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Kommentar VW-Abgas-BetrugDas Spiel auf Zeit

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Jetzt geht es bei VW um die großen und teuren Autos. Sollte auch hier betrogen worden sein, ist der neue Konzernchef nicht zu halten.

Angeblich soll auch beim Porsche Cayenne die Betrugssoftware eingesetzt worden sein (Archivbild von 2007) Foto: dpa

W enn die neuen Vorwürfe der US-Umweltbehörde zutreffen, könnte VW seinen nächsten Vorstandsvorsitzenden verlieren. Von der Tochter Porsche kommend, hat Matthias Müller gerade erst den Chefposten übernommen, um im Konzern aufzuräumen. Nun jedoch wirft die amerikanische Behörde unter anderem auch Porsche vor, Betrugssoftware in seinen Dieselmotoren eingesetzt zu haben, damit die Fahrzeuge die US-Abgastests meistern.

Ging es bisher um die Familienkutschen, stehen nun die großen Autos im Fokus – die Pseudogeländewagen VW Touareg, Porsche Cayenne und Audi Q5 sowie die dicken Limousinen A5 bis A8.

VW dementiert den Vorwurf hart und eindeutig. Sollten sich die Anschuldigungen trotzdem erhärten, hätte das Unternehmen bisher auf Zeit gespielt. Anstatt der versprochenen Transparenz müsste man die Fortsetzung der Vertuschung gegenüber Kunden, Öffentlichkeit und Politik konstatieren.

Hatte der ehemalige Porsche-Chef Müller nicht kürzlich noch grundsätzliche Besserung gelobt? Sollte nicht eine neue Unternehmenskultur mit den kriminellen Strukturen brechen? Auch daran müsste man zweifeln, falls der neue Vorstandsvorsitzende so weitermachte, wie sein Vorgänger aufgehört hatte.

Auch in der Politik und in den Behörden ist der Aufklärungswille begrenzt

Klar dabei ist, dass das Bundesverkehrsministerium, die Niedersächsische Landesregierung und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Konzern bei der Schadensbegrenzung unterstützen. Auch in der Politik und in den Behörden ist der Aufklärungswille begrenzt. Denn man will dem größten deutschen Autobauer nicht zu hohe Kosten aufbürden.

Deswegen untersucht das KBA jetzt zwar die wirklichen Abgaswerte von Dieselfahrzeugen, hat aber keinen strengen Zeitplan für die Kontrolle veröffentlicht. Und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) macht sich auf europäischer Ebene dafür stark, dass VW und die anderen einheimischen Autokonzerne weiter die gesetzlichen Abgasgrenzwerte überschreiten dürfen. Auch die Politik spielt auf Zeit.

Angesichts dieser Lage ist es gut, wenn die US-Umweltbehörde EPA nicht locker lässt. Wobei auch sie vermutlich nicht objektiv untersucht. Ihr dürften die Interessen der US-Autoindustrie eher am Herzen liegen als die der deutschen Unternehmen.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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4 Kommentare

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  • Deutschland kackt ab. German engeneered war das letzte was dieses Land noch hervorhub und jetzt diese Ingenieurskunst für tricky software.

    In allen anderen Bereichen sind andere Länder führend. Diese Entwicklung, dieses bergab begann damals mit Helmut Kohl ..

  • Es ist nicht nur die kriminelle Energie, die einen fassungslos macht - gleichgültig ob in Banken, im Fußball oder jetzt in der Autobranche. Während wir ohne Plaketten für jede Einfahrt in Umweltzonen Strafbefehle bekommen, können ganze Industriezweige mit stillschweigender Unterstützung der Regierungsapparate durch zigfache Überschreitung der Schadstoffgrenzwerte den Tod von jährlich Tausenden verursachen. Selbst jetzt, nach dem Auffliegen der jahrelangen systematischen betrügerischen Machenschaften, setzt eine Phalanx der Borniertheit von Autolobby über Kraftfahrtbundesamt bis zum hörigen verantwortlichen Minister auf Abwiegeln, Blockieren und Desinformieren statt durch Offenheit sowie wahrheits- und realitätsgemäße Schadstoffprüfungen den Grundstein für zumindest künftiges Vertrauen in deutsche Produkte zu legen. Hierüber wütend zu sein und zu demonstrieren hätte bei weitem mehr Berechtigung als die egozentrisch-dümmliche Pegiditis.

  • Ja, worüber soll ich mich denn noch aufregen? Wenn ich in diesem Staat die ganzen Skandale mir an sehe; wenn ich höre,daß die Autolobby massiv präsent ist in Brüssel;wenn ich lesen, daß VW diesen Skandal vielleicht nicht überleben wird; wenn ich.....

    Dieses System ist so fest in seinen Wurzeln verankert, fest betoniert, daß solche Skandale doch nur ein Teil von allen Skandalen in diesem Land sind. Die Politik wird sich auch in diesem Skandal so verhalten, daß in irgend einer Form eine " WischiWaschi " Lösung geschaffen wird.

    Kommt hier wieder das Thema hoch:

    " to big to fail ? ". Die Leidtragenden sind doch die Arbeitnehmer. Die Führungklicke von VW fährt mit Ihrem Porsche in die Villa nach Hause und genießt das Leben

    Hans-Ulrich Grefe

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Herr Toyoda, übernehmen Sie!