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Die Hoffnung baut mit

Kieze Am Kreuzberger Ende der Friedrichstraße entsteht ein „Kunst- und Kreativquartier“, auch die taz baut dort ihr neues Haus. Die Planer setzen auf Dialog und Synergien mit der alteingesessenen, oft sehr armen Bevölkerung. Kann das klappen?

Hier gibt es sie noch, die berühmte Kreuzberger Mischung: ein Nachmittag am Mehringplatz Foto: Wolfgang Borrs

Von Nina Apin

Eine „Stadt in der Stadt“ will man errichten, hat der Architekt gerade gesagt. Er hat ein Bild mit bunten Würfeln gezeigt und die „kleinteiligen Strukturen“ darin erklärt: Musikstudios, Architekturbüros, Seminarräume, Apartments. Von Synergien hat er gesprochen; davon, wie man „ins Quartier hineinwirken“, Impulse für die Nachbarschaft generieren wolle. Die ältere Dame mit den bunten Spangen im Haar hat dem Architekten ruhig zugehört. Nun hebt sie die Hand: „Schön. Aber liegen da noch mehr Bomben? Müssen wir noch mal evakuiert werden?“

Dienstagabend, am Rande des Besselparks in Kreuzberg. Auf der Brache zwischen Jüdischem Museum und Checkpoint Charlie entsteht ein „Kunst-und ­Kreativquartier“. Die ersten Baugruben sind ausgehoben. Drei Baugruppen, die eine Jury aus Senat und Bezirk mit ihren Konzepten überzeugt haben, stellen sich den Nachbarn vor. Sie tragen sperrige Namen wie Frizz 23, IBEB oder Metropolenhaus. Und sie wollen in einen Kiez ziehen, der zu den ärmsten Berlins gehört. Arbeitslosigkeit, Kinder­armut, 72 Prozent Migranten.

Wie geht das zusammen? Können die neuen Nachbarn, die um den einstigen Blumengroßmarkt herum bauen und zu denen auch die taz gehört, dem Kiez etwas geben? Oder droht eine Spaltung der Gegend in neu und aufstrebend versus alteingesessen und abgehängt?

Heikle Veranstaltungen

Veranstaltungen wie die am Dienstag sind heikel für Bauherren. Kann sein, dass keiner kommt – dann wäre es nicht geglückt, Kontakt zur Umgebung herzustellen. Oder es kommen viele, die empört sind – weil sie Aufwertung fürchten, Miet­steigerung, Gentrifizierung. Auch werden Baugruppen durch Sabotage und Farbbeutel behindert, etwa in Friedrichshain: Viele Bauherren sparen sich solche Anwohnerdialoge deshalb. Die drei Baugruppen und die taz aber suchen das Gespräch. Sie wollen eine Bereicherung sein für die Gegend – kein Ufo, das dort landet. Deshalb haben sie eine „Bauhütte“ an den ­Besselpark gestellt, eine gelbe Bretterbude, die als Treffpunkt dienen soll. Und sie laden die Nachbarn zum Gespräch.

Gekommen sind an diesem Abend etwa 20 meist ältere Herrschaften, dazu fast dreimal so viele Architekten, Projektentwickler und Miteigentümer. Die Synergien, die modularen Räume interessieren die Nachbarn weniger – vielleicht können sie sich auch nichts darunter vorstellen. Was sie wissen wollen, ist konkret: Wo werden die Neuen parken? Warum wurden so viele Bäume gefällt?

Der Vertreter der Baugruppe IBEB betont, dass man bewusst auf teure Penthouses verzichte und die Gastronomie günstig halten werde. „Wir wollen die Anbindung an den Kiez.“ Leicht wird das nicht, das wird an diesem Abend klar. Aber es ist auch nicht unmöglich.

Die Architektin, die für das Metropolenhaus spricht, zeigt, wie es gehen könnte: Die Baugruppe macht als einzige ernst mit dem sozialen Anliegen. Sie hat einen gemeinnützigen Verein gegründet und veranstaltet während der laufenden Bauarbeiten Workshops mit Kindern der nahen Grundschule. Wenn das Gebäude fertig ist, sollen im Erdgeschoss Projekträume günstig an lokale Initiativen vermietet werden; im ersten Stock soll es kleine Ladenflächen ­geben. Querfinanziert wird das durch Eigentumswohnungen. Die sind, um Spekulation mit Ferienwohnungen zu unterbinden, groß geschnitten und für 15 Jahre nutzungsgebunden.

Während die Architektin spricht, nicken einige. „Na, dann baut mal. Vielleicht komme ich mal vorbei“, sagt eine Frau.

Aber wie war das jetzt mit der Bombe? Der Architekt, in dessen Baugrube kurz hintereinander zwei Weltkriegs-Blindgänger geborgen wurden, entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten. Weitere Funde erwarte man nicht. Auf eine Bombenstimmung hoffe er trotzdem. Bombig oder explosiv: Wie die Stimmung rund um das neue Kreativquartier wird, hängt davon ab, wie ernst es die „Neuen“ mit dem Dialog meinen.

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