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Ostjerusalem ist abgeriegelt

NAHOST Die Sicherheitskräfte errichten Kontrollposten zwischen dem Ost- und dem Westteil der Stadt. Schärfere Gesetze sollen palästinensische Angriffe verhindern

Israelische Polizisten kontrollieren ein palästinensisches Auto in Ostjerusalem Foto: Atef Safadi/EPA/dpa

Aus Jerusalem Susanne Knaul

Kurz vor einer Kreuzung stellen israelische Sicherheitskräfte mehrere Polizei- und Armeefahrzeuge quer auf die Straße. Ein palästinensischer Fahrer muss aus seinem Lastwagen steigen und sich ausweisen. Entlang der bis 1967 geltenden Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Jordanien sind seit Mittwoch provisorische Straßenkontrollen postiert und die Zufahrtsstraßen in mehrere arabische Viertel abgeriegelt. Israels neues Maßnahmenpaket ist eine Reaktion auf die Gewalt, die am Vortag mit drei jüdischen Opfern einen weiteren Höhepunkt erreichte.

Der Neubau abgerissener Wohnhäuser soll fortan unterbunden werden, ebenso darf die Polizei Eigentum von Attentätern konfiszieren. Angreifer aus Jerusalem riskieren zudem, ihr Wohn- und Aufenthaltsrecht in der Stadt zu verlieren, und der polizeiliche Grenzschutz soll mit Hunderten Reservisten aufgestockt werden, unterstützt von der Armee. Seit die Krise mit erneuten Streitereien auf dem Tempelberg ausgelöst wurden, starben 7 Israelis und 30 Palästinenser. Die schwersten Attentate gehen auf das Konto von Palästinensern aus Ostjerusalem. Regierungschef Benjamin Netanjahu geht davon aus, dass allein Härte eine Lösung bieten kann. Eine Verbindung der Attacken palästinensischer Einzeltäter und der Demonstrationen zum Stillstand im Friedensprozess weist Netanjahu von sich.

Saeb Erikat, der im Auftrag der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) die bisherigen Friedensverhandlungen leitete, betrachtet die aktuelle Gewaltwelle hingegen als „natürliche Folge der israelischen Politik“. Auch die palästinensische Journalistin Nidal Rafa aus Ostjerusalem ist davon überzeugt, „dass es niemals Ruhe geben wird, solange die Besatzung andauert“. Niemand solle „dem Irrglauben folgen, Israel könne unser Land konfiszieren und die Siedlungen ausbreiten, ohne damit auf Widerstand zu stoßen“. Rafa glaubt, dass die neuen Schritte der Regierung, „die nur mit Härte und noch mehr Härte reagiert“, fruchtlos bleiben werden. Die neuen Maßnahmen der Regierung zeigten in der vergangenen Woche noch keine Wirkung.

Angreifer aus ­Jerusalem riskieren, ihr Aufenthaltsrecht zu verlieren

„Ein Einzeltäter, der sich dafür entscheidet, ein Selbstmordattentat zu verüben, ist kaum aufzuhalten“, erklärt Jakow Amidror, ehemals Nationaler Sicherheitsberater in Jerusalem gegenüber der taz. Weder Abschreckung noch Geheimdienste hielten eine Antwort parat für die Angreifer, die „oft spontan“ und ohne den Auftrag einer politischen Organisation agierten. Den in Israel umstrittenen Aufruf an die Bevölkerung, selbst zu den Waffen zu greifen, um im Ernstfall einschreiten zu können, hält Amidror für richtig.

Auch der ehemalige Finanzminister Jair Lapid von der Zukunftspartei setzt auf eine Strategie der harten Hand. „Wir sollten mit Macht dort draußen sein, um die Region zu beruhigen und Terrorangriffe auf israelische Bürger zu verhindern“, meinte Lapid.

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