Getötetes Flüchtlingskind in Berlin: Mutter des Täters gab Hinweise
Der vierjährige Mohamed ist schon vor längerer Zeit getötet worden. Es gebe keine Hinweise auf ein rassistisches Motiv, sagt die Polizei.
Der seit vier Wochen vermisste Flüchtlingsjunge Mohamed ist einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Polizeibeamte nahmen am Donnerstagvormittag in Brandenburg einen 32-jährigen Mann fest, im Kofferraum seines Autos fanden sie eine Kinderleiche. Noch vor Ort habe der Mann die Tat spontan gestanden, erklärte die Polizei am Donnerstagnachmittag auf einer Pressekonferenz. Die Obduktion der Leiche ist noch nicht abgeschlossen; wie der Junge ums Leben kam, bleibt daher unklar. Das Kind ist nach Polizeiangaben nicht heute oder gestern getötet worden. Vermutlich liege der Zeitpunkt des Todes einige Zeit zurück.
Die Ermittler waren Hinweisen aus dem familiären Umfeld des Tatverdächtigen nachgegangen. Die Mutter des 32-Jährigen habe sich am Donnerstagvormittag bei der Polizei gemeldet und berichtet, dass ihr Sohn ihr die Tat gestanden habe, erklärte der Leiter des Sonderkommission, Winfried Wenzel, auf der Pressekonferenz. Der Mann sei bei Jüterbog festgenommen worden. Er lebt bei seiner Mutter. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus. Hinweise auf einen rassistisch motivierten Hintergrund gebe es bislang nicht. Die Polizei prüft indes mögliche Bezüge zu dem im Sommer in Potsdam verschwundenen sechsjährigen Elias.
Am 1. Oktober war der vierjährige Junge vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in der Moabiter Turmstraße verschwunden. Seine Mutter hatte dort einen Termin. Gegen 12 Uhr hatte die Mutter das Kind aus den Augen verloren und zunächst mit der Hilfe von Ehrenamtlichen nach ihm gesucht. Später informierten Mitarbeiter der Caritas die Polizei, die daraufhin das Gelände absuchte und Anwesende befragte. Die Familie des Jungen stammt aus Bosnien und lebt seit etwa einem Jahr in Berlin.
Erste Fotos hatte die Polizei erst am 8. Oktober, eine Woche nach dem Verschwinden des Jungen, veröffentlicht. Die Bilder einer Überwachungskamera vom Eingang des Lageso-Geländes zeigen, wie der Junge an der Hand eines Mannes das Gelände verlässt. Nach Veröffentlichung des Videos erhielt die Polizei zahlreiche Hinweise, allerdings war keine heiße Spur darunter. In den vergangenen Tagen hat die Polizei dann mit Bildern einer Überwachungskamera in besserer Qualität nach dem Tatverdächtigen gesucht und Anwohner befragt. Die Bilder stammten von einer privat installierten Kamera. Sie zeigen den Mann am Tag von Mohameds Verschwinden gegen 13.30 Uhr rund 800 Meter vom Eingang zum Lageso-Gelände entfernt. Für Hinweise hatte die Polizei eine Belohnung von 10.000 Euro ausgesetzt.
Bei vielen Menschen am Lageso löste die Nachricht am Donnerstagnachmittag große Trauer aus. Die Helfer seien alle nach Haus geschickt worden, teilte der Verein Moabit hilft mit. Dessen Sprecher, Laszlo Hubert, war den Tränen nahe. „Ich kann nur diesem schrecklichen Mann die Hölle wünschen.“ Vorwürfe an die Behörden wollte er nicht machen, der Fall solle nicht instrumentalisiert werden.
„Erschüttert“ von der Todesnachricht zeigten sich am Donnerstag die Grünen. „Eine Familie, die nach Deutschland geflohen ist, um hier bessere Perspektiven für ihre Kinder zu haben – und dann wird eins von ihnen ermordet“, teilte Parteichefin Bettina Jarasch mit. Zugleich erhob sie schwere Vorwürfe gegen den Senat: „Was mich umtreibt, ist die Sorge, dass es die chaotischen Zustände am Lageso waren, die dem Täter eine Entführung so leicht gemacht haben. Der Senat trägt insgesamt die Verantwortung dafür, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.“
Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach von einem „schwarzen Tag“. Er sei in Gedanken bei der Familie und hoffe, dass „der Täter seiner gerechten Strafe zugeführt wird“.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!