piwik no script img

WARUM EINE 87-JÄHRIGE HEUTE GERNE VOR GERICHT STEHTDer Saal als Kampfplatz

Foto: Jungsfoto: dpa

Die deutschen Gerichte sind ihre politische Bühne. In den Gerichtssaal geht sie gern, auch freundlich lächelnd: Ursula Haverbeck, die Grande Dame der Holocaust-Leugnung. Heute ab 10 Uhr muss sich die 87-Jährige vor dem Hamburger Amtsgericht verantworten. Mitbringen wird so vermutlich einmal mehr ihre Gesinnungsgenossen – als Publikum für ihre zu erwartenden Ausführungen.

Die Vorhaltungen der Staatsanwaltschaft Hamburg wird Haverbeck vermutlich gar nicht abstreiten. Am 21. April 2015 hatte sie in Lüneburg im laufenden Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen SS-Angehörigen Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen in Auschwitz den Konflikt gesucht: Während drinnen im Saal Gröning das ihm zur Last Gelegte teilweise einräumte, erklärte Haverbeck draußen, Auschwitz sei ein Arbeitslager gewesen, kein Vernichtungslager. Der Angeklagte Gröning sei unschuldig, da er für etwas vor Gericht stehe, das gar nicht geschehen sei. Neben ihr standen währenddessen der Hamburger NPD-Landesvorsitzende Thomas Wulff sowie der seinerseits bereits wegen Volksverhetzung verurteilte Arnold Höfs.

In der Anklage gegen Haverbeck führt die Staatsanwaltschaft nun aus, Haverbeck sei bewusst gewesen, dass ihre Äußerungen im NDR-Fernsehmagazin „Panorama“ verbreitet würden. Auch habe sie auf Nachfragen des Journalisten, ob es in Auschwitz Massenvernichtung gegeben habe, mit einem kurzen „Nein“ geantwortet. Auch das war bei „Panorama“ zu sehen.

Andreas Speit

arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland

In der Holocaust-Leugner-Szene wurde Haverbeck beglückwünscht. Den Straftatbestand der Volksverhetzung, nach Paragraf 139 StGB, halten ihre Anhänger für undemokratisch. Auf der Webseite der Publikation „Stimme des Reiches“ bittet man so auch um Spenden für die Rechtsstreit-Kriegskasse – Verwendungszweck: „Rechtskampfhilfe“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen