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Kommentar Verhandlungen mit AssadAuf dem Weg zu „Genf 3“

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Vier Gründe, warum es Hoffnung gibt, das Gemetzel in Syrien zu beenden. Und einer, der dem immer noch entgegensteht: Assad.

Die meisten Opfer in Syrien gehen noch immer auf das Konto Assads und der Regierungstruppen. (Archivfoto: 2014) Foto: ap

V iereinhalb Jahre nach Beginn des Syrienkonflikts gibt es verstärkte diplomatische und militärische Aktivitäten, die zu seiner Beendigung führen sollen. Dazu beigetragen haben vier Entwicklungen.

Erstens: Mit dem Abkommen über das iranische Atomprogramm wird auch die jahrzehntelange Isolationsstrategie Washingtons gegenüber Teheran beendet. Diese Strategie verhinderte bislang die für einen Erfolg unerlässliche Einbeziehung Irans in die Bemühungen um eine Deeskalation.

Zweitens: Von Washington über Paris, Berlin bis Moskau und Peking verstärkt sich die Einschätzung, wonach der „Islamische Staat“ die größte Bedrohung sei, seine erfolgreiche Bekämpfung ein gemeinsames politisches wie militärisches Handeln erfordere und Voraussetzung sei für eine Lösung des Syrienkonflikts. Diese Einschätzung herrscht in Teheran schon lange vor. Inzwischen wird sie auch von den beiden anderen relevanten Regionalmächten Saudi-Arabien und Türkei geteilt – zumindest laut offizieller Sprachregelung.

Drittens: Der dramatische Anstieg der Zahl der syrischen Flüchtlinge hat den Handlungsdruck auf die europäischen Regierungen erheblich verstärkt, sich um die Fluchtursachen zu kümmern.

Viertens: Der seit August 2014 amtierende dritte Syrien-Vermittler der UNO, Staffan de Mistura, hat in monatelangen Einzelgesprächen eine zumindest grundsätzliche Verständigung über einen neuen, als „Genf 3“ bezeichneten Verhandlungsprozess erreicht.

Die Opfer Assads

Eine zentrale Streitfrage ist dabei allerdings weiterhin ungelöst: Welche Rolle soll Syriens Präsident Baschar al-Assad künftig spielen? Die Regierungen der USA und der EU-Staaten schwenken zwar zunehmend auf die Linie Russlands und Irans ein, wonach die Regierung Assad zumindest vorläufig noch gebraucht werde sowohl zur Bekämpfung des IS wie für den neuen innersyrischen Verhandlungsprozess „Genf 3“.

Doch die meisten Oppositionsgruppen sind nicht bereit zu Sondierungen unter Einbeziehung Assads und schon gar nicht für eine Teilnahme an „Genf 3“. Sie weisen daraufhin, dass die meisten Todesopfer, Verwundeten und Flüchtlinge nach wie vor von Angriffen der syrischen Regierungsstreitkräfte verursacht werden und nicht vom IS. Diese Einschätzung wird durch die Untersuchungen des UN-Menschenrechtsrats in Genf sowie von anderen unabhängigen Beobachtern bestätigt.

Selbst wenn es zu einer Einigung über die künftige Rolle Assads käme und „Genf 3“ eine Vereinbarung zwischen der Regierung und den beteiligten Oppositionskräften erbringen würde, bleibt ein zentrales Dilemma: Alle diese Vereinbarungen könnten erfolgreich sabotiert werden von zwei Akteuren, die nicht in an dem Verhandlungsprozess und den vorausgegangen Sondierungen von UNO-Vermittler de Mistura beteiligt wurden: vom IS, der rund 50 Prozent des syrischen Territoriums kontrolliert, sowie von der mit dem IS konkurrierenden Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Al-Qaida-Netzwerks.

Keine Bodentruppen

An Luftangriffen gegen IS-Stellungen in Syrien beteiligen sich seit Anfang September auch Australien, Großbritannien und Frankreich. Der Eindruck drängt sich auf, dass die drei Regierungen mit der Demonstration militärischer Handlungsbereitschaft vor allem von ihrer mangelnden Bereitschaft zur Aufnahme von mehr syrischen Flüchtlingen ablenken wollen. Doch was immer die Motive sind: Erfolgreich bekämpfen lässt sich der IS so nicht.

