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Kommentar Schweizer RechtspopulismusSchlichter die Kuhglocken nie klangen

Andreas Fanizadeh
Kommentar von Andreas Fanizadeh

Die direkte Demokratie hat den Reichtum der Schweiz befördert, aber auch die SVP. Wer die nicht will, muss den Volksgedanken attackieren.

Wird auch gerne mal ins deutsche Fernsehen eingeladen: SVP-Politiker Roger Köppel. Foto: reuters

D ie Schweizer Exportwirtschaft schwächelt, doch den gemeinen Schweizer KonsumentInnen geht es blendend. Wie blendend, das spürt man als SchweizerIn sofort, wenn man zum Einkaufen oder für die Ferien ins benachbarte europäische Ausland reist. In Berlin oder Konstanz kostet die Pizza halb so viel und schmeckt mindestens so gut wie in Rorschach oder Zürich. Butter, Bier, Elektrogeräte – der große Kaufkraftunterschied lässt die Schweizer Brust schwellen, weckt aber auch Ängste vor den ärmeren Nachbarn.

Denn der Wohlstand, das ahnt man, resultiert nicht allein aus der besonderen Tüchtigkeit, sondern aus der Schweizer Insellage. Inmitten von Europa zogen Kriege, Revolutionen und Verheerungen des letzten Jahrhunderts am stabil neutral gebliebenen Handelsplatz vorbei.

Nach 1945 ließ das boomende Land dann ausländische Fachkräfte herein. Und weiterhin Vermögende, die sich wie die alteingesessenen Millionäre vorzugsweise in den Kantonen und Gemeinden niederlassen, die die geringsten Steuern erheben und auf die der Bund kaum zugreifen kann.

Zum Reichtum der Schweiz hat sicherlich auch ihr demokratisches System beigetragen. Diese äußerst gewissenhaft praktizierte direkte Demokratie, die im positiven Sinne Konsens und sozialen Frieden stärkt. Aber eben auch den politischen Aufstieg der rechten Schweizerischen Volkspartei (SVP) begünstigte, der mit jetzt fast 30 Prozent der Stimmen stärksten Partei. Es waren nicht zuletzt die Millionen, die der Milliardär und Unternehmer Christoph Blocher in die Kampagnen der SVP gegen Minarette, Asyl, „Masseneinwanderung“ oder einen EU-Beitritt steckte und die die demokratische Konkurrenz zermürbten.

Alpenländischer Wohlstandschauvinismus

Wer die SVP und den Rechtspopulismus in der Schweiz bekämpfen will, muss den dort herrschenden Volksgedanken rückhaltlos attackieren. Er basiert auf einem alpenländischen Wohlstandschauvinismus und kann auch aufgehübscht um Alpenfolklore und Rütligemurmel keines der aktuellen Probleme lösen. Keines in Syrien und der Ukraine und keines der globalisierten Wirtschaft im Inland.

Doch schlichter die Kuhglocken nie klangen, wie etwa in Roger Köppels Weltwoche. Der SVP-Medienunternehmer und -Politiker machte aus der einstigen liberalen Wochenzeitung der Schweiz ein Vorzeigeblatt der Neuen Rechten in Europa.

Das wäre in etwa so, wie wenn Bernd Lucke die Zeitübernähme und ein Teil des professionellen deutschen Journalismus zu AfD und Pegida überliefe. Im Sinne des Pluralismus: Nein, diese Schweiz gehört nicht zu Europa.

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Andreas Fanizadeh
Ressortleitung Kultur
Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Kulturpolitischer Chefkorrespondent der taz. Von Oktober 2007 bis August 2024 Leiter des Kulturressorts der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.
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16 Kommentare

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  • Wer Roger Köppel und sein Blatt noch konsumiert, der will aus meiner Sicht einfach nur seine eigenen Eulen nach Athen tragen und sucht dafür eine unterstützende öffentliche Stimme. Solche selbstgerechten Meinungen ordne ich unter geistige Brandstiftung ein. Sie machen sich wichtig, indem sie leichtsinnig mit dem Feuer vor der Lunte spielen. Wenn es dann knallt, kommen aus der Ecke, in die sie sich beizeiten verzogen haben nur noch betretene Unschuldsbeteuerungen.

    Selber nass bis auf die Unterhosen - aber die eigene Politik bereits in trockenen Tüchern haben wollen...

     

    Übrigens sollte jener sich nur vor Augen führen, dass sich auch die deutsche Politik aus dem Sicherheitsgefühl der eigenen Insellage gespeist und damit mangels Weitblick nicht nur einen Teil der heutigen Sorgen von Bundesländern und Kommunen mit zu verantworten, sondern zusammen mit der EU-Politik auch aussenpolitisch völlig falsche Weichen gestellt hat, oh heiliger Sankt Florian...

     

    Ein Trost - er ist weder der Nabel der Welt, noch der der EU, ja nicht einmal der Schweiz, denn auch dort gibt es ziemlich viele geradlinige Menschen, die sich von ihm nicht das Hirn vernebeln lassen.

  • Es ist ja in der Schweiz beileibe nicht so, dass sofort zu jedem Thema eine Volksabstimmung abgehalten wird und die Populisten und Propagandisten nur ordentlich die Stimmungstrommel rühren müssen, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen.

     

    Da würde ich das Meinungsmonopol eines Wagner oder Diekmann schon für gewaltiger einschätzen.

  • Volksabstimmung klingt grundsätzlich demokratisch und läßt eine kritische Selbstbetrachtung nicht zu.

     

    Wenn man jedoch einmal objektiv betrachtet, durch welche Manipulationen, Populisten, Presse, Fernsehen, Demagogen und wirtschaftliche Ideologien die Volksseele beeinflußt wird, dann sollte klar werden, daß ein Volksentscheid letztendlich nicht unbedingt dem Wohle des Bürgers dient sondern gesteuert wurde.

     

    Unter diesem Aspekt kann man und soll auch demokratische Möglichkeiten kritisch unter die Lupe nehmen. Nicht alles, was nach Demokratie aussieht, ist es auch.

    • @Peter A. Weber:

      Ihren Ausführungen kann ich in vollem Umfang zustimmen. Ergänzend könnte man nur hinzufügen, dass die von Ihnen angeführten Manipulationsmöglichkeiten in ihrer Gänze auch parlamentarische Wahlen beeinflussen können (bzw. schon oft beeinflusst haben).

       

      Derartige Risiken komplett auszuschließen, würde wohl nur mit dem Verzicht auf jegliche Form von Demokratie möglich sein. Ob dies aber eine Alternative wäre, die in besserer Weise dem Wohle des Bürgers dient?

  • Die SVP ist nicht die stärkste Partei.[1]

    [1]: https://www.woz.ch/-634e

  • Also mir gefällt natürlich nicht die rechte Gesinnung, aber unser christlich demokratisch/sozial gesinntes Volk macht gerade mobil gegen Flüchtende und Vertriebene und ganz nebenbei, ist unser Wohlstand auch auf dem Rücken der Schwächsten begründet. Mir ist ein etwas dumpfer Nationalpatriotismus, der konsequent irgendwelchen Kriegen aus dem Wege geht allemal lieber als, diese anbiedernde US Frömmigkeit unseres Zauberstaates.

  • Das ist doch Käse, auch die Schweiz hat eine Verfassung, die Grundrechte garantiert, sogar teilweise deutlich umfassender als das hier der Fall ist. Religionsfreiheit gehört auch dazu. Im übrigen sind in der S chweiz keine Moscheen verboten, sondern Minarette. Nur weil eine Religion keine auffälligen Repräsentationsbauten errichten darf, ist sie nicht verboten (um das faß zu zu lassen: ob man das gut findet, muß jeder selbst wissen, mir geht es hier darum das da erst mal ein Unterschied ist!)

    Ansonste ist der Artikel eher schlecht:

    1. die SVP ist ebe nicht "jetzt" die stärkste Partei, sondern seit 1999 (wenn da auch noch denkbar knapp mit 0,1% Vorsprung). Also kommt der 'Aufschrei mal eben 16 Jahre zu spät. Das 'vierte Reich' hat deswegen trotzdem nicht in der Schweiz seinen anfang genommen, und das Land ist nach wie vor das mit dem höchsten Ausländeranteil (25%) und einer generell sehr liberalen Politik.

