Fossile Energien: Kohle wirft keine Kohle mehr ab
Der Finanzkonzern Allianz will seine Milliarden aus der Kohleindustrie abziehen. Das soll das Weltklima schützen – und die eigene Rendite.
Das Unternehmen, das zu den größten Kapitalanlegern weltweit gehört, setzt damit ein Zeichen – unmittelbar vor der Weltklimakonferenz, die in wenigen Tagen in Paris beginnt. Zwei Gründe für die Entscheidung nannte Allianz-Sprecher Nicolai Tewes: „Erstens Klimaschutz. Zweitens nehmen wir an, dass Investments in Kohleindustrien künftig nicht mehr die Renditen erbringen, die unsere Kunden für ihre Altersvorsorge erzielen möchten.“
Der Konzern teilt damit die Einschätzung von Umweltorganisationen, die sich für das sogenannte Divestment aussprechen. Kapitalanlagen in fossile Energie stellen demnach ein zunehmendes Risiko für Investoren dar. Hinzu kommt: Als Versicherungsunternehmen weiß die Allianz, welche horrenden Kosten Klimaschäden verursachen können.
In den kommenden sechs Monaten will die Allianz Aktien von Kohlekonzernen verkaufen. Das sei aber nur ein kleinerer Teil der betroffenen Investitionen. Außerdem sollen in den kommenden Jahren große Summen anders investiert werden, die bisher in Anleihen von Kohleunternehmen stecken. „Bei festverzinslichen Anlagen werden wir keine Verkäufe tätigen, aber wir werden unsere bestehenden Investments auslaufen lassen“, erklärte Gruber.
Statt in Kohlebergbau und -verarbeitung werde man die Geldanlagen in Windenergie massiv ausbauen. Gruber: „Wir haben bis heute etwa 2 Milliarden Euro in Windenergie investiert und wir haben vor, diesen Betrag über die nächsten Jahre zu verdoppeln. Hier erwarten wir eine Rendite von 5 bis 6 Prozent für unsere Kunden.“
Rahmenbedingungen verschlechtern sich
Die neue Strategie gilt für eigene Investments der Allianz. Diese umfassen gegenwärtig etwa 630 Milliarden Euro. Mit diesen Summen muss die Versicherung ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die Lebensversicherungen und Altersversorgung für Millionen Kunden zu finanzieren. Bei Kapitalanlagen im Auftrag externer Investoren, beispielsweise in den Töchtern Pimco und Allianz Global Investors, ändert sich einstweilen nichts.
Gefährlich: Kohle ist der klimaschädlichste Brennstoff des Planeten. Wenn eine Kilowattstunde Strom aus Kohle erzeugt wird, entsteht doppelt bis dreimal so viel vom Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) wie bei der Nutzung von Erdgas – und natürlich ein Vielfaches von dem, was durch erneuerbare Energien anfällt. Weltweit stammen mehr als 40 Prozent der CO2-Emissionen aus der Kohleverbrennung. Zudem entsteht dabei Feinstaub und giftiges Quecksilber, das sich in der Nahrungskette anreichert.
Bedeutend: Bis zum Jahr 2013 stieg der weltweite Kohleverbrauch immer weiter an. Rund 40 Prozent des globalen Stroms stammt aus Kohlekraftwerken. Seitdem zeichnet sich eine Trendwende ab: 2014 ging der Verbrauch erstmals leicht zurück; in diesem Jahr wird ein deutlicher Rückgang erwartet.
Umstritten: Weltweit wachsen die Proteste gegen die Kohlenutzung, die Zeichen für einen Ausstieg mehren sich. Die OECD erlaubt Exportkreditgarantien für Kohlekraftwerke nur noch unter strengen Bedingungen. Großbritannien hat angekündigt, 2025 das letzte Kraftwerk stillzulegen. In Deutschland gibt es bisher kein Datum für einen Ausstieg; schon die Stilllegung von 13 Prozent der Braunkohlekapazität bis 2020 war nur nach langem Streit und gegen Zahlung einer Entschädigung durchsetzbar. (mkr)
Trotzdem dürften sich für manche der traditionellen Energiekonzerne nun die Rahmenbedingungen verschlechtern. Aktien des Kohlekonzerns RWE müsste die Allianz abstoßen, was den Wert der Firma verringern könnte.
Ohnehin klagte RWE-Chef Peter Terium kürzlich darüber, dass es schwer sei, Kapital aufzunehmen. Und wenn Eon seine Kohlekraftwerke bald in die neue Tochter Uniper auslagert, wird die Allianz nicht zu den Investoren gehören.
Die Allianz ist einer der ersten großen, global tätigen Investoren, die systematisch Abschied von der Kohleindustrie nehmen. Zum teilweisen Abzug von Kapital aus Unternehmen der fossilen Energien hatten sich früher beispielsweise der norwegische Staatsfonds und der Versicherungskonzern Axa bekannt.
Andere große deutsche Investoren können sich zu diesem Schritt noch nicht durchringen. Die Deutsche Bank erklärte am Dienstag lediglich, sie unterstütze „insgesamt ein ausgewogenes Energiekonzept und berücksichtigt dabei sowohl wirtschaftliche als auch ökologische und soziale Aspekte“.
Fakten zum Klimawandel
3,3 Milliarden in klimaschädliche Energie
Deutschlands Banken und Investoren seien im internationalen Vergleich stark an der Finanzierung der Kohleindustrie beteiligt, erklärte die Umweltorganisation Urgewald. So habe die europäische Braunkohle zwischen 2010 und Mitte 2015 aus Deutschland rund 8,7 Milliarden Euro durch Kredite und Aktienkäufe erhalten. Unter den deutschen Kreditgebern ist laut Urgewald die Deutsche Bank führend, die im Untersuchungszeitraum etwa 3,3 Milliarden Euro in die klimaschädliche Industrie steckte.
Umweltorganisationen wie 350.org und Carbon Tracker fordern, das Divestment über die Kohle hinaus auf alle fossilen Energieträger auszudehnen. Ihr Argument: Milliarden Euro Kapitalanlagen in Unternehmen der Kohle-, Erdöl- und Erdgasindustrie seien gefährdet, weil die traditionellen Energiekonzerne die erhofften Gewinne künftig nicht mehr erzielen könnten. Die weltweiten Anstrengungen zum Klimaschutz zwängen sie dazu, einen Großteil der Kohle-, Öl- und Gasvorkommen im Boden zu lassen.
Tausende von Investoren haben sich der Divestment-Kampagne bereits angeschlossen, viele davon in den USA und Großbritannien. Meistens sind es jedoch kleinere und mittlere Finanzanleger wie Kommunen, Kirchengemeinden, Universitäten und Stiftungen. Nach Schätzungen von Arabella Advisers, einer US-amerikanischen Beratung für ethisches Investment, bekennen sich bislang Anleger zum Divestment, die über 2.600 Milliarden Dollar Kapital verfügen. Wie viel bisher tatsächlich aus fossilen Investitionen abgezogen wurde, weiß man jedoch nicht.
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