Freifunker über Internet für Flüchtlinge: „Internet ist humanitäre Aufgabe“
In Flüchtlingsheimen mit Internetzugang gibt es mehr Zufriedenheit, sagt der Freifunker Peter Löwenstein. Manchmal bremsen aber Behörden.
taz: Herr Löwenstein, wie kam es dazu, dass Sie Flüchtlingsheime mit Internet ausstatten?
Peter Löwenstein: Wir hatten schon von anderen Freifunk-Gruppen gehört, die solche Projekte machen, und als dann eine Flüchtlingsunterkunft in Darmstadt sehr kontrovers diskutiert wurde, haben wir uns gedacht, dass wir das auch machen wollen. Das ist für uns eine humanitäre Aufgabe, das Internet verbindet die Geflüchteten mit ihrer Heimat, mit ihren Freunden und Familien und erlaubt ihnen Zugang zu dem Wissen, das sie für ihre Anerkennung hier in Deutschland brauchen.
Wie sah das dann in der Praxis aus?
In unserer Gruppe waren zufällig einige Anwohner dieser Flüchtlingsunterkunft, und wir haben dann über ihren WLAN-Anschluss und Richtfunk die Internetverbindung in die Einrichtung organisiert. Als das dann funktionierte, sind auch lokale Flüchtlingshelfer auf uns zugekommen und auch der Oberbürgermeister.
Der Oberbürgermeister hat sich für Freifunk interessiert?
56, ist IT-Berater und kandidierte im vergangenen Frühjahr für die Piraten im Landratsamt Darmstadt-Dieburg.
Ja, Darmstadt hat einen Oberbürgermeister von den Grünen. Nachdem wir ihn über unseren ersten Erfolg informiert haben, rief sein Büro zurück und wollte einen Termin ausmachen, um alle Einrichtungen zu überprüfen. Drei Wochen später hatten wir die erste auch schon vernetzt. Die Stadt hat sogar die Kosten für den Ausbau unserer Infrastruktur übernommen. Inzwischen haben wir neun Unterkünfte vernetzt. Aus dem Umland haben uns auch viele Orte angefragt – viele haben inzwischen die Erfahrung gemacht, dass in den Flüchtlingsheimen mehr Zufriedenheit herrscht, wenn es Internet gibt.
Aber Sie haben auch schlechtere Erfahrungen gemacht ...
Im Landkreis Darmstadt-Dieburg haben wir auch den Landrat informiert, der sich zunächst interessiert zeigte, aber nach der ersten Einladung gibt es nur noch hinhaltende Information. Da heißt es einmal, die Technik werde noch geprüft oder es sei nun eine andere Abteilung zuständig – die weiß dann wiederum nichts davon. Von den 130 Unterkünften im Kreis hat keine eine freie Internetverbindung. Unsere Erfahrung zeigt, dass das sehr von den Köpfen abhängt, wie viel man machen kann. Wenn die Verwaltungen mitmachen, kann man viel erreichen.
Bei Freifunk geht es auch darum, dass Menschen selbst sich die Technik aneignen. Konnten Sie denn Flüchtlinge für die Projekte gewinnen?
Die Unterkünfte haben wir alle ohne die Hilfe von den Flüchtlingen selbst vernetzt, aber wenn wir das tun, sind ihre Dankbarkeit und Anerkennung sofort spürbar. In der einen Unterkunft gab es auch einen Bewohner, der mehrere verschlüsselte Tunnel auf Arabisch eingerichtet hatte, damit Syrer, ohne überwacht zu werden, mit ihren Familien kommunizieren konnten. Nach einer Woche wurde er allerdings verlegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!