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Mobbing bei Hamburger PolizeiKeiner, der mit den Wölfen heult

Der Polizist Fatih Sarikaya hat sechs Abmahnungen und eine fristlose Kündigung kassiert – zu Unrecht, stellte das Arbeitsgericht fest.

Im Clinch mit seinem früheren Arbeitgeber: Ex-Polizist Fatih Sarikaya. Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Polizist ist Fatih Sarikaya aus Überzeugung geworden, seinen Beruf übt er gern aus. Doch mit dem Apparat hat er inzwischen seine Probleme. Er sei für die Hamburger Polizeiführung „unbequem“ geworden, „kein Fisch, der einfach ohne nachzudenken stromabwärts schwimmt“, sagt Sarikaya.

Sechs Abmahnungen und eine fristlose Kündigung hat er bekommen – zu Unrecht, urteilte das Arbeitsgericht: die Kündigung sei unwirksam, die Abmahnungen müssten getilgt werden.

Doch statt sofort wieder seine Arbeit aufnehmen zu können, erhielt Sarikaya von der Personalabteilung der Polizei eine Mail, dass man erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung abwarten wolle. „Das Vorgehen der Personalabteilung der Polizei ist von dem Ziel getragen, ihn fertigzumachen“, sagt sein Anwalt Rolf Geffken.

Fatih Sarikaya hatte 2002 die Ausbildung an der Polizeischule in Alsterdorf begonnen. Wegen familiärer Probleme wollte er den Lehrgang zum verbeamteten Polizisten für zwei Jahre unterbrechen. Die Ausbilder hätten ihm geraten, zur Überbrückung einen Kurs zum Angestellten im Polizeidienst (AiP) zu besuchen. Das sind Polizisten, die im Angestelltenverhältnis vor allem im Objektschutz und der Verkehrskontrolle tätig sind. „Das mussten sie nicht tun, wenn sie nichts von mir gehalten hätten.“

So kam Sarikaya 2003 dann doch zur Polizei und war an der Dienststelle Objektschutz in der Sedanstraße tätig, wo er zur Bewachung von Konsulaten und Synagogen rund um die Alster eingesetzt war. 2008 sei es mit den „erheblichen Problemen“ losgegangen: Er sei von neuen Kollegen und Vorgesetzten wegen seiner türkischen Abstammung gemobbt worden, musste sich Sprüche wie „Kanake“ oder „Scheiß Türke“ anhören. „Das kann man eine Zeit lang ertragen“, sagt er. Aber als Gerüchte gestreut wurden, er habe Kollegen geschlagen, meldete er das dann doch der Führung. „Es ist nicht reagiert worden, das wollte man wohl unter Verschluss halten.“

Das ist kein Einzelfall: In derselben Dienststelle, wenn auch in einer anderen Schicht, arbeitete der AiPler Andreas W., der Migranten die Lektüre von Hitlers „Mein Kampf“ empfahl und dessen Facebook-Profil einen Totenkopf mit Polizeimütze im Wachhäuschen vor einer jüdischen Schule zeigte. Beschwerden über dieses Verhalten waren von Vorgesetzten gedeckelt worden, wie sich bei einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht herausstellte.

Unbequeme Mitarbeiter mag die Polizei nicht

Fatih S., Parkraummanagement

Sarikaya wechselte 2013 zu dem neu eingerichteten Polizeiprojekt „Parkraummanagement“, das das Knöllchenschreiben effektivieren sollte. Sarikaya baute mit vier Kollegen die neue Einheit quasi auf. „Das ging ein halbes Jahr ganz gut“, erinnert er sich. Doch als die Einheit größer wurde und eine neue Dienststellenleitung eingesetzt wurde, hätten die fünf Pioniere „auf der Abschussliste gestanden“. Gegen sie wurde der Vorwurf der Korruption erhoben. So in der Art: „Für eine Frikadelle im Imbiss schreib ich den falschparkenden Kunden vor der Tür kein Knöllchen aus.“ Ein halbes Jahr ermittelte die Dienststelle Interne Ermittlungen gegen Sarikaya und stellte das Verfahren schließlich ein.

Der nächste Versuch war eine Abmahnung, weil er unzuverlässig sei und sich eigenmächtig von der Arbeit entfernt habe. Auf Klage vorm Arbeitsgericht musste das Personalmanagement die Abmahnung aus der Personalakte entfernen. Doch sie erneuerte ihre Vorwürfe nahezu zeitgleich mit sechs neuen Abmahnungen.

Weshalb Sarikaya so in Ungnade gefallen ist, kann er nur erahnen. „Ich bin jemand, der kritische Fragen stellt, man erwartet aber von Mitarbeitern, dass sie mit den Wölfen heulen“, sagt er. „Unbequeme Mitarbeiter mag die Polizei nicht.“ So gebe es gewisse Vorgaben, ein Knöllchen-Soll pro Tag zu erfüllen, „auch wenn das niemand zugeben wird“, sagt Sarikaya. „Mir geht es um Qualität und Gerechtigkeit und nicht um Quantität.“ Das sei wohl nicht genehm gewesen, und deshalb sei er im Mai gekündigt worden. „Sie wollten mir von heut auf morgen die Existenzgrundlage nehmen“, vermutet er.

Nachdem das Urteil des Arbeitsgerichts ergangen war, hat der Familienvater Fatih Sarikaya seine Arbeitskraft angeboten – doch die Polizei spielt auf Zeit. „Was für rechtswidrige Vorgänge unter dem Briefkopf der Polizei praktiziert werden, grenzt schon an Mobbing“, sagt Anwalt Geffken. Polizeisprecher Jörg Schröder sagte am Freitag auf taz-Anfrage: „Die Polizei gibt keine Auskunft zu diesem Verfahren.“

Der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, Thomas Wüppesahl, sieht vor allem politische Defizite in der Polizeiführung. „Fatih Sarikaya ist nicht der einzige Fall. Seine Vorgesetzten haben unter dem rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill Karriere gemacht, da braucht man keine Störer oder gewalttätige Mitbürger, um von Gewalt gegen Polizisten zu sprechen“, sagt Wüppesahl. „Das Traurige ist, dass eine Personaldienststelle, die in Serie Recht und Gesetze bricht, unter einem sozialdemokratischen Innensenator Michael Neumann und einem rot-grünen Senat möglich ist.“

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2 Kommentare

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  • Warum sind nicht längst alle Beamten, die unter dem narzisstischen Schill Karriere gemacht haben, aus dem sensiblen Polizeidienst - zumindest aus der Führung - entfernt worden? Und wir wundern uns, wenn Brandanschläge auf Asylunterkünfte und andere schwere rassistische Straftaten nicht aufgeklärt werden...

    Polizei, Justiz und Verwaltung stehen unglaublicher Weise, immer noch in Kontinuität zum NS-Verbrecherstaat!

    Hurra Deutschland und frohe Weihnachten!

    • @amigo:

      "Warum sind nicht längst..."

      Zu teuer. Darum.

       

      Und ob das Holz, aus dem ein Michael "in Hamburg gibt es keine politischen Probleme, ergo ist es Ok, wenn die Polizei 'Störer der öffentlichen Ordnung' niederknüppelt, ohne sich um irgendwelche Gesetze zu scheren" Neumann geschnitzt ist, sich nun so sehr von der als "deutsche Eiche" verkauften Gammel-Kiefer namens Ronald Barnabas Schill unterscheidet, wage ich mal zu bezweifeln.