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FDP-Herren halten zu Brüderle

SEXISMUSVORWURF Auf dem Treffen der NRW-FDP schweigt Rainer Brüderle. Die Parteikollegen stehen ihm bei. Doch die Bürger finden, eine Entschuldigung wäre fällig

„Für Brüderle gibt es in einigen Redaktionen kein Pardon mehr“

AUSSENMINISTER GUIDO WESTERWELLE

BERLIN taz/dapd/dpa | Rainer Brüderle übt sich in der altbewährten Kohl’schen Tradition des Aussitzens. Der designierte FDP-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl verlor am Sonntag auf dem Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen Liberalen in Düsseldorf kein direktes Wort zu den gegen ihn erhobenen Sexismus-Vorwürfen. Von seinen Parteikollegen bekam Brüderle den Rücken gestärkt.

Rund 60 Journalisten, doppelt so viele, wie normalerweise zu der FDP-Veranstaltung anreisen, sowie rund 1.500 Gäste waren am Sonntag nach Düsseldorf gekommen. Mit Spannung wurde erwartet, was Brüderle zu den Vorwürfen der Journalistin Laura Himmelreich sagen würde. Die 29-Jährige hatte im Stern beschrieben, wie Brüderle sie vor rund einem Jahr anzüglich angemacht hatte. Unter anderem soll der 67-Jährige an einer Hotelbar auf ihre Brüste geschaut und gesagt haben: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“ Himmelreichs Text hat in den Medien, unter Politikern und im Kurznachrichtendienst Twitter unter dem Hashtag #Aufschrei eine lebhafte Debatte über Sexismus ausgelöst. Bis Sonntagnachmittag wurden 35.000 Twitter-Einträge registriert, mehrheitlich von Frauen, die sich über alltäglichen Sexismus beschweren.

Christian Lindner, Chef der NRW-FDP, focht das nicht an. Er begrüßte Brüderle am Sonntag unter viel Applaus als „unseren Freund, hinter dem wir stehen“. Sein Parteikollege Außenminister Guido Westerwelle forderte die FDP zu Solidarität mit Brüderle auf. Für den Mann an der Spitze gebe es „in einigen Redaktionsstuben kein Pardon mehr“. Westerwelle sprach von „Zerrbildern“, die in den Medien verbreitet würden. Dies dürfe man „nicht durchgehen lassen“.

Brüderle selbst ritt am Sonntag Attacken gegen Rot-Grün und kommentierte den Trubel um seine Person nur indirekt. „Sie können uns schlagen, beschimpfen, mit Dreck bewerfen, aber sie können uns unsere Überzeugungen nicht nehmen“, zitiert ihn Spiegel Online.

Ein großer Teil der Bundesbürger findet hingegen, ein bisschen Einsicht stünde Brüderle gut an. Laut einer Emnid-Umfrage unter 500 Bundesbürgern sagen 90 Prozent, dass Brüderle sich bei der Journalistin entschuldigen solle, sofern die Vorwürfe stimmen. 45 Prozent befürworten dann sogar seinen Rücktritt.

Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki zieht hingegen andere Konsequenzen. Er warf dem Stern vor, Brüderle politisch schaden zu wollen, und sagte: „Ich werde künftig keine Journalistinnen mehr als Wahlkampfbegleitung in meinem Fahrzeug mitnehmen.“ Auch werde er künftig Gespräche an der Hotelbar vermeiden, wenn Journalistinnen anwesend seien, sagte Kubicki. „Denn natürlich rutscht einem da schon mal eine lockere und nicht gelungene Bemerkung heraus.“

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