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Kommentar Putins AuslandspolitikKreml und Krieg

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Putin schaut nach Syrien. Er will eine Koalition mit Assad gegen den IS. Dabei soll die Ukraine aus dem Fokus der EU geraten. Er hat nichts zu verlieren.

Putin richtet seinen Blick nach Syrien. Foto: dpa

A n der ukrainischen Ostfront herrscht Waffenruhe, vorübergehend zumindest. Die vier Außenminister gaben sich nach dem Treffen in Berlin zuversichtlich. Ein längerer Waffenstillstand scheint machbar, denn auch Russland hat Interesse an der Einfrierung des Konfliktes. Die Verstetigung der Instabilität ist ein Ergebnis, mit dem der Kreml gut leben kann.

Zurzeit richtet sich Wladimir Putins Blick wieder nach Syrien. Ein Zweifrontenkrieg würde Moskau militärisch und finanziell zwar überfordern. Ein langwieriges Gemetzel wie einst in Afghanistan scheint Warlord Putin aber nicht zu fürchten. Putin war nie Stratege, aber ein gewiefter Taktiker.

Vor der UN-Vollversammlung wird der russische Präsident eine neue Anti-Terror-Allianz gegen den IS lancieren und dafür viel Verständnis ernten. Denn gegen eine konzertierte Aktion gegen den IS ist nichts einzuwenden. Aber schon einmal gab sich der Kremlchef als Ideenspender und Diktatorenstütze, der Assad mit dem Vorschlag vor dem Untergang bewahrte, seine Chemiewaffen zu vernichten.

Den syrischen Bürgerkrieg und die Mehrheit seiner 250.000 Opfer hat Assad zu verantworten. Aber die Grundstimmung hat sich gedreht. Putin hat die Gunst der Lage erkannt und versucht jetzt, den Diktator in eine Koalition gegen den neuen Feind IS einzuspannen. Durch die Stärkung Assads schreibt Russland jedoch das Blutvergießen noch auf Jahre fort. Die Fluchtwelle dürfte so schnell nicht abebben und Europa weiter über Gebühr beanspruchen.

Putins Kalkül wird sein, dass die Ukraine aus dem Fokus gerät, und eine zermürbte EU Moskau am Ende gewähren lässt. Putin hat dabei nichts zu verlieren, selbst eine gescheiterte Initiative bringt ihm Punkte ein. Einige europäische Politiker werden erwägen, ihn endlich zu rehabilitieren. Mit dem IS indes wird Russland es nicht eilig haben. Solange der im fernen Nahen Osten wütet, bleibt es daheim ruhig.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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9 Kommentare

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  • Die Diktatoren- Freunde schreiben sich wieder warm. Verschwendung wertvoller Lebenszeit, um alle Auslassungen, Verdrehungen und blankem Unsinn wieder zu korrigieren. Die beiden Massenmörder Putin und Assad sind eine Mischpoke. Assad kann zwar naturgemäß nicht die selben Ambitionen wie P. hegen , aber ansonsten... Putin würde auch nicht vor ähnlichen Blutbädern zurückschrecken wie A, wenn das Volk ihn vom Thron stoßen wollte, das ist wohl klar.

    • @ingrid werner:

      Ach, jeder, der nicht in Ihr Horn oder das der Mainstreammedien tutet, ist automatisch ein "Diktatoren-Freund"! Herrlich, wenn die Welt für jemanden noch so einfach ist. Wenn Assad weg ist und das IS- oder sonstige Halsabschneidergesocks in Syrien regiert, ist alles in Ordnung und alle Geflüchteten können wieder nach Hause, gell?

      Übrigens, für welche "Massenmorde" ist eigentlich Putin verantwortlich?

  • Die RF nimmt seine Interessen genügend war und muss vorsichtig sein, dass eventuell die operierenden Amerikaner in Syrien mit mangelnder Kennzeichnung nicht ins Kreuzfeuer geraten. Dazu noch der inszenierte Konflikt der Türkei mit dem militärischen Flügel der Kurden. Daraus kann sich schnell ein Stellvertreterkrieg auf syrischen Territorium entwickeln und der Funkenflug kann auch in Richtung Europa zusteuern.

    Dass die RF dort einen Stützpunkt unterhält, ist schon sehr lange bekannt. Nebenbei steht dazu noch der Iran in der Nähe, insbesondere deren Bindungen als Folge der internationalen Sanktionen. Daraus kann sich wahrlich ein gewaltiges Höllenfeuer entwickeln.

    Damit bleibt im Ergebnis nichts anderes übrig als das Übel Assad hinzunehmen. Eine enorme politische Hürde für eine Demokratisierung in Syrien auf die nächsten Jahre. Syrien wird unruhig bleiben. Damit ist für Russland der Energiestrom in Richtung Europa zumindest auf nicht absehbare Zeit gesichert. Dazu das zwiespältige Handeln der Türkei beflügelt nur noch die russischen Ambitionen.

    Was geschieht mit dem Irak als Entstehungsort des Islamischen Staates ohne weitere Schuldzuweisungen. Dort liegen die Ursachen für die Entwicklung und das Erstarken des IS. Syrien nahm es sich teilweise als Einflussgebiet, weil dort eine Form des syrischen Machtvakuums herrschte. Die Ambitionen der anderen arabischen Staaten sind nicht deutlich ersichtlich, jedoch streben diese teilweise innenpolitisch in Richtung diktatorische Machtausübung, und begrüßten hinter vorgehaltener Hand den IS.

