Lokales im Kino: Heimspiel auf der Leinwand
Filmfestival Braunschweig zeigt Doku über Frauenfußball und einen norwegischen Spielfilm mit mäßigem Lokalbezug in der Reihe Heimspiel.
Früher hatte jede Gemeinde, die etwas auf sich hielt, einen eigenen Stadtschreiber. Heute haben lokale Krimiautoren eine ganz ähnliche Funktion. Heimatkrimis sind die heimlichen Bestseller der Buchbranche. Meist in Kleinverlagen veröffentlicht, werden sie gerade von den Einheimischen gelesen – denn es hat immer einen Reiz, wenn man die Orte kennt, an denen Geschichten spielen. Das Gleiche gilt für Krimiserien mit Lokalkolorit. Beim 29. Internationalen Filmfestival in Braunschweig schaffen es die Kriminalgeschichten des Braunschweiger Autors Dirk Rühmann auf die Leinwand.
Es gehört zum Charme von Heimatkrimis, dass sie oft ein wenig unbeholfen geschrieben sind und das Rätsel um den Täter eher einfach zu knacken ist. Sie sind offensichtlich handgemacht und diese Qualität sollte auch eine Verfilmung haben. In diesem Sinne hat Jonas Jarecki die passende Form gefunden, um Dirk Rühmanns Krimis um den Braunschweiger Kommissar Sanddorn zu adaptieren.
Dabei hat er aus der Not eine Tugend gemacht, denn der 25-jährige Braunschweiger Amateurfilmemacher hat zwar schon 30 Filme inszeniert, arbeitet aber mit Laiendarstellern und niedrigem Budget – und das sieht man seinen Werken auch an.
Zwei 40 Minuten lange Folgen seiner Krimiserie sind inzwischen abgedreht und „Sanddorn: Blutbad im Paradies“ sowie „Sanddorn: Die Farben der Angst“ werden am 8. November auf dem Filmfest gezeigt, kommen dann aber auch als DVDs in den lokalen Handel. Mit dem Erlös will Jarecki dann weitere Folgen drehen – zwei bis drei pro Jahr sind geplant.
Die Braunschweiger bekommen viel von ihrer Stadt zu sehen: Wann immer sich die Gelegenheit bietet, zeigt Jarecki Stadtansichten, manchmal werden sie ohne jede dramaturgische Funktion einfach zwischen zwei Sequenzen geschnitten.
Dies mag ein wenig unbeholfen wirken, aber der Regisseur weiß, was sein Publikum sehen will. Thomas Hupe spielt den etwas behäbigen Titelhelden, Lisa Dauke seine aufmüpfige Assistentin und die Täter erkennt man gleich an den verkniffenen Gesichtern. Die Hinweise werden sehr offensichtlich ins Bild gerückt und von Spurensicherung hat diese Polizeitruppe noch nie etwas gehört. Die Drehbücher haben also Schwächen, aber es gibt auch schöne kleine Boshaftigkeiten wie das leckere Fleisch, das plötzlich im Kühlschrank auftaucht und von den Eltern des Lustmörders, der sein Opfer in der Badewanne zerstückelte, mit gutem Appetit gegessen wird.
In der Reihe „Braunschweig Heimspiel“ des Festivals läuft am 8. November auch die 43 Minuten lange Dokumentation „Mann, Heul Doch Woanders!“ Die Fernsehjournalismus-Studenten der Hochschule Hannover Laren Müller und Florian Eisebitt haben zusammen einen Film über Frauen und Fußball aus einer unerwarteten Perspektive gedreht. Während der Frauenfußball inzwischen von Vereinen, Medien und Fans ernst genommen wird, sind Frauen im Männerfußball immer noch absolute Exoten. Die 26-jährigen Filmemacher haben vier Frauen gefunden, die sich unter Männern durchgesetzt haben.
Eine von ihnen trainiert eine Herrenmannschaft in der Kreisliga, eine stellt als Schiedsrichterin Männer vom Platz und zwei gehören zu den Ultras des FC Magdeburg. Erfahrenere Dokumentarfilmer hätten sicherlich eine von den beiden Ultras aus dem Film herausgeschnitten, denn durch diese Dopplung verliert der Film viel von seinem Rhythmus und beide erzählen im Grunde das Gleiche. Doch von dieser Ungeschicklichkeit abgesehen, ist dies eine gut gebaute und hochinteressante Reportage.
Der Film macht zum einen klar, wie schwierig es für die Frauen ist, sich unter Männern durchzusetzen. Man bekommt aber auch einen guten Eindruck davon, warum gerade diese Frauen damit erstaunlich wenig Probleme haben. Da raunzt etwa die Schiedsrichterin einen nach einer gelben Karte maulenden Spieler mit dem Satz an, der dann auch zum schönen Titel des Films wurde. Und die Trainerin faltet ihre Mannschaft in der Halbzeitpause gehörig zusammen. Die beiden Ultras versuchen dagegen eher eine Ehrenrettung ihrer Gruppe und erklären, wie sie sich von Hooligans unterscheiden. Sie malen dann friedlich ein riesiges Spruchband, das beim Spiel auf der Tribüne entrollt wird.
Die Reihe „Heimspiel“ ist als eine Plattform für die heimische Filmszene konzipiert. Da ist es schon seltsam, wenn in diesem Rahmen am 8. November ein norwegischer Spielfilm gezeigt wird, der in Niedersachsen weder gedreht noch gefördert wurde. „Dirk Ohm: The Disappearing Illusionist“ ist eine auf Englisch gedrehte norwegische Produktion, in der August Diel als einziger Deutscher im Team die Titelrolle spielt. Der Lokalbezug besteht darin, dass der Film auf der wahren Geschichte des Zauberers Dirk Bohm aus Peine basiert, der 2003 nach Norwegen reiste und nahe der kleinen Gemeinde Grong spurlos verschwand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!