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Ein Scharfmacher auf Wählerfang

Seit mehr als einer Woche steht die Banlieue in Flammen. Ist die „republikanische Ordnung“ bedroht. Doch der oberste Ordnungshüter Frankreichs, Innenminister Nicolas Sarkozy, tut so, als habe das nichts mit ihm zu tun. Als sei es nicht auch das Versagen seiner Politik und seiner aggressiven Sprache. Er spricht von „Gesindel“. Und davon, dass er die Vorstädte mit dem „Kärcher“, einem Hochdruckreiniger, säubern wolle.

„Null Toleranz“ ist Sarkozys Schlachtruf, seit er im Sommer 2002 Innenminister wurde. Er übernimmt – wenige Wochen nach dem dramatischen Präsidentschaftszweikampf zwischen dem Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen und dem Neogaullisten Jacques Chirac – die Rolle des Scharfmachers in der neuen Regierung. Sarkozy sieht seine Aufgabe darin, die Wähler der Rechtsextremen in das eigene politische Lager zurückzuholen. Auf seine Initiative geht zurück, dass alle möglichen neuen, mit Gefängnis bestrafbaren Delikte entstehen: von den Versammlungen Jugendlicher in Treppenhäusern bis hin zur „passiven Anschaffung“ von Prostitutierten. Auf ihn geht der Bau neuer Gefängnisse und geschlossener Erziehungsanstalten zurück. Er schafft die Nachbarschaftspolizei ab. Und rüstet stattdessen die anderen Polizeieinheiten, die in Vorstädten wie Bürgerkriegstruppen empfunden werden, mit immer mehr Personal und neuen aggressiven Geräten auf.

Sarkozy (53), ein bekennender Wirtschaftsliberaler und Bewunderer der angelsächsischen Politik, vereinigt in seiner Person eine nie da gewesene Akkumulation von Spitzenämtern. Unter anderem ist der Unternehmersohn als Innenminister die zweitwichtigste Figur der Regierung. Er ist Chef der größten Regierungspartei, der rechten Sammlungsbewegung UMP. Er ist Präsident des Generalrats der westlich von Paris gelegenen Hauts-des-Seine, die reichste Region Frankreichs. Und er will im Jahr 2007 Staatspräsident werden. Die Kampagne hat Sarkozy schon lange begonnen. Er hat nicht nur seine enorme Energie, sondern auch sein Privatleben in den Dienst seines politischen Aufstiegs gestellt. Mehr als jeder andere Spitzenpolitiker organisiert er Homestorys – auch mit Frau und Kind. Als ihm seine Frau Cecila wegläuft, schwenkt er auf das andere Extrem um: Jetzt bedroht Sarkozy Journalisten, die über seine neue Freundin schreiben wollen, mit Klagen.

In den Vorstädten ist der 53-Jährige der am meisten gehasste Mann. Er selbst versucht, auch daraus Kapital zu schlagen. Sein Kalkül könnte aufgehen. Es lautet so: Jedes verbrannte Auto, jede verkohlte Bushaltestelle und Schule, treibt Scharfmachern wie ihm zusätzliche Wählerstimmen zu.

Dorothea HAhn

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