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Kommentar Terrorwarnung in MünchenDen Bahnhof sperren und weiterfeiern

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Die Bilder von Antiterroreinheiten liefern der CSU Stoff: Müssen wir die Grenze für Menschen mit ungeklärter Identität schließen? Nein.

Regenwetter und Feuerwerkreste auf Münchens Straßen. Foto: dpa

D as klingt nach Chaos: Die Münchner Polizei erhält Namen potenzieller Attentäter, tippt sie in den Computer ein und findet – nichts. Ob sich die Terroristen in Deutschland aufhalten oder nicht, ob sie jemals hier waren oder vielleicht gar nicht existieren, kann sie nicht sagen.

Für die CSU ist das eine gute Nachricht. Auf der Tagesordnung ihrer Klausur in Wildbad Kreuth in der kommenden Woche steht ohnehin ein Hardliner-Beschluss: Flüchtlinge ohne gültige Papiere will sie nicht mehr über die Grenze reinlassen. Die Bilder von Anti-Terror-Einheiten am Münchner Hauptbahnhof liefern Seehofer und Co nun zusätzliche Munition: Warnen sie nicht seit Wochen, dass sich Terroristen unter die Flüchtlinge mischen könnten? Brauchen wir keinen besseren Überblick über Iraker und Syrer in Deutschland? Müssen wir die Grenze für Menschen mit ungeklärter Identität nicht endlich dicht machen?

Nun, eigentlich nicht.

Erstens reisen Terroristen nicht zwingend ohne Dokumente. Vor Weihnachten meldeten die Behörden, dass der IS syrische Blanko-Pässe erbeutet habe. Wenn er will, kann er seine Leute also mit perfekt gefälschten Papieren nach Europa schicken. Dass potenzielle Attentäter über die Grenze kommen, kann die CSU mit ihrem Vorschlag nicht verhindern.

Ein Fehlalarm?

Zweitens geben sich Terroristen nicht zwingend als Flüchtlinge aus. Die meisten der Attentäter von Paris waren französische und belgische Staatsbürger. Dass Deutsche in Deutschland Anschläge verüben, kann die CSU mit ihrem Vorschlag ebenfalls nicht verhindern.

Drittens, und das nur zur Erinnerung: In München ist nichts passiert. Es ist gut möglich, dass die Polizei durch ihren Einsatz einen Anschlag verhinderte. Es ist aber ebenso gut möglich, dass die Behörden auf einen Fehlalarm hereingefallen sind.

Als Anlass, das Asylrecht weiter zu verschärfen, taugt die Münchner Silvesternacht also nicht. Eher als Vorbild für besonnene Routine in Zeiten der terroristischen Bedrohung: den Bahnhof sperren und trotzdem weiterfeiern, gut aufpassen und trotzdem nicht auf die Kreuther Schaumschläger hereinfallen.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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18 Kommentare

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  • Auch ein Großeinsatz der Polizei in München konnte letztlich den alljährlichen Missbrauch von Sprengstoff zu Silvester nicht einmal ansatzweise verhindern.

    Die einen werden jetzt wohl noch mehr Polizei und die anderen wohl noch größere Polenböller anfordern. So dürfte Silvester auch in den nächsten Jahren immer "zünftiger" werden.

  • Schlechtes Wetter kann die Bombenstimmung ganz schön versauen. Das tut mir echt leid.

    MfG.

  • Der Bahnhof von Pasing als Terrorziel wichtiger als der Flughafen?

    Wers glaubt wird selig.

  • Wieder mal ein Beispiel für Angstmachung und Bürgereinschüchterung. Wer die anschließenden Kommentare von den sog. "Terrorexperten" und ihren angebliche Quellen gesehen und gehört hat, der muß konstatieren: wieder einmal Wind entfacht für nichts und wieder nichst! Nichtssagende Aussagen von Unwissenden, die inhaltsleer sind und nur Sendezeiten füllen und Vorurteile von Bürgern schüren sollen.

     

    Der unabhängige Journalismus mit recherchierten Inhalten, der auf dem Boden der Tatsachen bleibt, hat wohl bis auf Ausnahmen ausgedient.

  • Unbegreiflich bleibt mir hier - wie bei so vielen anderen Gelegenheiten - die Staatsfrömmigkeit und Harmlosigkeit der ehemaligen "Tatze". Ist denn das alles so 1:1 zu übernehmen, was die angeblichen Sicherheitsbehörden uns auftischen? Behörden, die nach Marxscher Definition die herrschende Klasse vertreten, also nicht uns, die 99%. Wollt ihr ewig so weitermachen - als ständige Pressestelle von BMI, BKA, BfV etc.? Darf es eventuell doch noch etwas investigative Recherche sein? Als Vorsatz für's neue Jahr? - Bitte, hört auf mit diesem Sicherheits-Behördenquatsch. Die stricken immer an der eigenen Agenda, und sei's, die eigenen Arbeitsplätze zu halten. Wenn die TAZ hier nicht gegenhält, ist sie nicht mehr die TAZ.

