Atomkraft-Gegner sind skeptisch: Doppelt verplant
Am AKW Brokdorf sollen nach dem Willen von Bundesumweltministerin Hendricks Castoren aus Sellafield gelagert werden.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will in Brokdorf gerne sechs bis sieben der 26 Castoren abstellen, die aus den Wiederaufbereitungsanlagen (WAA) Sellafield und La Hague zurückkommen werden. Die anderen sollen nach Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Das sieht ein jüngst veröffentlichtes Konzept für diese Castoren vor. Die vier großen Atomkonzerne ENBW, RWE, Vattenfall und EON haben zugesagt, diesen Vorschlag zu prüfen. So lange wollen sie auch ihre Klage gegen das Atomgesetz und damit den Einlagerungsstopp in Gorleben ruhen lassen.
Sie stellten aber klar, dass sie dafür Entgegenkommen erwarten: Es solle eine „wirtschaftlich akzeptable“ und nach „Aktienrecht vertretbare Lösung“ gefunden werden. Im Klartext heißt das wohl: Das Ganze darf die Unternehmen am Ende nicht mehr kosten als eine Zwischenlagerung in Gorleben.
Dieses Konzept sorgte in Bayern für große Aufregung und massiven Protest – war es doch nicht mit den Landesregierungen abgestimmt. Manche Medien verstanden das Papier so, dass Gorleben bei den WAA-Castoren definitiv aus dem Spiel sei.
Diesen Optimismus teilt Jochen Stay von der Anti-AKW-Initiative Ausgestrahlt nicht. Man sei nicht weiter als 2013, als das Gesetz zum Ende des Zwischenlagers beschlossen worden sei, sagt er. Schließlich sei die Klage gegen das Gesetz nicht zurückgezogen worden. Sie ruhen zu lassen, sei nicht viel mehr als eine Art Waffenstillstand. Auch sonst hat Stay viele Zweifel an der Einigung des Bundesumweltministeriums mit den Energiekonzernen. Die Eckpunkte enthielten nur vage Verabredungen.
Hendricks bringt mit ihrem Papier ihren schleswig-holsteinischen Amtskollegen Robert Habeck (Grüne) in ein Dilemma. Der hatte zwar seine Bereitschaft erklärt, einen Teil der Castoren anzunehmen, und „begrüßt“ die Einigung. Doch in seinen Planspielen sollte der Müll eigentlich ins Zwischenlager am stillgelegten AKW Brunsbüttel, das bald zurückgebaut werden soll.
Doch nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgericht aus dem Januar hat das Lager Brunsbüttel keine Betriebsgenehmigung mehr. Drei Jahre lang dürfen die neun Castoren, die dort schon stehen, bleiben. Was dann geschieht, ist unklar.
Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Betreiber Vattenfall schafft es, durch Nachbesserungen oder Neubau eine Genehmigung für ein Zwischenlager zu bekommen, oder er muss sich einen anderen Platz suchen. Noch hat sich das Unternehmen nicht entschieden, wie es mit der Situation umgeht. Auch einen Zeitpunkt für eine Entscheidung gebe es nicht, teilte eine Sprecherin mit.
Es geht um mehr als die neun Castoren: Auch die Brennelemente, die sich noch im Reaktor befinden, müssen irgendwo hin, bevor der Rückbau beginnen kann, der ein zentrales politisches Ziel von Habeck ist. Die könnten, so die Rechnung im Kieler Umweltministerium, nach Brokdorf kommen. Doch auch wenn dort heute noch viel Platz ist – den Müll aus dem laufenden Betrieb bis 2021, den Schrott aus Brunsbüttel und die sechs Castoren aus Sellafield passen dort nicht hinein.
Doch bei der Entscheidung hat das Land nicht viel zu melden. Die Anträge für die Zwischenlagerung stellen die Energiekonzerne, prüfen muss sie das Bundesamt für Strahlenschutz.
Karsten Hinrichsen lebt in Brokdorf und engagiert sich seit Jahrzehnten gegen Atomkraft. Er ist nicht überrascht davon, dass in seinem Heimatort nun ein Teil der WAA-Castoren landen sollen, ärgert sich aber, an diesen Gedankenspielen mal wieder nicht beteiligt worden zu sein. Ginge es nach ihm, dürften die Castoren aus England kommen und auch die aus Brunsbüttel. Unter der Bedingung, dass das AKW Brokdorf sofort abgeschaltet wird. Dann wäre auch genug Platz, sagt Hinrichsen.
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