: Unser Bild von einem Fluss
Ökologie 2018 soll mit dem Umbau der Panke zu einem naturnahen Fluss begonnen werden. Lange Zeit schien das kein Problem, die Beteiligung der Bürger zog sich über Jahre hin. Nun stellt sich der Denkmalschutz quer. Dabei lässt sich an der Panke der Gedanke der Natur- mit dem der Kulturlandschaft trefflich verbinden
von Uwe Rada
Der Einstieg der Panke in Berlin beginnt mit einer Überraschung. Quält sie sich im brandenburgischen Panketal, Ortsteil Röntgental, noch durch eine Einfamilienhaussiedlung, weitet sich auf Berliner Stadtgebiet die Landschaft. Eine Erholung für das Auge, die leider vom Pankelauf selbst getrübt wird. Wie ein Strich führt Berlins drittgrößtes Fließgewässer, das dem Bezirk Pankow den Namen gegeben hat, durch die Wiesenlandschaft, gleich neben ihr die Trasse des Radfernwegs Berlin–Usedom. Was für ein trauriger Anblick: ein so schmaler, begradigter Bach in so einem weiten Bett. Und was für eine Vision. Bald soll die Panke durch die Pölnitzwiesen mäandrieren, sie ganz für sich einnehmen.
Was die Panke ist und was sie sein kann, soll das Thema dieser Erkundung sein. Und auch die Frage, wem sie künftig Erholung bieten soll. Dem Menschen, der Natur, oder am besten beiden? Fragen, die keineswegs nur Liebhaberfragen sind. Denn ab 2018 soll mit dem Umbau der Panke begonnen werden. Fast 28 Millionen Euro stellt das Land Berlin für das Projekt „Panke 2015“ zur Verfügung. Betroffen sind 18 Kilometer des insgesamt 30 Kilometer langen Flusslaufs. Zwei Drittel davon liegen in Pankow. Der Umbau dort soll an den Pölnitzwiesen beginnen und am sogenannten Franzosenbecken enden, einem Staubecken, das an der Grenze zwischen Pankow und Mitte liegt.
Beim Thema Pölnitzwiesen sind sich alle einig. Eine neue Auenlandschaft für die in ein gerades Bett gequälte Panke ist eine feine Sache und überdies auch gut für den Hochwasserschutz. Doch schon im Schlosspark Buch, der nächsten Etappe dieser Flusserkundung, gehen die Meinungen auseinander. Den einen gilt der Park am S-Bahnhof Buch als unaufgeräumt und düster, andere schätzen gerade das Wilde an diesem Park.
Der Pankeplan sieht in Buch vor, den Flusslauf behutsam zu renaturieren, indem Uferbefestigungen zurückgebaut oder Böschungen abgeflacht werden. An der Tatsache, dass manche Wege gesperrt sind, wird sich zunächst nichts ändern. Die für die Verkehrssicherung notwendige Fällung umsturzgefährdeter Bäume wurde schon vor geraumer Zeit vom Bezirk untersagt. Der Grund: In diesen Bäumen lebt der Juchtenkäfer, auch Emerit genannt, jene vom Aussterben bedrohte Art, die schon den Bau von Stuttgart 21 eine Zeit lang gestoppt hat.
Bäume gegen Ökotop
Insgesamt sollen dem Umbau der Panke 1.200 Bäume zum Opfer fallen. Diese Zahl findet auch Katrin Koch vom Naturschutzbund Nabu problematisch. Allerdings fallen die Bäume ja nicht für den Bau von Wohnungen, sondern um einem Fluss seinen angestammten Raum zurückzugeben. „Wir müssen auch daran denken, was wir für die Bäume bekommen“, sagt Koch, die eine entschiedene Befürworterin des Panke-Umbaus ist. „Wir bekommen ein in weiten Strecken naturnahes Gewässer, das wieder viel Leben beinhaltet.“ Es geht also um eine Art innerökologische Bilanz. Bäume versus neue Lebensräume für Fische, Pflanzen, Kleinlebewesen. Die Bilanz für Koch steht fest. Der Gewinn für die Natur ist beim Pankeumbau größer als der Verlust.
