piwik no script img

Kommentar VorratsdatenspeicherungSinnlose Überwachung

Kommentar von Svenja Bergt

Mobilfunkanbieter speichern zwar schon immense Datenmengen, die Regierung will aber noch mehr. Die Kriminalität wird dadurch nicht sinken.

Barbies im Dirndel: Voll peinlich – aber auch das wird gespeichert Foto: dpa

E s ist eine von diesen Datensammlungen, die ganz unauffällig angelegt werden. Bei der sich die Betroffenen meist gar nicht dessen bewusst sind, dass derart detaillierte persönliche Informationen von ihnen gespeichert werden. Und das über einen beträchtlichen Zeitraum.

Die Dimension der Datenmengen, auf der die Mobilfunkunternehmen sitzen, ist tatsächlich immens. Wer an wen aus welcher Funkzelle zu welchem Zeitpunkt angerufen oder eine Nachricht geschickt hat, dazu mitunter noch Daten wie die eindeutige Kennung von Gerät oder SIM-Karte, das alles multipliziert mit der Zahl Verbindungen pro Tag und das Ganze dann mal 183. Denn die Unternehmen speichern die Daten bis zu einem halben Jahr. Zu Abrechnungszwecken, zur Störungsbeseitigung oder – einfach mal so. Klar, warum sollte man etwas löschen, das man auch behalten kann? Zumal ohne Konsequenzen?

Denn auch wenn unter anderem der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar diese Praxis schon vor Jahren für rechtswidrig hielt – es ist wie so oft, wenn es um Verbraucherrechte geht: Solange es nicht merkbare Bußgelder oder Strafen gibt, bewegt sich bei den Unternehmen nichts. Und weil diese bei Datenschutzverstößen – wenn überhaupt – eher übersichtlich ausfallen, bleibt eben alles einfach mal gespeichert.

Schlimmer sind nur die Pläne der Bundesregierung: Deren Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung geht – auch wenn er kürzere Speicherfristen vorsieht – tatsächlich noch über die derzeitige Praxis hinaus. Auch Daten über netzinterne und über Flatrate abgerechnete Kommunikation, die derzeit teilweise noch zeitnah gelöscht werden, würden dann verpflichtend gespeichert werden müssen.

Eine verhältnismäßig kleine Lücke im Überwachungspuzzle. Und eine, die das offizielle Hauptargument für eine Vorratsdatenspeicherung – eine höhere Aufklärungsquote bei Verbrechen – noch unplausibler macht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Derartiges Sammeln von Daten macht durchaus Sinn, zumindest für die Lobbyisten im Bundestag. Der Abgleich der Daten (alles mit allem) durch ausgeklügelte Software zeigt präzise an, welche Güterund Abgaben (und vor allem auch Wohnungen) man um maximal wieviel teurer machen und so den größtmöglichen Gewinn abschöpfen kan, ohne daß es zu einem Volksaufstand kommt. Dass dabei die einkommensschwachen Bürger auf der Strecke bleiben, hat man bisher als Kollateralschaden hingenommen und wird es vermutlich auch zukünftig nicht anders handhaben.