Initiative zeigen für Flüchtlinge: Das Gefühl, willkommen zu sein
Viele wollen Flüchtlingen helfen, wissen aber nicht, wie, wo und was sinnvoll ist. Ein Abc von Augenhöhe bis zu Hause.
Auf Augenhöhe begegnen: Die Flüchtlinge brauchen Kontakt zu Einheimischen. Franziska Birnbach hat die Initiative “Start with a friend“ gegründet. „Geflohene Menschen brauchen das Gefühl, willkommen zu sein. Sie sind keine Nummern im Flüchtlingsheim, sondern individuelle Personen mit einer Geschichte und Bedürfnissen wie wir alle“, sagt sie. Heime besuchen, Treffpunkte schaffen und sich austauschen, empfiehlt auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl.
Bürokratie erleichtern: Zur Ausländerbehörde, zu Jobcentern, Ämtern oder Ärzten zu gehen ist für viele Menschen ein großes Problem, weil sie Angst oder Diskriminierungserfahrungen haben und meist wenig Deutsch sprechen. Bei Kommunen und NGOs wie dem Berliner Verein KUB (Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen) kann man sich als „Integrationslotse“ oder „Begleiter“ melden.
Computer: Das Internet ist für viele Flüchtlinge ein wichtiges Kommunikationsmittel, auch um der Isolation zu entgehen. Projekte wie „Refugees Emancipation“, ein selbst organisiertes Flüchtlingsprojekt bieten Kurse in Word, Excel und anderen Computerprogrammen an.
Deutsch-Unterricht: Wer ehrenamtlich Deutsch unterrichten will, kann sich an die Unterstützungsorganisationen wenden oder direkt in Flüchtlingsheimen anfragen. Im Internet finden sich auch Plattformen, die Lernmaterialien anbieten wie tun.starthilfe für flüchtlinge.
Einzelne Bedürfnisse: „Man darf bei aller Unterstützung nicht vergessen, dass es um einzelne Menschen geht“, sagt Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Asyl. „Die Bedürfnisse sind anders, je nach Herkunft und Status“. Die Broschüre „Herzlich Willkommen“ von Pro Asyl liefert Informationen darüber, wie man Flüchtlinge im Alltag unterstützen kann.
Fußball: „Das Wichtigste ist, eine aktive unbürokratische Hilfe anzubieten. Das geht beim Fußball ganz gut. Fußball, Sport und Kultur sind eine gute Basis, um Vertrauen zu entwickeln, Sprachbrücken zu bauen und Freunde zu gewinnen“, sagt Rüdiger Heid von „Buntkicktgut“ in München. Wer Winterjacken oder Fußballschuhe spenden will oder sich als Trainer oder Assistenztrainer zur Verfügung stellen möchte, kann sich hier melden.
Geld: Spenden kann man bei jeder Flüchtlingsinitiative oder NGO. Wer konkret syrische Flüchtlinge unterstützen will, kann sich an den Freundeskreis zur Unterstützung von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten e. V. wenden. „Um syrische Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet legal nach Deutschland zu holen, muss man der Ausländerbehörde beweisen, dass hier Angehörige leben und dass die finanzielle Lage abgesichert ist“, erklärt Martin Keune vom Freundeskreis. Der Verein bieten deshalb Gruppenpatenschaften an. Auch kleine, regelmäßig gespendete Beträge werden zusammengefasst.
Hilfe zum Helfen: Auf der Internet-Plattform „wie-kann-ich-helfen.info“ findet sich eine riesige Liste mit Hilfsprojekten für Flüchtlinge in ganz Deutschland. Es reicht ein Stichwort in der Suchmaschine.
Isolierung aufheben: „Jahrelang wurde darum gekämpft, dass abgelegene Unterkünfte geschlossen werden. Aktuell sind viele wieder in Betrieb“, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. „Da gibt es eine Hilfelücke. Die Menschen sind isoliert und brauchen vieles: eine gute Verkehrsverbindung, ein Telefon, einen Computer.“ Man kann Petitionen gegen die sogenannte Dschungelheime unterschreiben oder dorthin fahren. Organisation wie der bayerische Helferkreis Asyl Alto organisieren solche Fahrten.
Juristische Beratung: Wer Flüchtlinge rechtlich beraten will, kriegt bei Landesflüchtlingsräten, dem Informationsverbund Asyl und Migration, der Caritas und der Diakonie Informationen. Um sich speziell zu Asylrechtsfragen weiterbilden zu lassen, kann man sich beispielsweise an die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender in Münster wenden.
Kinderbetreuung: Bei den meisten Flüchtlingsinitiativen kann man sich melden, um bei Hausaufgaben oder Freizeitaktivitäten zu helfen. Kitas können sich wie “Das Haus Leuchtfeuer“ in Flensburg für Familien im Asylverfahren öffnen.
