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Kommentar Aushöhlung des AsylrechtsKeine Flüchtlinge zweiter Klasse!

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die Bundesregierung demontiert in hohem Tempo und ohne Weitsicht das Asylrecht. Ein deutliches Signal dagegen ist überfällig.

Tausende engagieren sich ehrenamtlich für Flüchtlinge, aber es ist ein größeres Zeichen nötig Foto: dpa

D ie Zeit der Salamitaktik ist vorbei. In atemberaubendem Tempo und ohne jede Weitsicht demontiert die Bundesregierung das Asylrecht. Mal durch die Verschärfung von Gesetzen, mal durch die Neudefinition einer Flüchtlingsgruppe, wie es der jüngste Vorstoß des Bundesinnenministers will.

Vor wenigen Monaten waren die Syrer noch die guten, weil wirklich verfolgten Flüchtlinge, die vor dem Terror des „Islamischen Staates“ und vor Assad flohen. Um ihnen Schutz gewähren zu können, so die damalige Erzählung, müsse man die Einreise von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen stoppen. Die Liste der sicheren Herkunftsländer wird seitdem – mit Segen der Grünen – immer länger.

Jetzt aber sind auch die Syrer keine guten Flüchtlinge mehr. Nicht, dass sich in ihrem Herkunftsland ein Ende von Krieg und Terror abzeichnen würde. Es sind einfach zu viele, die nach Deutschland kommen. Und deshalb soll aus einem Flüchtling, der gerade noch unter dem vollen Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention stand, nun einer zweiter Klasse werden. Mit einjähriger Aufenthaltserlaubnis und ohne das Recht auf Familiennachzug. Ob dies verhindern würde, dass weitere Menschen kommen, ist höchst ungewiss. Sie müssten dies dann – statt auf sicherem Weg – mit ihren Kindern auf der gefährlichen Route über das Mittelmeer tun.

Was zunächst wie ein weiterer unglücklicher Vorstoß des ohnehin glücklosen Innenministers aussah, stößt auf breite Unterstützung in der Unionsspitze. Sie will die SPD – wenige Tage nach der letzten Verschärfung – zu einer weiteren treiben. Zu befürchten ist, dass sich die Sozialdemokraten wieder auf einen Kompromiss einlassen. Parteichef Gabriel weiß, dass auch viele SPD-Wähler eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen wollen – und damit gar nicht weit entfernt von CSU-Chef Seehofer sind.

Plötzlich sind auchdie Syrer keine guten Flüchtlinge mehr

Ohnehin sind die Stimmen, die das Asylrecht verteidigen, derzeit sehr leise. Die Grünen senden – wie die SPD – aus Angst vor der eigenen Klientel sehr unterschiedliche Signale. Immerhin haben sich gerade die Kirchen gegen Abschottung positioniert. Und die vielen Tausend, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, zeigen täglich, wie wichtig ihnen das Recht auf Asyl und der humanitäre Umgang mit Geflüchteten ist. Ein lautstarkes Signal, eine große, bundesweite Demonstration für das Asylrecht, ist überfällig.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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13 Kommentare

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  • Wobei der Ruck nach rechts das ist, was medial gehyped wird. Die Bürger, die der Meinung sind, Flüchtlingen sollte geholfen werden, haben keine Zeit zum demonstrieren – Die helfen.

     

    Die Flüchtlinge kommen aus Lagern sicherer Drittstaaten – Die aber zunehmend unterfinanziert sind, Lebensmittel werden immer mehr rationiert usw. Weil die Flüchtlinge uns, solange die in der Türkei bleiben, genauso am Allerwertesten vorbei gehen wie die Türkei selber, darum kommen sie ja jetzt zu uns.

     

    "Beengte, menschenunwürdige und auch teils unhygienische Zustände in den Flüchtlingsunterkünften" – Die sind aber in der Türkei oder im Libanon auch nicht besser.

     

    Was wollt Ihr machen? Obergrenzen einführen? Hat die Türkei gemacht! 100.000 Flüchtlinge wurden als "rote Linie" gesetzt; der 100001ste sollte wieder zurückgeschickt werden. Inzwischen sind da zwei Millionen ... Und die Türkei schafft das!