    • @Albrecht Pohlmann:

      Einen Anlass für diese Ihre harsche Kritik an der taz finde ich in diesem Artikel beim besten Willen nicht. Kann es sein, dass Sie Inhalt und Aussage des Artikels schlicht nicht verstanden haben?

      • @Bitbändiger:

        "Kann es sein",

         

        dass Sie @albrecht pohlmanns Kritik, an der gesamt journalistischen Verfahrensweise, die sich in dem vorliegenden Artikel niederschlägt,

         

        "nicht verstanden haben"

        • @H.G.S.:

          Das Thema des Artikels, mein guter @H.G.S., lautete - kurz gefasst - "Stoff für die CSU" zur Unterfütterung aller möglichen mehr oder weniger dümmlichen, populistischen Forderungen nach Maßnahmen gegen Flüchtlinge mit der Unterstellung, dass Zuwanderung und Terrorismus zwingend und unmittelbar miteinander zusammenhängen.

           

          Inwieweit die "gesamt journalistische Verfahrensweise", angeblich "alles so 1:1 zu übernehmen, was die angeblichen Sicherheitsbehörden uns auftischen", auf diesen Artikel zutrifft, dürfen Sie aber gern näher begründen. Denn der Satz "Es ist aber ebenso gut möglich, dass die Behörden auf einen Fehlalarm hereingefallen sind" steht dieser Behauptung unzweideutig entgegen.

          • @Bitbändiger:

            Dass viele der Pressenachrichten durch -auf Zustimmung der Bevölkerung zur eigenen Totalüberwachung versessene- Sicherheitsfunktionäre (BND&NSA) lanciert und instrumentalisiert sein dürften, und den Realitätsgehalt nicht hergeben.

            Klar ist das Perfide, dass jederzeit mit einem tatsächlichen Anschlag gerechnet werden muß. Auch ich habe keine Lust, dass Angehörige diesbezüglich Opfer werden und würde die Sicherheitskräfte dann kritisieren wollen. Aber seit Snowden, und der aufgedeckten Verstrickung auch des deutschen BND, ist das Mißtrauen gegen Täuschung durch solche Institutionen nahezu gleichwertig geworden.

            All das dürfte @Albrecht Pohlmann im Sinn gehabt haben, mit „es möge doch bitte noch etwas investigativere Recherche betrieben werden“ ; d.h. den wohlfeilen Täuschungsaffekt für die oben genannten Zwecke jedesmal intensiv mit heraus zu arbeiten. Denn dieses hier vorgelegene Schauspiel wirkte doch wie ein Paradebeispiel einer Disziplinierungsübung für die Bevölkerung.-Schwierig, aber als auch naheliegend nicht von der Hand zu weisen.

            • @H.G.S.:

              Ich ernenne Sie hiermit kommissarisch zum Chefredakteur der überregionalen Zeitung "DIE REINE WAHRHEIT".

               

              Wie - konkret bitte - wären Sie mit diesem Informationsstrang umgegangen? (Es ist doch sicher nicht Aufgabe der Presse, Warnungen der Sicherheitsbehörden - bei allem Misstrauen! - zu unterdrücken, bis sie sich nach Monaten eigener Recherche bestätigt, dementiert oder wie auch immer von selbst erledigt haben?)

              • @Bitbändiger:

                Danke, aber ich begehre keine Eselsorden.

                 

                Es geht um ein insgesamt böses Thema mit sich ausweitender Komplexität, bei dem die von Ihnen, aufgrund Ihrer ersten Einlassung hier fällig gewesene, nun näher erläuterte persönliche Kritik

                ihren Platz eingenommen hat. Wie gesagt: Schwierig aber, Holzauge sei wachsam. Es wird wohl auch zukünftig leider immer wieder eine neu zu beurteilende, dieserart böse Faktenlage eintreten. Die momentane Informationslage im aktuellen Fall ist für die Öffentlichkeit nun auch noch nicht verifizierbarer geworden-es gibt lediglich neu hinzugekommene Behauptungen aus dem Innenministerium.

                 

                „mit diesem Informationsstrang umgegangen“ wäre ich:

                 

                wer konkret warnte, wes genaueren Inhalts, wen um wieviel Uhr, auf welche Weise und kann irgendwer interviewt werden wenn nein warum nicht (von Journalisten alles kleinteilig zu einem komplexeren Eindruck zu verdichten; muß nicht „Monate dauern“) Das martialisch auftretende Gedöns schwer bewaffneter Sicherheitskräfte ist nicht jedem Beleg genug, für den Wahrheitsgehalt einer Nachricht. Ich verlange auch keine kriminalistische Forschungsarbeit von den Presseleuten sondern lediglich die möglichst genaue Beleuchtung a l l e r Aspekte einer Situation; z.B. wie steht´s um die Möglichkeit einer instrumentell wichtigtuerischen Veranstaltung mit politisch arglistigen Zielabsichten.(Seit Snowden wohl schlechterdings nicht mehr als Verschwörungstheorie diffamierbar)

                • @H.G.S.:

                  Richtig, @H.G.S.: Wir wissen heute mehr, aber nicht zuverlässiger als am Neujahrsmorgen (Datum des Artikels); es ist "nicht verifizierbarer geworden" und gibt JETZT "neu hinzugekommene Behauptungen". "...wie steht´s um die Möglichkeit..." ist eine Aufforderung zum wilden Spekulieren, was von einigen Medien sehr ausgiebig, aber leider somit sehr unseriös betrieben wird.

                   

                  Aber nochmal: Thema DIESES Artikels war nicht die (nebulöse) Faktenlage, sondern der Versuch der CSU, populistischen Honig zu saugen.

                  • @Bitbändiger:

                    "Thema DIESES Artikels war nicht die (nebulöse) Faktenlage, sondern der Versuch der CSU, populistischen Honig zu saugen."

                     

                    Hat aber nunmal bei @albrecht pohlmann einen tiefer sitzenden, verärgert weitergreifenden Gesamtreflex -vermutlich gegen noch weitere Teile der heutigen Presselandschaft- ausgelöst, den ich persönlich nachvollziehen kann.

                    --------------

                    "...wildes Spekulieren, was von einigen Medien sehr ausgiebig, aber leider somit sehr unseriös betrieben wird."

                     

                    Leider wahr! -Auch diese besondere Gefahr besteht massiv.

                     

                    Und darüber hinaus, auch diese:

                    „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.“

                    Politische und wirtschaftliche Eliten haben die Macht von medialen Diskursen schon längst erkannt.

  • Wie Andreas Hauss warte ich auf das Fahndungsplakat, das mich auf die gefährlichen Terroristen aufmerksam macht (http://www.heise.de/tp/artikel/46/46414/1.html). - So lange halte ich das Ganze für eine Inszenierung der vermeintlichen Sicherheitsbehörden, die hierzulande die Bevölkerung auf den Polizeistaat vorbereiten wollen. Während im Nahen Osten, in Afghanistan und Pakistan tatsächlich Terror grassiert - verursacht, geduldet, unterstützt von den potenten Militärmächten der Welt.

  • Terrorist_innen reisen mit gefälschten oder mit falschen Papieren, die ihnen willfährige Staaten ausstellen. So reisten die israelische Terroristen, die einen Palästinenser in einem Hotel umgebracht haben, mit einem falschen deutschen Ausweis, der von den deutschen Behörden ausgestellt wurde. Konsequenz muss daher sein, das Ausstellen von falschen Papieren in Deutschland einzustellen und international auf ein Verbot hinzuarbeiten. Die Geheimdienste haben da zu viel Macht und erschweren bis verhindern hier die Arbeit der Polizei.

    Daneben sollten wir uns fragen, warum immer der Bahnverkehr eingeschränkt wird - ob Flüchtlinge oder Terrorwarnung - der Bahnverkehr wird grossflächig gesperrt. Gleichzeitig wundern wir uns warum weniger Leute Bahn fahren und die Bahn in die Miese rutscht.

  • Vielen Dank für Ihre Gelassenheit. Ich stimme Ihnen zu.

     

    Darüber hinaus wäre es jetzt wichtig zu untersuchen, wie realistisch die Terrorwarnung war. Wie groß die Gefahr tatsächlich gewesen ist. Oder ob die Geheimdienste da nur was inszenieren, damit sie mehr Vorratsdatenspeicherung bekommen oder so. Damit sie ihre Macht auf Kosten unserer Freiheit erweitern können. Da wäre ich nämlich definitiv dagegen.

  • "Erstens reisen Terroristen nicht zwingend ohne Dokumente. Vor Weihnachten meldeten die Behörden, dass der IS syrische Blanko-Pässe erbeutet habe. Wenn er will, kann er seine Leute also mit perfekt gefälschten Papieren nach Europa schicken"

     

    genau das kann er nicht, denn die Paßnummern sind bekannt und stehen zur Fahndung aus, leide wurde in Griechenland nicht richtig kontrolliert.

    Es ist eher ein Zeichen das endlich wieder europäisches und deutsches Recht angewendet wird und die Willkür aufhört.

     

    frohes neues