    Über Jahre gemeinsam in Aktion und Reaktion den Nahen Osten destabilisiert, zeigt jetzt seine Früchte zum Nachteil der dort lebenden Menschen und schuf eine kleine neue Völkerwanderung.

    Letztendlich bleibt auch hier nur der diplomatische Weg der Einflussnahme auf alle Seiten.

  • Unter den Flüchtenden aus Syrien sind viele junge Männer die sich dem Militärdienst des Assad-Regimes entziehen wollen - sie wollen nicht weiter verheizt werden und nicht am Massenmord an der Zivilbevölkerung schuldig werden.

    Fragen Sie sie. Skypen Sie mit ihnen.

    Viele können englisch.

    • @nzuli sana:

      Wieso denn noch mit denen skypen? Sie haben's doch scheinbar schon getan und damit natürlich auch den totalen Überblick. *Ironie off*

  • Die verlogene Einseitigkeit, mit der die gesamte Presse und auch die taz über die Ukraine und Syrien "berichten" , ist schlicht und einfach zutiefst schockierend. "Warlord Putin" - ach, welche Kriege hat Putin denn alle angefangen? Wieviele Staaten hat Putin denn destabilisiert und/oder mit langjährigen völkerrechtswidrigen Angriffskriegen überzogen?? Der Tschetschenienkrieg wurde von US-Freund Jelzin begonnen. Putin hat ihn BEENDET - allerdings wurden dann die Islamisten dort "aktiv" - ein Kalifat wurde entgegen den Vereinbarungen ausgerufen und die Scharia wurde in einigen teilen des Landes ausgerufen. Attentate mit vielen hundert Toten mitten in Russland verübt. Ohne die kriegsentscheidenden "Stinger"-Raketen der USA wäre der Afghanistankrieg gegen die islamistischen Taliban in wenigen Wochen erledigt gewesen und das Land nicht Jahrzehnte dem terror von Taliban und Al Quaida ausgeliefert worden, die ISlamisten nicht dazu ermuntert worden, ihren terror überall hin zu exportieren.

     

    . Es war der Westen, der fast die gesamte Circumferenz des Mittelmeeres - von Algerien/Tunesien über Libyen, Ägypten, Syrien bis inzwischen zur Türkei in unendliches leiden stürzte. Zusammen mit den WIRKLICHEN WARLORDS, nämlich Saudi-Arabien, Katar und VAE sowie Kuweit. Und seit einigen Jahren auch Erdogans Türkei. Saudi-Arabien fliegt derzeit mit westlichen Hightech-Waffen Bombenangriffe auf ein souveränes Land - den Jemen. Und hat den IS finanziell und ideologisch sowie logistisch unterstützt. Empfohlene Lektüre: Peter Scholl-Latour: "der Fluch der bösen Tat" Saudi-Arabien überfällt derzeit als Kriegspartei den Jemen - u.a. mit Streubomben!

     

    der EINZIGE Friedliche Protest des "arabischen Frühlings" fand/findet in Bahrain statt. Und wurde von herbeigerufenen saudischen Truppen blutig niedergeworfen: viele Tote, verkrüppelte und halbtot Gefolterte (auch Jugendliche) , viele verschwundene.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    "Verstetigung der Instabilität"? Wie lächerlich ist DAS denn? Wer hat denn gezielt diverse Regionen destabilisiert? Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Ukraine, Syrien... Wer finanziert denn überall Rebellen und bildet sie aus? UCK, FSA und wie sie alle heißen? Wer hinterläßt denn überall Krieg und Chaos, weil er Regime-Changes durchsetzen will?

  • „Den syrischen Bürgerkrieg und die Mehrheit seiner 250.000 Opfer hat Assad zu verantworten.“

     

    Ja wie war das damals, als der Bürgerkrieg in Syrien ausbrach, Herr Donath?

     

    Assad saß in Damaskus und langweilte sich. Immer nur ein paar Dutzend (vielleicht auch hundert) Oppositionelle im Jahr ermorden und die ewig langweiligen Folterungen, das ist ja auch öd für einem Diktator. Also dachte er sich: „Mach ich doch mal einen Bürgerkrieg. Das wird lustig. Endlich etwas Aktion im Leben. Dann muss ich endlich um mein Vermögen, meine Herrschaft und mein Leben bangen. Und statt in Ruhe in London shoppen zu gehen, darf ich endlich meine Zeit im Bunker verbringen.“

     

    Ja Herr Donath. So könnte es gewesen sein. Allerdings haben Menschen ohne Scheuklappen gesehen, wie „Geberkonferenzen“ abgehalten wurden, um mit dem Geld der „Westlichen Demokratien“ und der demokratischen Musterstaaten Saudi-Arabien und Katar einen Bürgerkrieg so richtig in Gang zu setzten. Und da waren weder Assad noch Putin anwesend.

  • "Warlord Putin"

     

    Treffender kann man seine undifferenzierte Hetz-Haltung Russland gegenüber nicht offenlegen. An Russland und speziell Putin gibt es zu Recht viel zu kritisieren, aber Donath & Co. mit ihrer plumpen Polemik kratzen nicht mal am Rand davon, sondern kauen gebetsmühlenartig Statements wieder, die ihnen von ganz anderer Seite diktiert wurden. Das ist schade und eigentlich der taz unwürdig.