Das sieht auch Martyn Sorge so. Der Verein Netzwerk Spielkultur, für den er arbeitet, betreibt in Buch zwei Einrichtungen, die Moorwiese und den Würfel. Hier sollen die Kinder die Natur kennenlernen. „Vom Würfel aus gehen wir mit den Kindern oft an die Panke“, sagt Sorge. Ein Weg, der ebenso mühsam wie abenteuerlich ist. Von der Halfpipe nahe den Hochhäusern der Großsiedlung führt er durch dichtes Gestrüpp, aus dem bald ein Wäldchen wird, ans Flussufer. Ein Graben ist die Panke auch hier, aber eingebettet in eine Wildnis, die man in Berlin nicht mehr oft findet. Dass auch hier – im künftigen Pankepark Buch – der Lauf der Panke renaturiert werden soll, findet Sorge in Ordnung. „Natürlich muss man da ein paar Weiden fällen. Aber an den neuen Lauf der Panke kann man ja wieder neue Bäume pflanzen.“
Nach der Havel (45 Kilometer) und der Spree (27 Kilometer) ist die Panke mit 18 Flusskilometern der drittgrößte Fluss, der durch die Hauptstadt fließt. Insgesamt beträgt ihre Länge 30 Kilometer.
Die Panke hat ihre Quelle auf dem Barnim bei Bernau, in Berlin mündet sie in den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal. Die ursprüngliche Mündung – heute Südpanke genannt – wurde 1956 in Rohren unter die Erde verbannt und mündet am Berliner Ensemble in die Spree.
In Berlin ist der Ortsteil Pankow nach ihr benannt, auch der Gemeinde Panketal im Landkreis Barnim gab sie ihren Namen.
Im Jahr 2000 hat die EU ihre Wasserrahmenrichtlinie veröffentlicht. Bis 2015 sollten die Gewässer „in einem guten Zustand“ sein. Das war der Startschuss für das Projekt Panke 2015, das nun aber erst 2018 starten soll. (wera)
Langweiliger Graben
Hinter dem Pankepark beginnt ein öder Abschnitt der Panke. Unter der A 10 fließt sie hindurch, an Kleingärten vorbei, noch immer eher Graben als Bach, und in Karow stehlen ihr die Karower Teiche die Schau. Das einzige Naturschutzgebiet am Pankelauf bietet nicht nur Wasservögeln, Amphibien und Libellen Lebensraum, sondern auch robusten Rinderrassen. Die Karower Teiche gehören wie die Rieselfelder in Hobrechtsfelde zu Deutschlands größtem Waldweideprojekt. Groß zu denken hat hier Großes hervorgebracht. Aus den Rieselfeldern als Hinterlassenschaft des industriellen Zeitalters ist eine halboffene Waldlandschaft geworden. Und aus der begradigten Panke könnte wieder ein naturnaher Wasserlauf werden.
Zur begradigten Panke gehört auch das sogenannte Verteilerbauwerk in Blankenburg, der nächsten Station dieser Erkundung, die bereits in Hörweite zum Autobahnzubringer A 114 liegt. Hier, wo seit 1930 der Nordgraben abzweigt, wurde eines von drei Rückhaltebecken an der Panke gebaut. Bei Hochwassern wie zuletzt 1980 kann damit Pankewasser in Richtung Tegeler See abgeleitet werden. Durch den Umbau zu einer „ökologisch durchgängigen Wehranlage“ soll erstmals Fischen die Möglichkeit gegeben werden, den Fluss aufwärtszuschwimmen. Bislang standen dem unter anderem 14 Wehre im Wege.
Große Flussfragen
Wann aber ist ein Fluss ein Fluss? Wenn er schiffbar ist und zum Wasserweg wird? Das war die Panke nie, auch wenn Preußens König Friedrich II. damit geliebäugelt hat, sie von der Mündung in die Spree am Schiffbauerdamm bis hinauf zum Schloss Schönhausen schiffbar zu machen. Ist ein Fluss deshalb ein Fluss, weil er über Jahrhunderte hinweg Kulturlandschaften geprägt hat? Das trifft in Berlin und Brandenburg eher auf die Spree und den Spreewald zu. Im Sinne der EU und ihrer Wasserrahmenrichtlinie aber könnte die Panke dennoch ein richtiger Fluss werden. Dann nämlich, wenn er in einem „guten ökologischen Zustand“ ist. Der wird laut Umweltbundesamt „hauptsächlich über die im Wasser lebenden Organismen definiert“. Man kann es auch anders sagen: Ein richtiger, lebendiger Fluss wird die Panke wieder, wenn es in ihrem Wasser und an ihren Ufern kreucht und fleucht.
Oder gehört es zu einem Fluss, wenn seine Ufer künstlich gestaltet sind und das Auge des Betrachters erfreuen? Im Schlosspark Schönhausen sind wir an jenem innerstädtischen Abschnitt der Panke angekommen, an dem der Streit um die Zukunft des Flüsschens zunimmt. Das Schloss, das dem Park den Namen gab, wurde bereits im 17. Jahrhundert errichtet und diente bis zu ihrem Tode 1797 Friedrichs ungeliebter Gattin Elisabeth Christine als Sommersitz. Der Park selbst wurde von 1829 bis 1831 nach Entwürfen von Peter Josef Lenné zum Landschaftspark umgestaltet.