  • All dieses Schritte sind möglicherweise eine Handbremse gegen den zunehmenden polit. Ruck nach rechts (AfD, Pegida, etc.) und der Tatsache geschuldet, dass die Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten kommen (wo sie vor Krieg und Verfolgung auch sicher wären), und dem Umstand, dass es unmöglich ist, 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, in Deutschland Asyl zu gewähren. Schon jetzt herrschen beengte, menschenunwürdige und auch teils unhygienische Zustände in den Flüchtlingsunterkünften. Von Krankheitsausbrüchen wie Krätze und TBC ist die Rede. Ist das ein "humanitärer Umgang mit Geflüchteten" und gute Asylpolitik? Ich hoffe jedenfalls, dass die Autorin des Artikels sowie all die anderen, die hier gegen eine vermeintliche Verschärfung des Asylrechts wettern, bereit sind, Flüchtlingen bei sich zu Hause Asyl zu gewähren bzw. sie bei sich wohnen zu lassen.

  • Nachdenken sofort einstellen.

     

    Die von CdU, SPD, Grünen und Linken angebetete Heiligenfigur im Kanzleramt ist für diese Maßnahmen - also kann garnichts falsch daran sein.

    • @Urmel:

      Angesichts der realen Lage würde Ihr Aufruf in nahezu allen Staaten der Erde erfolgreich sein.

       

      Wir leben aber in Deutschland....

      • @Urmel:

        Das sollte natürlich eine Antwort auf den Kommentar von NATHAN VON STAUFFEN sein. Sorry....

  • Wir alle werde nach Strich und Faden verarscht! Revolution jetzt!

    • @Nathan von Stauffen:

      Angesichts der realen Lage würde Ihr Aufruf in nahezu allen Staaten der Erde erfolgreich sein.

       

      Wir leben aber in Deutschland....

    • @Nathan von Stauffen:

      Hallo Stammtisch.

  • Ja genau! und so lange wir so eine Großdemonstration, die gut geplant werden muss, noch nicht haben, brauchen wir SCHNELL eine niedrigschwellige, bundesweite, für Kind und Greis taugliche Aktion, an der sich VIELE beteiligen können. Ein Vorschlag: Montags um 18h mit einer Kerze auf die Straße gehen. Massenhaft. Einfach vor das Haus. Der Erosion der Menschenrechte, dem Hass und Entsolidarisierung ein schweigendes und möglichst millionenfaches Bekenntnis zu einem humanen Deutschland entgegensetzen. Könnte das gelingen? Wie fängt man so etwas an? Kann das jemand twittern?

  • Geltendes Recht:

     

    Syrer, die wegen des Bürgerkriegs in Syrien in Deutschland Schutz suchen, als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) angesehen und anerkannt werden entspricht nicht geltendem Recht.

    Denn Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge erfüllen nicht die Voraussetzungen der GFK in der Fassung des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967.

    Sie sind auch keine politisch Verfolgten im Sinne von Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes.

    Sie sind vielmehr Personen, die „subsidiären Schutz“ und damit einen Schutzstatus genießen, der in das europäische Recht und – im Wege der Umsetzung – in nationales Recht erst aufgrund der Richtlinie 2004 /83/EG des Rates vom 29. April 2004 eingeführt wurde.

    Damit wurde das Ziel verfolgt, die Regelungen der GFK für einen internationalen Schutz durch einen zusätzlichen Schutzstatus zu ergänzen.

  • Und diese Partei nennt sich Christlich, wenn Jesus dies wüsste würde er sich am Kreuz drehen. Wenn die syrischen Männer in Deutschland ohne Familie und Alternative leben, was passiert dann? Es ist wirklich eine Schande das Flüchtlinge als minderwertige Menschen angesehen werden, wär dies nämlich nicht der Fall würde niemand über Gesetzes Änderungen nachdenken.

    • @Grimstaelch:

      "Wenn das der Jesus wüsste!" Haha, wirklich? =)

  • Natürlich würde das dazu führen, dass weniger Flüchtlinge kommen. Tote Familienmitglieder beantragen schließlich kein Asyl. Und die Chancen, dass Frauen und Kindern auf der Reise etwas passiert, sind noch einmal höher.

     

    Diese geplante Politik zynisch zu nennen wäre wohl noch ein Understatement.