Friedensgespräche: Besorgte Nachbarn
Jordanien, Israel, Ägypten: alle drei Staaten grenzen an Palästina an. In Scharm al-Scheich treffen sich nun die Staatschefs mit Palästinenserpräsident Abbas. Sie eint die Angst vor einem zunehmenden Einfluss der Hamas
KAIRO taz Es ist ein ungewöhnliches Bündnis, das in Scharm al-Scheich zusammengekommen ist, um den palästinensischen Präsidenten und Fatah-Chef Mahmud Abbas seine Unterstützung auszudrücken. Weil unter ihnen kein Konsens existiert, wie die gemeinsame Hilfe für Abbas genau aussehen soll, ist das Ganze auch nicht der Durchbruch in der verfahrenen Nahostdiplomatie.
Die israelische Regierung hatte bereits am Sonntag die teilweise Freigabe bislang einbehaltener palästinensischer Steuergelder angekündigt. Gelder, die von den Palästinensern für Steuern und Zoll eingesammelt, aber seit dem Wahlsieg der Hamas im Januar letzten Jahr von Israel zurückgehalten worden waren. Insgesamt handelt es sich um 550 Millionen Dollar. Damit wäre aber nur die Situation vor den Wahlen im letzten Jahr wiederhergestellt und das nur im Westjordanland. Olmert hatte bereits vor dem Treffen erklärt, er sei nicht bereit zu Friedensgesprächen über den endgültigen Status der besetzten palästinensischen Gebiete und über die Schaffung eines palästinensischen Staates.
Genau das aber wollen die beiden moderaten arabischen Regierungen in Ägypten und Jordanien erreichen. Sie argumentieren, mit dem gegenwärtigen Status quo lasse sich die Hamas nicht einfach isolieren. Beide fordern politische Zugeständnisse von Israel und die Aufnahme ernsthafter Friedensverhandlungen. Der jordanische König Abdullah klagte eine "klar definierte Vision zusammen mit einem Zeitplan zur Wiederaufnahme von Verhandlungen" ein.
Ägypten fürchtet ein islamisches Emirat vor seiner Haustür im Gaza-Streifen und eine palästinensische Flüchtlingswelle. Alle müssten zusammenwirken, um erneut Vertrauen zwischen Israel und den Palästinensern zu schaffen, als Basis, um wieder zu verhandeln, erklärt der ägyptische Außenminister Ahmed Aboul Gheit.
Beide arabische Staaten sehen, dass sich in den palästinensischen Gebieten zwei konkurrierende politische Projekte gebildet haben. Hamas propagiert das Widerstandsprojekt, Abbas das Gegenprojekt "Verhandlungen". Er ist damit sehr auf den Westen angewiesen. Wenn die USA, Europa und auch Israel ihn zwar mit Geld zudecken, ihn aber ansonsten am ausgestreckten Arm politisch verhungern lassen, dann sind seine Tage gezählt. Ein isolierter Gaza-Streifen wäre eine reife Frucht für allerlei Gruppen weit radikaler als Hamas. Hamastan droht dann zu Talibanistan zu werden, und die Palästinenser im Westjordanland könnten dann auch der Fatah den Rücken kehren und sich wieder mehr für das Widerstandsprojekt von Hamas erwärmen. Die überregionale arabische Tageszeitung Al-Quds al-arabi vergleicht die gegenwärtige Lage mit dem Irak. "Das Westjordanland mit dem vom Westen unterstützen Abbas ist wie die Grüne Zone in Bagdad, während der Gaza-Streifen sich zum unkontrollierbaren Falludscha entwickeln wird", warnt die Zeitung.
Es ist also kein Wunder, dass sich gestern auch das militante islamistische Netzwerk al-Qaida in Sachen Palästinenser zu Wort gemeldet hat. Trotz aller Fehler der Hamas-Regierung sei es nun an der Zeit, die Reihen hinter den Kämpfern der Bewegung zu schließen, hieß es in einer Tonbandaufnahme, die dem Al-Qaida-Vize Aiman Al-Sawahiri zugeschrieben wurde.
Haben die Europäer in den letzten Monaten gehofft, mit ihrem Finanzboykott einen Betrag zu leisten, um Hamas moderater zu stimmen, zählt al-Qaida nun darauf, die Hamas in ihre radikaleren Reihen zu locken. Doch der alte Teufelskreis bleibt weiter bestehen. Olmert will keine Friedensverhandlungen, bevor Abbas nicht für Sicherheit sorgt. Abbas aber, der nur noch über das Westjordanland herrscht, kann genau das nicht, solange er den Palästinensern nicht die Perspektive für ein Ende der israelischen Besatzung bietet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!