Zur Entsendung von Bodentruppen in den syrischen Bürgerkrieg – die zumindest zur Durchsetzung von Schutzzonen für Flüchtlinge unerlässlich wären – ist aber niemand bereit, auch Russland nicht. Putin geht es darum, die Option für ein Exil Assads in seiner Heimatregion Latakia vorzubereiten: bewacht von russischen Truppen, die zugleich auch den russischen Marinestützpunkt und einzigen Zugang zum Mittelmeer in Tartus sichern.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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5 Kommentare

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  • Was ist das hier eigentlich für eine einseitige Weltsicht?

     

    König Salman ibn Abd al-Aziz von Saudi Arabien ist ein gutes Staatsoberhaupt?

    Präsident Baschar al-Assad ist ein Höllenfürst?

    George W. Bush hat mit dem Irak-Krieg alles richtig gemacht?

  • 6G
    6120 (Profil gelöscht)

    Ich bin immer wieder schockiert, wie ignorant viele Menschen den monströsen Verbrechen des Hauptaggressors in Syrien, dem Assad-Regime, gegenübertreten. Dieses, "Ja, Assad ist auch kein Unschuldsengel, aber..." klingt genauso mies wie "Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber..."

    Der folgende aktuelle Beitrag in der Zeit von Simon Bethlehem und Marwan Khoury thematisiert die Verbrechen Assads hervorragend und rechnet gnadenlos mit der schrecklichen Appeasement- Und Passivitätspolitik des Westens ab: http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-09/syrien-buergerkrieg-flugverbotszone-weltgemeinschaft

    Ein sehr lesenswerter Beitrag!

  • Einfache Lösungen gibt es nicht. Lösungen die die Interessen aller berücksichtigen ebenfalls nicht.

     

    Die "INterventionen" und Gedanken des Westens in Libyen oder Irak haben zu keinem akzeptablen Zustand geführt. Selbst in Ägypten mit einer weitgehend friedlichen Revultion hat das Wahlvolk letztlich wieder für alte Verhältnisse gesorgt.

     

    Offensichtlich sind demokratisch legitimierte und nachfolgend stabile Verhältnisse nicht erreichbar.

     

    Und jetzt?

    Wie immer in komplexen Situationen: Zug um Zug sowie von dringend nach weniger dringend, von wichtig nach weniger wichtig. Nach jedem diese Schritte neu prüfen und justieren.

     

    Konkret: IS radieren, Al Quaida Ableger, .... die Leute können denke ich damit recht gut umgehen.

    Wechselnde politische oder militärische Partner sehe ich in der aktuell verfahrenen Situation nicht als Problem; es ist die Lösung zumindest aus dieser vollkommen blockierten Situation herauszukommen.

     

    Uns zerstrittenen Haufen wie syrische Gruppen in London oder sonstwo. Ignorieren! Deren Einsatz kommt später, unter Kontrolle internationaler .... schaumermal.

  • Hallo Herr Zumach, vielleicht sollten Sie uns zuerst einmal darüber aufklären, wo die sogenannten Oppositionellen das Geld und die Waffen für diesen Krieg herbekommen. Und "die Opposition" gibt es nicht! Diese "Opposition" reicht von IS bis FSA (sogenannte Freie Syrische Armee). Selbst wenn Assad gestürzt wird, wird sich die Opposition gegenseitig den Schädel einschlagen. Assad ist die einzige Hoffnung, Syrien zu befrieden!

    • 6G
      6120 (Profil gelöscht)
      @Julianne:

      "...Assad ist die einzige Hoffnung, Syrien zu befrieden!"

      Alle Betroffenen (die große Mehrheit der Syrer) und Experten wissen, dass es Assad selbst ist, der den Syrern seit Jahren "den Schädel einschlägt".

      Daraus die "einzige Hoffnung" für Syrien zu ziehen, ist völlig absurd.

       

      Ja, es wird Auseinandersetzungen nach dem Ende des Assad-Regimes geben - aber wie die "noch schlimmer" sein sollen im Vergleich zu der aktuellen, durch Assad verursachten und täglich befeuerten, Hölle, ist überhaupt nicht vorstellbar. Jedenfalls ist es absolut unangemessen, ausgerechnet an dieser Stelle ständig über den Komparativ von "Hölle" zu reden...mit dem Höllenfürsten Assad als Bewahrer vor "noch Schlimmeren"...