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Kolumne B-NoteUnter dem Stammtisch

Lukas Wallraff
Kolumne
von Lukas Wallraff

Kinder lassen sich von Widrigkeiten die Stimmung nicht vermiesen: Wie Nadine Angerer nun Manuel Neuer verdrängt.

Bei Kindern beliebt: Nadine Angerer im Nahkampf. Foto: dpa

E rzähl das lieber nicht den Kindern, sagte meine Frau morgens nach dem nächtlichen 10:0 der deutschen Mannschaft im ersten WM-Spiel. Sonst würde sich die Begeisterung der Kinder für Fußball im Allgemeinen und für Deutschland im Besonderen womöglich ins Unermessliche erhöhen, meinte sie besorgt. Aber, denke ich: Wäre das so schlimm?

Gut, bevor die Schwarz-Rot-Gold-Liebe ins Pegidahafte kippt, müsste ich einschreiten. Aber im Moment gibt es andere Gefahren: Die WM der Frauen wird unter den Fußballstammtisch gekehrt (kein Kicker-Sonderheft!) und in ihrer Tragweite unterschätzt. Auch von mir. „Kaufen wir jetzt wieder ein Panini-Album?“, wollte meine Tochter (5) jetzt wissen.

„Äh. Hmm“, murmelte ich, dachte an die Kosten und stammelte: „Ich weiß gar nicht, ob es diesmal eins gibt.“ – „Weil die Frauen nicht so bekannt sind? Weil die nicht so wichtig sind?“, fragte meine kleine Mitbewohnerin. Was soll man darauf sagen: „Ja, so was gibt es nur bei den Männern“?

Natürlich klapperten wir einen Kiosk nach dem anderen ab, bis wir endlich irgendwo fündig wurden. Kein Vergleich zur Männer-WM 2014, wo einem die Paninis überall nachgeschmissen wurden. Bei manchen Bildern von kurzhaarigen Spielerinnen kommen peinliche Fragen auf, die an den unsäglichen Fifa-Geschlechtstest erinnern: „Ist das ein Mann, darf der da mitspielen?“

Viel größer ist allerdings das Problem der späten Anstoßzeiten. Kita-Kinder bis nach Mitternacht fernsehen zu lassen geht dann doch zu weit. Sie kriegen also nur häppchenweise Aufzeichnungen zu sehen. Trotzdem funktioniert das Umschalten perfekt: Mein Sohn (4) malt statt endloser Manuel-Neuer-Bilder jetzt „die deutsche Torwärterin“ – und bekam dafür sogar schon von Nadine Angerer herself ein „like“ (ja, die deutschen WM-Frauen beantworten ihre Fanpost noch persönlich).

Aber das sollte ich meinem Sohn lieber nicht erzählen. Sonst wird er noch so unermesslich stolz wie sein Papa.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens