anderen nicht mehr verdenken, wenn sie sich ebenfalls dem Nationalismus zuwenden. Das stimmt mich traurig, denn die Europäische Gemeinschaft wurde gegründet, um nationale Egoismen zu überwinden und immer weiter zusammenzuwachsen.

     

    Die ökonomische Ungleichheit wächst immer mehr, und sozioökonomische Studien haben klar gezeigt, dass die Menschen in egalitären Gesellschaften toleranter sind als in solchen mit einer großen ökonomischen Schieflage (Pickett/Wilkinson, Gleichheit ist Glück). In den letzten zehn bis zwanzig Jahren ist die Schere zwischen Arm und Reich auch hier sehr stark aufgegangen, und jetzt wundern wir uns über die Erfolge von AfD und Pegida. Warum eigentlich?

     

    Wollen Sie wirklich, dass die EU scheitert? Ist das wirklich Ihr Ziel? Wenn ja: Nur weiter so. Meine Kanzlerin sind Sie dann nicht. Wenn Sie Europa aber retten wollen, dann müssen Sie sich für eine Umfairteilung des Reichtums einsetzen: Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, ein deutlich höherer Spitzensteuersatz, endlich wieder eine angemessene Besteuerung von Kapitalerträgen. Dieses Geld ist in eine gute Bildung für alle gut investiert, weil diese die ökonomischen Chancen der verschiedenen Menschengruppen einander annähert. Auch ein Leben in Würde für die, die nicht arbeiten können, weil sie krank sind oder keine Arbeit finden, trägt zum sozialen Frieden einer Gesellschaft bei. Wollen Sie das: Frieden? Oder wollen Sie ein Scheitern der EU am Ende auf dem Gewissen haben?

    • @Smaragd:

      Das Problem ist, dass sie und ihr schwäbischer Erbsenzähler so von der "Stärke" Deutschlands überzeugt sind, dass sie nicht sehen, wie sie die EU zerstören. Sie glauben wirklich, dass die derzeitige, recht gute Situation ihrer Politik zu verdanken ist und dieses "Modell" sich auf ganz Europa übertragen lässt. Dabei geht es D trotz Merkel gut. Nicht wegen ihrer Politik. Und das "gut gehen" bezieht sich hauptsächlich auf die Wirtschaft und den Bundeshaushalt (mit Einschränkungen). Große Teile der Bevölkerung haben nichts davon. Das aber sieht die "Regierung" nicht oder will es nicht sehen.