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Einfluss von WirtschaftsunternehmenKontaktanbahnung an der Uni

Firmen zahlen Hochschulen Geld, damit sie die besten Studierenden kennenlernen. An der Uni Frankfurt gibt es erstmals Protest dagegen.

In jedem Semester zeichnet der Dekan der Wirtschaftswissenschaften die besten fünf Prozent der Bachelor-Studierenden der Goethe-Universität aus. Foto: dpa

Berlin taz | Niemand schöpfte Verdacht, als sich Dennis Ohm in den Tagen vor dem feierlichen Get-together zwischen Unternehmern und Studierenden regelmäßig vor dem Festsaal am Frankfurter Campus Westend aufhielt. Mit ein paar MitstreiterInnen bereitete er die größte Protestaktion vor, die der Fachbereich 02 der Goethe-Universität seit Jahren gesehen hatte. Ohm organisierte eine Hi-Fi-Anlage, Flyer, Konfetti und falsche Geldscheine. Er war bereit, die Feier zu stören, zu der er selbst eingeladen war.

In jedem Semester zeichnet der Dekan der Wirtschaftswissenschaften die besten 5 Prozent der Bachelor-Studierenden aus. Sie werden in die sogenannte Dean’s List aufgenommen. Eine Auszeichnung, die Studierenden Unterstützung bei Karriereplanung und Berufseinstieg verspricht. An mindestens zehn deutschen Hochschulen gab oder gibt es solche Bestenlisten.

In Frankfurt bekommen die Topstudierenden exklusive Praktika, Workshops oder Kamingespräche mit Firmenbossen angeboten. Rund 200 Studierende aller Jahrgänge dürften in der Liste erfasst sein. Über dieses Privileg will Ohm, heute im 7. Semester, eine Diskussion anregen. „Es geht nicht nur um McKinsey-Seminare für einige wenige, sondern um das Finanzierungsmodell der Hochschulen“, sagt der 23-Jährige, der seit Studienbeginn zu den Besten gehört.

Zwischen 2009 und 2014 sind die Drittmitteleinnahmen der Goethe-Universität um mehr als 60 Millionen auf 182 Millionen Euro gestiegen. Sie decken heute ein Drittel des Gesamtbudgets. Die Dean’s List ist Teil davon: Zwischen 3.900 und 7.500 Euro bezahlt jeder der 17 Wirtschaftspartner dem Career Center der Uni Frankfurt. Die Einnahmen sind nicht die einzigen Drittmittel: Finanzmarktunternehmen haben Stiftungsprofessuren eingerichtet und das interdisziplinäre Forschungszentrum House of Finance unterstützt. Ein Branchenverband und eine namhafte Bank gaben je rund eine Viertelmillion Euro. Ein Dean’s-List-Partner spendete 55.000 Euro direkt an den Fachbereich.

Beraterstellen, Führungen, Praktika

„Nutzen Sie bitte mindestens zwei Dean’s-List-Angebote unserer Unternehmenspartner pro Jahr!“, schreibt Andreas Hackethal, Initiator und langjähriger Schirmherr der Dean’sList, in der Broschüre für die Studierenden. Hackethal war bis zum September Dekan des Fachbereichs. In der Broschüre listen 17 Finanzdienstleister, Banken und Unternehmensberater Angebote auf: Die Boston Consulting Group schreibt 200 Beraterstellen aus, die Deutsche Bank lädt zu Führungen durch ihre Zwillingstürme in Frankfurt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bietet Einstiegsmöglichkeiten für Praktikanten, Werkstudenten oder Rechtsreferendare.