Man erreicht die SchlossparkPanke, die sich zuvor auf privatem Gelände zwischen Galenusstraße und Schlossallee versteckte, an einer kleinen Zuwegung am Ende der Stadtvillen des „Galenusparks“. Der Park ist nicht öffentlich zugänglich, obwohl er einst die Falknerei von Schloss Schönhausen beherbergte. Für den Denkmalschutz war das kein Problem.
Romantik versus Natur
Umso mehr mischt sich die untere Denkmalschutzbehörde des Bezirks Pankow in den geplanten Umbau der Panke im Park Schönhausen ein. „Die Gestaltung ist weder ortstypisch noch angemessen für den Schlosspark mit einer wichtigen Erholungsfunktion inmitten eines zunehmend stärker verdichteten Wohnumfeldes.“ So heißt es in einer Stellungnahme des Bezirks zu den Plänen, die die federführende Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt im Sommer ausgelegt hat.
Wer dem Verlauf der Panke vom Galenuspark folgt, fragt sich freilich, ob die Kleingartenanlagen, die sie durchfließt, „ortstypisch“ oder „angemessen für den Schlosspark“ sind, oder der Kindespielplatz, der hinter den Laubenpiepern folgt. Wieder so eine Frage, die die Panke an dieser Stelle aufwirft. Was ist eine zeitgemäße Gestaltung einer historischen Parkanlage, und welcher Gestalt darf ein Gewässer sein, das sie durchfließt? Wer soll sich im Schlosspark künftig erholen dürfen? Die Spaziergänger, die Natur oder die Bewunderer Lennés, der sich die Panke bei seiner Umgestaltung des Parks zu Diensten gemacht hat?
Tatsächlich ist die Planung im Schönhausener Park so aufregend wie an keinem Abschnitt der Panke zuvor. Unendlich viel Platz zum Schwingen soll sie bekommen, sogar eine Insel. Manch einem behagt das nicht, weil sie im Schlosspark gar nicht so öde und geradezu fließt, sondern sich in anmutigen Bögen durch den Park schlängelt – so wie es in einem Landschaftspark des 19. Jahrhunderts en vogue war. Und das soll nun verloren gehen? Aber Natur war es eben nicht, was Lenné hier hinterlassen hat, eher eine romantisierende Vorstellung davon.
In der Tat könnte die Panke an dieser Stelle einen Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart schlagen. Könnte den Gedanken der romantischen Landschaft mit dem der Natur versöhnen. Könnte sogar ihrem Namen wieder alle Ehre machen. Denn das slawische Wort Panke heißt so viel wie durchschlängeln, sich durchwurschteln. Vielleicht würden Landschaftsarchitekten, Denkmalpfleger und Naturschützer in dreißig oder hundert Jahren zum Schlosspark pilgern und jenen danken, die Anfang des 21. Jahrhunderts groß gedacht haben.
Angst vor Veränderung
Ausgemacht ist das leider noch nicht, wie auch der vorletzte Abschnitt dieser Erkundung vermuten lässt. Auch am Bürgerpark Pankow ist der Bezirk auf die Bremse getreten. Hier soll am rechten Ufer eine Böschung samt Panke-nahem Spazierweg weichen. Ein Verlust, natürlich. Aber auch ein Gewinn. Denn wer hier künftig entlangspaziert, sieht von weitem einen Fluss, dessen Ufer zwar auf dieser Seite nicht mehr zugänglich sind. Aber was ist ein zugängliches Ufer an einem geraden Graben gegen einen Blick auf einen lebendigen Fluss?
Was ist schön? Auch diese Frage stellt sich an der Panke. Einfacher zu beantworten ist wohl die Frage, was nicht schön ist. Veränderung zum Beispiel. Oder Bagger, die über Monate, vielleicht Jahre hinweg an der gewohnten Joggingstrecke stehen und Lärm machen. Oder ein Flussufer, an dem man keine Enten mehr füttern darf. Bis das, was nicht schön ist, schön wird, braucht es Zeit und neu geübte Blicke. Man kann sich auch mit einem Vergleich helfen. Wenn die Panke im Schlosspark Schönhausen oder im Bürgerpark ein wenig an die Auenlandschaft des Tegeler Fließ erinnerte, wäre das nicht nur für das Ökosystem Fluss ein Gewinn, sondern auch für den Erholungsuchenden.
Am Franzosenbecken endet die Erkundung. An der Grenze zum Wedding trumpfen die Renaturierer noch einmal auf – mit einem Steg über eine feuchte Flussaue. Die Panke, die folgt, wird traurig bleiben. Mittes Panke, das traurige Rinnsal zwischen Mietskasernen, lässt sich nicht umbauen. Auch wenn sie an der ein oder anderen Stelle ein paar Trostpflaster bekommt.
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