    2. Könnte man schon etwas Kenntnis des Schweizer Systems erwarten. Das läuft nicht wie bei uns das die stärkste Partei sich nen Juniorpartner sucht und dann durchregiert. Das Schweizer 'Staatsoberhaupt', der 7-köpfige Bundesrat wird nach einem Konkordanzprinzip besetzt: die drei stärksten Parteien stellen je 2, die vierte Partei einen Bundesrat. D.h. diese Wahl ändert mal genau gar nichts, außer das die Grünen jetzt ne handvoll weniger Parlamentarier stellen und die SVP ein paar mehr. Praktische Relevanz: Null (das erklärt btw. auch die traditionell geringe Wahlbeteiligung)

    3. Was hat das jetzt mit direkten Demokratie zu tun? DIe FN ist aktuell stärkste bis zweitstärkste Kraft in Frankreich, Hayders Erben hätten gerade fast Wien geholt, Schwedendemokraten und dänische Volkspartei sind in ihren Ländern stärkste Kraft und Geert Wilders PVV Nr.3 in den Niederlanden. Alles repräsentative Demokratien - inwiefern gibts da jetzt weniger 'Rechtspopulismus'.

  • Das demokratische System hat zum Reichtum beigetragen, aber eben auch zum Aufstieg der SVP, weil deren Chef so viel Geld in die Kampagnen gebutter hat?

    Sie meinen, das wäre in rein repräsentativen Demokratien nicht möglich?

     

    Hervorragendes Beispiel für unlauteres Argumentieren in Zeitungen! Kein logischer Zusammenhang, aber direkt aneinander gehängt, wird es wohl so wirken.

     

    Ach ja, wenn Sie es denn so genau haben wollen, gibt es "im Sinne des Pluralismus" auf journalistischem Gebiet gar kein Europa.

  • Unsere betriebsblinde Sichtweise ignoriert, dass der schweizerische Rechtspopulismus zu einem großen Teil Protektionismus gegen den EU-Wirtschaftskrieg bzw. Neoliberalismus-Import ist.

     

    Es gibt auch eine Schweiz jenseits der Bankenwelt, dort arbeiten die Menschen in festen und unbefristeten Arbeitsverhältnissen, haben regelmäßige Pausen, die sie auch wirklich nehmen, einen pünktlichen Feierabend ohne Gratis-Überstunden für den Chef und sie verdienen auch als Friseur oder einfacher Arbeiter so viel, dass sie ein anständiges Leben ohne Existenzängste führen können. Wohlstandschauvinismus???

     

    Mag sein, dass schweizer Banken auch Geld von Diktatoren oder deutschen steuerbetrügenden Milliardären nehmen, aber was internationale Verwicklungen in Krisen und Kriege angeht, so fragt man sich mit Recht, warum die Probleme, die EU/NATO/USA im nahen und mittleren Osten, in Afrika und Südosteuropa verbockt haben, automatisch auch Probleme der Schweiz sein sollen.

     

    Was die angebliche Ausländerfeindlichkeit der Schweiz angeht, so sei einmal mehr daran erinnert, dass die Schweiz einen der höchsten Migrantenanteile in Europa hat, auf jeden Fall höher als in Deutschland.

  • Dieser Artikel liefert eine aüßerst schwachbrüstige Polemik gegen die direkte Demokratie. Ein einziger Blick in die Historie vieler Staaten lässt erhebliche Zweifel aufkommen, ob repräsentative Demokratien Entscheidungen treffen, die Positiveres bewirken (z. B. bei Beschlüssen über Krieg oder Frieden, über die Realisierung von Menschenrechten, u.s.w.).

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass"

    Die Schweiz nimmt gerne die Milliarden Dollar der Diktatoren dieser Welt auf, unterstützt Steueroptimierung, nimmt gut ausgebildete Fachkräfte anderen Ländern weg usw. usf. Doch sobald die Armen aus den anderen Ländern sich melden, werden die Türen zugeschlagen. Ob das wohl auf Dauer funktioniert?

    Na ja, bei uns würden dies ja auch gerne viele machen aus NPD, AfD, CSU, CDU und SPD. Doch oh je, unsere Insellage ist nicht so perfekt und eine Mauer zu errichten ist spätestens seit Walter Ulbricht nicht mehr so richtig salonfähig. Oder vielleicht doch für Herrn Seehofer.