Kleiderspenden: Markus Böck, Pressesprecher der Deutschen Kleider Stiftung, empfiehlt, nicht wahllos Klamotten zu den Heimen zu bringen. „Wir bekommen die Anfragen direkt von den Einrichtungen. Sie sagen uns, was sie im Moment brauchen, und wir schicken sie ihnen.“
Lebensunterhalt: Asylbewerber können nach drei Monaten auf Arbeitssuche gehen. Allerdings kriegen sie nur Stellen, die keine Deutschen, EU-Bürger und -bürgerinnen oder anerkannte Flüchtlinge machen wollen. Wer einen Job zu vergeben hat, kann sich beispielsweise an die Jobbörse workeer.de wenden.
Mobilität: Da sich Flüchtlinge von den geringen Sozialleistungen auch die Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel kaufen müssen, sind sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Fahrräder können Abhilfe schaffen. Auf der Website des Allgemeinem Deutsche Fahrrad Club (ADFC) kann man sich erkundigen, was wo benötigt wird.
Neue Nachbarn: „Wer sich in kirchlichen Kreisen bewegt, kann sich beispielsweise beim Erzbistum Köln engagieren. Die “Aktion Neue Nachbarn“ hat ein umfangreiches Hilfsangebot von Spendensammeln bis Kinderbetreuung, bei dem man sich nützlich machen kann.
Organisieren helfen: Als Feministin kann man sich beispielsweise an der Selbstorganisierung des Brandenburger Projekts “Women in Exil“ beteiligen. Sie bieten Austausch, Beratung und Hilfe an.
Patenschaften: Bei der Initiative Münchner Mentoren kann man sich melden, um die Patenschaft als ehrenamtlicher Vormund oder als Pflegefamilie für junge, minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge zu übernehmen.
Quatschen: Eine andere Sprache lernt man am besten in der Praxis. Die einfachste Hilfe, die jeder leisten kann: mit Flüchtlingen sprechen.
Rechte Gewalt verurteilen: Um lauter gegen Rechts zu werden, kann man sich bei Initiativen engagieren wie beispielsweise “Hellersdorf hilft“, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus oder der Amadeu Antonio Stiftung, die seit Jahren Erfahrung im Umgang mit rechter Gewalt haben.
Systematisieren: Um die immer unübersichtlicher werdenden Hilfsangebote zu koordinieren, haben die Länder Koordinierungszentren für Freiwillige eingerichtet. In Internet zu finden unter Lagfa (Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligen-Agenturen). In Bayern gibt es daneben eine eigene „Hotline zum bürgerschaftlichen Engagement für Flüchtlinge“: (08 00) 0 00 58 02.
Therapieren: Psychosoziale Hilfe für traumatisierte Folterüberlebende und Kriegsflüchtlingen bietet beispielsweise „Xenion“ an. Dort kann man sich als Mentor engagieren oder als ehrenamtlicher Vormund für unbegleitete Minderjährige. Einen Überblick über Zentren, die psychosoziale Hilfe für Flüchtlinge anbieten, gibt es bei der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer.
Übersetzen: Menschen mit Fremdsprachenkenntnissen werden immer gebraucht. Am meisten gesucht: Arabisch, Kurdisch, Persisch, Serbisch, Somalisch, Bulgarisch, Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch und afrikanische Dialekte. Viele Universitäten bieten „Dolmetscherpools“ an, beispielsweise die Uni-Mainz.
Verhindern: Auf wir-treten-ein.de kann man die Pro-Asyl-Kampagne unterstützen, die sich gegen die Abschiebung von Flüchtlingen in EU-Staaten wehren, in denen sie in Elend und Obdachlosigkeit leben. Gegen Abschiebung kann man sich auch bei anderen Initiativen wie „Abschiebestopp“ oder “Bündnis gegen Abschiebung“, die direkte Aktionen wie Sitzblockaden an Flughäfen oder Wohnungen organisieren.
Willkommen-Initiativen: Wer nicht weiß, ob in seiner Stadt oder seinem Dorf Flüchtlinge leben, braucht einfach nur Wohnort, Willkommen, Flüchtlinge in die Suchmaschine seines Internets tippen. Die meisten Orte, in denen Flüchtlinge leben, haben eine Willkommen-Initiative.
Yoga: „Flüchtlinge, die an Yogastunden teilnehmen, können sich eine Weile aus den Belastungen, Erinnerungen und Herausforderungen entführen und Werkzeuge entwickeln, sich selbst und die Verbindung zum eigenen Körper wieder zu stärken“, sagt Simone Brenner von “Projekt Yoga e. V.“, einem Verein, der 36 jugendlichen unbegleiteten Flüchtlingen in Hamburg Yoga und Meditation unterrichtet. Wer helfen möchte, kann sich als Lehrer anbieten oder bei Veranstaltungen als Botschafter, Koch, Musiker, etc. mitmachen.
Zuhause: Die Gemeinschaftsunterkünfte zu verlassen ist für Flüchtlinge ein erster Schritt, um hier anzukommen. “Flüchtlinge Willkommen“ beispielsweise vermittelt WG-Zimmer an Flüchtlinge. Was sie tun können: Geld spenden – das Projekt braucht es dringend.
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