„Wer auf der Dean’sList steht, kann sich den Arbeitgeber aussuchen“, sagt Dorothee Mundorf-Unkrig vom Wirtschaftsprüfer PwC. Sie ist zuständig für Hochschulmarketing in der Region. „Audi kennt jeder. Aber PwC nicht“. Deshalb werbe die Firma verstärkt an der Goethe-Universität, etwa in der Einführungswoche. Besonders bemüht sich das Unternehmen um die Topstudenten. Wie andere Dean’s-List-Partner war auch PwC bei dem feierlichen Get-together auf dem Campus Westend. Jedes Unternehmen durfte sich im Festsaal kurz vorstellen, so Mundorf-Unkrig. Am Buffet gab es einen „regen Austausch“ mit den Studierenden – trotz der Störaktion. Als die Anwesenden zum Buffet in das Foyer strömten, ertönte plötzlich der Song „I Need a Dollar“, und ein Konfetti-und-Geld-Regen ergoss sich über sie. „Das einzige knappe Gut ist die Unabhängigkeit der Lehre“, stand auf einem Banner an der Balustrade.

Topstudierende bekommen Kamingespräche mit ­Firmenbossen

Ohm und seine Mitstreiter verteilten Flyer, auf denen sie eine finanziell unabhängige Uni sowie Praktikazugang für alle Studierende fordern. Die Hochschulleitung verurteilte in einer Stellungnahme die „massive Störung“ und warb für „Respekt für die Lebensentwürfe und Karrierewege anderer“. Hält die Universität Frankfurt am privilegierten Zugang der Dean’sList fest, müssen Ohm und Gleichgesinnte auf die hessische Landespolitik hoffen. Im Nachbarland Nordrhein-Westfalen gewährt das Hochschulgesetz Studierenden freien Zugang zu allen universitären Veranstaltungen. In Hessen gibt es diesen Paragrafen nicht. Mit ihm wäre die Dean’sList vor Gericht anfechtbar. Die Universität Bonn musste vor zwei Jahren ihre Bestenliste abschaffen.

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3 Kommentare

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  • Außerdem

    Uni-Rektorate und Firmen haben seit langem Interesse sich die "besten" AbsolventInnen gemeinsam rauszusuchen und das Hochschulzugangsverfahren so zu informalisieren.

  • Freien Zugang zu den Uni-Veranstaltungen für alle Studierenden gibt es in Hessen sowieso nicht. Es gibt eine Reihe von Veranstaltungen nur für Frauen, zu denen Männer prinzipiell keinen Zugang haben - unabhängig von den darin behandelten Themen.

    Was sich vielleicht wie ein anderes Thema anhört, ist in Wirklichkeit die selbe Thematik: Die Unis haben immer weniger Geld für ihre eigentlichen Aufgaben. Dafür gibt es Drittmittel und Sonderprogramme, die Geld für Veranstaltungen versprechen aber die Freiheit und Gleichheit der Forschung und Lehre aushebeln.

  • "In jedem Semester zeichnet der Dekan der Wirtschaftswissenschaften die besten 5 Prozent der Bachelor-Studierenden aus. Sie werden in die sogenannte Dean’s List aufgenommen. Eine Auszeichnung, die Studierenden Unterstützung bei Karriereplanung und Berufseinstieg verspricht."

    Und jeder hat die Chance, zu diesen 5 Prozent zu gehören.

    Nur hat nicht jeder das Vermögen, und damit meine ich nicht Geld, sondern die Fähigkeit, sein Studium zielgerichtet zu organisieren, hart und konsequent zu arbeiten, sich dem Wettbewerb auch unter Studierenden zu stellen und einen Lebensplan zu formulieren, in welchem ein hochqualifizierter und ausgezeichneter Studienabschluss eine entscheidende Rolle spielt. Zu viele "Zufalls- und Verlegenheitsstudenten" verstopfen die Unis. Und wenn diese ziel- und planlos Studierenden dann durchs o.g. Raster fallen, ist das in meinen Augen nicht nur gerecht, sondern überaus sinnvoll.

    Die interessierten Wirtschaftsunternehmen wollen, dass ihre Gelder effizient wirken und ihre Forschungs- und Entwicklungsziele effektiv umgesetzt werden. Da sind "Sonnensucher" eben fehl am Platz.

    Das ist nicht neu, überrascht nur diejenigen, welche sich im Vorfeld einer Studiengangsentscheidung nicht damit auseinandergesetzt haben.