    Na dann schauen wir mal, wie es so weiter geht mit der großen Frage der UMVERTEILUNG!

    Gerade wenn ich Herrn Hans-Werner Sinn und Konsorten lausche wird die Umverteilungsfrage in diesem Land bald ganz oben auf der Agenda stehen und voraussichtlich erneut wie bisher gelöst werden! Nämlich überhaupt nicht solidarisch! Die Vermögenden werden entlastet und die mittleren und unteren Einkommensschichten belastet.

    Die Millionäre und Milliardäre dieser Welt haben es doch vorgemacht. Bisher hat Abschottung gegen die Armut bzw. Armen dieser Welt doch sehr wohl immer sehr gut funktioniert! OK, zum größten Teil. Einige geschichtliche Vorkommnisse (u.a. Französische Revolution, Oktoberrevolution) liefen nun doch nicht so ganz optimal für die vermögende Elite.

    Merkwürdig, ständig höre ich in diesem Land den Satz „Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen".

    Irgendwie scheint die wirtschaftliche Vergangenheit, insbesondere hinsichtlich Umverteilung, nie so richtig mit einbezogen zu werden.

  • Hmmmh, die Schweiz gehört nicht zu Europa? Geographisch, politisch, oder wie?

     

    Selbst wenn man ahnt, was der Autor zu meinen glaubt und welche Kriterien er bemühen will: da fallen einem dann doch noch ein paar andere Länder ein...

  • Bin heute wohl etwas langsam. Können Sie noch einmal erklären, was der Aufstieg der Rechten in der Schweiz mit der "direkten" Demokratie zu tun hat und warum eine parlamentarische Demokratie dagegen immun sein soll ?

    • @jhwh:

      Angenommen, in je einer Gemeinde in Deutschland und der Schweiz wollen Muslime eine Moschee bauen. Es kommt jeweils zu einer Volksabstimmung; in beiden Gemeinden sprechen sich - nehmen wir mal extreme Zahlen - 70 Prozent gegen die Moschee aus und nur 2 Prozent dafür. Der Rest kann sich nicht entscheiden und enthält sich deshalb. In der deutschen Gemeinde darf die Moschee trotzdem gebaut werden, in der schweizerischen nicht.

       

      Denn Deutschland hat eine Verfassung, die bestimmte Grundrechte garantiert, wie zum Beispiel das Recht auf freie Religionsausübung. Das bedeutet, dass die Mehrheit eine solche Entscheidung gar nicht treffen darf, weil die Grundrechte ihrer Natur nach Minderheitenrechte sind. Sie schützen Minderheiten, egal wie klein diese sind. Das ist das Prinzip unseres Demokratieverständnisses, dass Minderheiten vor der Mehrheit geschützt werden müssen, denn Mehrheiten missbrauchen leider oft ihre Macht. Die genannte Volksabstimmung wäre in Deutschland also ungültig, in der Schweiz nicht.

      • @Smaragd:

        Zum Glück wurde als Beispiel eine Moschee gewählt. Der Bau eines Minaretts dürfte in der Schweiz erst gar nicht angedacht werden. Das haben sich die Mehrheitsschweizer schon vor ein paar Jahren in die Verfassung geschrieben. Diktatur der Mehrheit über die Minderheit ist ok, oder wie?

      • @Smaragd:

        Die Verfassung der Schweiz garantiert auch Grundrechte, ich schätze sogar, noch mehr als in Deutschland, einfach mal nachlesen!

         

        Nirgendwo in der Schweiz wird übrigens der Bau einer Moschee verboten, es ging bei der umstrittenen Abstimmung nur um die Minarette.

         

        Die Bauordnung in der Schweiz kann aber genau so gut einem "Investor" verbieten, irgendwo ein Hochhaus hinzusetzen, wenn dadurch bestimmte Menschen negativ beeinträchtigt werden, das geht bis hin zu Einfamilienhäusern, die vor Baubeginn bezüglich Höhe und Umfang erst mit Lattengerüsten dargestellt werden müssen, damit man sich ein Bild vom späteren Klotz machen kann. Erst dann wird über die Baugenehmigung entschieden und nicht wie bei uns, wo man nur mit Scheinchen wedeln muss, damit die Politiker und Bauamtsleute den Kotau machen.