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Neue Zentralredaktion in BerlinFunke macht‘s selbst

Vor zwei Jahren hat sich die Funke-Gruppe Springers Regionalzeitungen geschnappt. Nun startet die Zentralredaktion in der Hauptstadt.

Das neue Model sorgt in der Essener Zentrale für Unruhe. Foto: dpa

Allein schon diese Personalie: Jörg Quoos war Stellvertreter bei Bild und hat zuletzt für einen Moment versucht, etwas aus dem sogenannten Nachrichtenmagazin Focus zu machen. Nun leitet er die Funke Zentralredaktion. Sie nimmt am Montag ihren Betrieb auf. Mit ihm an der Spitze ist klar: Die neue Einheit, die sich in großzügigen Räumen am Berliner Gendarmenmarkt eingerichtet hat, soll Schlagzeilenträchtiges ranschaffen.

Derzeit agiert Quoos allerdings vor allem hinter den Kulissen. Sein PR-Spruch in eigener Sache: „Uns geht es um maximale Qualität bei maximaler Synergie.“ Tatsächlich ist sein Projekt eine große Unternehmung, auf die in der Branche derzeit viele schauen.

Die Essener Funke-Gruppe ist zuletzt ein ganzes Stück mächtiger geworden. Zu ihren Kerntiteln um die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in Nordrhein-Westfalen und weiteren Tageszeitungen in Thüringen und Niedersachsen kamen vor zwei Jahren die Berliner Morgenpost und das Hamburger Abendblatt hinzu. Funke hatte den Springer-Konzern von den beiden Titeln befreit. Springer hatte beide Titel aber weiter mit überregionalen Inhalten seiner Welt bestückt. Nun besorgt es sich Funke lieber selbst, wenn es um das Geschehen in Deutschland und der Welt geht.

Quoos beliefert erst mal Berlin und Hamburg mit fertigen Seiten zu Politik, Wirtschaft, Vermischtem, dazu kommen die Ratgeberseiten. Wenn alles glatt geht, folgt von Oktober an der druckfertige Zeitungsmantel auch für Essen, dann für Erfurt und Braunschweig. Im Herbst befüllt er zudem mit seinem Digital-Mann Thomas Kloß die Online-Portale. Auf der Kundenliste der Zentralredaktion stehen dann insgesamt zwölf Publikationen.

Bündelung der publizistischen Kraft

„Wir reden über eine Auflage von 1,4 Millionen Exemplaren und über sechs Millionen Besucher im Monat, die sogenannten Unique User“, frohlockt Digital-Mann Kloß. Damit komme die Zentralredaktion „direkt hinter Bild“. Kloß sagt: „Jeder Politiker, der sich überlegt, wo ein Interview eine Wirkung entfaltet, ist bei uns an der richtigen Adresse.“

Wir reden über eine Auflage von 1,4 Millionen Exemplaren und über sechs Millionen Besucher im Monat

Thomas Kloß, Chefredakteur Online

In dieser Bündelung der publizistischen Kraft liegt durchaus der Charme solcher Zentralredaktionen, die andere Gruppen wie Madsack und DuMont schon vor Jahren installiert haben. Allein: Am Ende sind die RedakteurInnen nicht zuletzt damit beschäftigt, dieselben Texte in unterschiedlichen Zeitungen zu platzieren – mal an prominenterer Stelle, mal weiter hinten im Blatt, hier ausführlich, dort kompakt.

Schubsen Quoos’ Leute also vor allem Content, also Inhalte, hin und her? „Der Begriff ‚Content-Schubsen‘ ist mir zu flapsig“, sagt Quoos. Seine Kollegen würden sich „wirklich große Gedanken“ machen. „Außerdem haben wir mit den Chefredakteuren der Titel doch anspruchsvolle Abnehmer.“ In einer morgendlichen Videokonferenz sollen sie Wünsche vortragen können. Dann gelte: „Wir sind eine Redaktion und keine Behörde.“

Flache Hierarchien

Aus den einstigen Springer-Redaktionen dringt bei aller Skepsis über das neue Modell, das nicht zuletzt in Essen nach wie vor für Unruhe sorgt, auch eine gewisse Erleichterung. Bei Springer seien Abendblatt und Morgenpost schließlich im Zweifel die regionalen Anhängsel gewesen, die Energie sei vor allem in die Welt und Welt am Sonntag geflossen. Im Funke-Reich sei die Hierarchie der Zeitungen indes flach wie ein Brett: Alle zwölf Titel sind Regionalzeitungen. In dem neuen Modell behalten sie dann auch die Hoheit über ihre Titelseiten und Kommentare – Individualität zumindest hier.

Quoos’ Mannschaft zählt zum Start 51 Köpfe. Da seine RedakteurInnen in Schichten arbeiten und für die Morgenpost auch eine Sonntagsausgabe produzieren müssen, sind bis auf Weiteres keine allzu großen Sprünge zu erwarten. Dem Vernehmen nach könnte es aber zu einem Ausbau kommen: Die Funke-Gruppe überlegt, auch externen Titeln den zentralen Mantel anzubieten. DuMont zeigt bereits, dass das geht, und beliefert neben seinen eigenen Titeln inzwischen auch den Weser Kurier. Ein neuer Markt tut sich auf.

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